Food-Basics: Was ist gutes Bier?Brauen im Selbstversuch

das produkt bier hopfendolde

Was ist gutes Bier – mit der Frage hätte man vor zehn, vielleicht noch vor fünf Jahren in der Regel ein Schulterzucken geerntet. Ja, Bier halt. Schmeckt doch immer gleich gut oder eben nicht, ist Geschmackssache, aber eine Qualitätsfrage?

Irgendwann, um 2012, 2013, gab es dann diesen „tipping point“ in Deutschland. Auf einmal machte der Begriff Craft Beer die Runde, auf einmal wurde entdeckt, dass Bier nicht nur nach feinherbem Pils schmecken kann (plus die altbekannten regionalen Spezialitäten), sondern nach allem Möglichen. Nach Malzbonbon, Koriander, Zitrus, Rauch – Bier war plötzlich ein Gesprächsthema. Aber: Das ist ja irgendwie immer noch eine Geschmacksfrage. Der oder die eine steht auf ein dreifach gehopftes Triple IPA, der oder die andere auf die Belgier, oder auf dunkle Porter. Und aus der lapidaren Frage, was ein gutes Bier ist, ist ein ewiger Diskurs geworden.

Wir hätten für diese Basics-Ausgabe natürlich wieder in eine Brauerei gehen können. Hätten uns das alles mit den ausgesuchten Rohstoffen erklären lassen, auf Stahltanks gucken, zwei Bier trinken und wieder heimfahren können. Und tatsächlich sind wir für diese Basics-Ausgabe wieder in eine Brauerei gegangen, aber nicht, um uns sie anzuschauen (was wir zusätzlich tun durften, war nett!), sondern um selbst zu brauen, um einfach mal den Prozess durchzuspielen. Denn eigentlich kann und darf das jeder selbst, Bier brauen. Exakt 200 Liter für den nichtkommerziellen Eigenbedarf stehen jedem Bundesbürger zu, es ist nur anzeigepflichtig, beim Zoll.

Von diesem Recht hat aber lange Zeit kaum jemand Gebrauch gemacht. Heimbrauen, Standard in alten Zeiten, war weg, vergessen. Bis ein gewisser Jean Pütz im Jahr 1982 das Bierbrauen zum Inhalt seiner Hobbythek machte. Das Leitheft mit Brauanleitung gab's gegen frankierten Rückumschlag, die Hobbythek-Redaktion bekam 100.000 Zuschriften und hatte mit dem Versand wochenlang alle Hände voll zu tun. Dem Proto-Hipster-Zwirbelbart ist somit ein Stück weit zu verdanken, dass Hausgebrautes wieder da ist.

Das berichtet uns Hagen Großpietsch. Er ist Biersommelier und heute Leiter des Kurses, der in den Räumen der Neuköllner Craft-Beer-Brauerei Berliner Berg stattfindet. Die Brauanleitung liegt schon vor uns, Brauziel ist ein „Brausturm Pale Ale“ mit rund 5,3 Prozent Alkohol. In Zweiergruppen geht es an die sich schon warm laufenden Töpfe.

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Braukurs im Ausschank „Bergschloss“ der Brauerei „Berliner Berg“

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Frisch geschrotetes Malz

Erstmal wird das Malz grob geschrotet, einer schüttet, der andere bohrt, denn eine Bohrmaschine treibt den Schroter an. Die „Schüttung“ besteht aus Pale-Ale-Malz, das besonders malzig-süßlich schmeckt, klassischem Pilsener Malz (als Basis) und zwei Sorten Caramalz (die der Farbe und Vollmundigkeit des Bieres gut tun). Malz ist gekeimtes, getrocknetes Getreide. Die Körner werden durch Befeuchtung zum Keimen gebracht, es wird ihnen quasi Frühling vorgegaukelt. Dadurch entstehen Enzyme, die eigentlich dafür gedacht sind, die ersten Wurzeln und Blätter mit Nährstoffen zu versorgen. Hier werden sie zweckentfremdet, um später die Umwandlung von Stärke in Zucker zu forcieren. Und weil man sie braucht, wird die Keimung in der Mälzerei jäh unterbrochen – die sich bereits gebildeten Wurzeln werden abgeschabt, die Körner werden getrocknet, es liegt das so genannte Grünmalz vor. Durch unterschiedliche Temperaturen, ganz grob gesagt, entstehen unterschiedliche Malze. Beim Knabbern löst der Speichel den Zucker aus dem Malz, im Topf passiert das durch das Maischen – langsam und vorsichtig schütten wir das Malz ins 71 Grad heiße Wasser. Plätschern soll es bitteschön nicht, auch beim Umrühren mit dem großen Holzpaddel möge man möglichst keinen Sauerstoff unterrühren, erklärt der Kursleiter, denn das sei nicht gerade geschmacksförderlich. Bei 67, 68 Grad (die Schüttung hat den Topfinhalt etwas abgekühlt) wird dann eine Stunde lang aus der Stärke des Malz vergärbarer Zucker – Glukose und Maltose.

Was wir hier machen, nennen die Brauer „Kombirast“: Wir lösen den Zucker bei einer Temperatur, bei der auch ein kleiner Anteil nicht vergärbaren Zuckers mit rausgeholt wird, der dem späteren Bier eine natürliche leichte Süße geben wird. Man könnte auch zwei Rasten durchführen, zum Beispiel eine für die Basis und den gewünschten Alkoholgehalt, eine („Verzuckerungsrast“) für die Süße. Oder für besondere Aromen: Das „Bananige“ vom Weizenbier entsteht beispielsweise bei einer Rast-Temperatur von 45 Grad. Aber schließlich sind wir Anfänger und wollen erstmal die Basics hinkriegen, und regelmäßiges Umrühren und Temperatur-Überprüfen gehören dabei dazu.

Malz in den Topf

Ab ins 71 Grad heiße Wasser.

Maischen

Beim Umrühren der Maische sollte möglichst wenig Sauerstoff hineingelangen.

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Lauter lachende Leute läutern.

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Was die Industrie mit großen Tanks und Bottichen macht, ist hier Handarbeit.

Dann wird geläutert. In einer Brauerei wird die Maische dafür in einen eigenen Bottich gepumpt, wir machen das per Umfüllung in einen bereitgestellten Gäreimer: Die Flüssigkeit über dem festen Bestandteil der Maische, dem Treber, wird so lange durchs Ventil mit Filter abgezapft und oben wieder reingegeben, bis sie einigermaßen klar aussieht. Völlig ausreichend ist das, in der Industrie werden – neben feineren Filterverfahren – vor der Abfüllung auch Klärmittel wie PVPP verwendet, Plastik, das am Ende hoffentlich in Gänze wieder rausgefischt wird. Unser plastikfreies Ergebnis kommt zurück in den Kessel, der Treber in den Kompost. Man könnte aber auch Tierfutter oder Brot daraus machen.

Nun wird die Würze, wie die Maische minus Treber heißt, gekocht. Aber davor wird ihr Zuckergehalt bestimmt, Hagen verwendet dafür ein Refraktometer, wir schauen auch mal durch. Je nach Zuckergehalt wird nämlich noch Wasser dazugegeben, der so genannte Nachguss. In unserem Fall sind es rund sechs Liter, sodass wir nun insgesamt 20 Liter kochen – mit mehr Flüssigkeit wird mehr Restzucker ausgelöst. Mittlerweile kocht das Ganze wallend, was wichtig ist, um die Eiweißgerbstoffe auszutreiben, die zu Fehlgeschmäckern führen.

Und dann kommt der Hopfen.

Die Hopfengabe ist zum einen wichtig für die Stabilität des Bieres, zum anderen sorgen seine Alpha-Säuren für biertypische Bitterkeit. Die fruchtigen Aromen, die Craft-Beer-Fans so wertschätzen, kommen durch Hopfensorten, die besondere ätherische Öle enthalten. Weil diese sich nicht bei volle-Pulle-Kochen, sondern bei Temperaturen bis maximal 80 Grad entwickeln, gibt man diese Aromahopfen entweder beim Hochheizen oder am Ende dazu, wenn die Würze abkühlt. Man kann ganze Hopfendolden verwenden (viel Spaß beim Reinigen), Pellets (für unsere Zwecke am besten) oder sogar Hopfenessenz, eine gelee-gummiartige Masse, die in der Industrie oft zum Einsatz kommt.

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Mit dem Refraktometer lässt sich der Zuckergehalt bestimmen.

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Mandarina-Bavaria-Hopfen in Pellets kommt zum Einsatz.

Mit einer Kühlschlange bringen wir die Würze auf rund 20 Grad Celsius herunter, um die Hefe beigeben und einrühren zu können. Sie wird den Gärprozess in Gang setzen und den Zucker des Malzes zu CO2 und Alkohol verstoffwechseln. „Brauer machen die Würze, die Hefe macht das Bier“, heißt es daher auch so schön. Unser „Brausturm Pale Ale“, das der Kategorie Ale zugehörig ist, wird ein obergäriges Bier – das heißt, dass sich die Hefe während der Gärung oben befindet. Bei untergärigen Bieren (Pilsner, Helles, Schwarzbier zum Beispiel) sinkt sie hingegen ab. Obergärige Kollegen wären Kölsch, Alt oder auch die Berliner Weiße, die hier bei Berliner Berg gebraut wird.

Obergärige Hefe braucht Raumtemperatur zum Arbeiten, deswegen bekommen wir – neben rund 16 Litern Jungbier im Gäreimer – die Hausaufgabe mit, das Bier bei Raumtemperatur zu lagern, damit die Hefe nicht einschläft. Mit der U-Bahn wird dann ein Eimer frisch gebrauten Biers wegtransportiert, die Mitfahrer gucken interessiert. Daheim fängt es schon bald zu blubbern und zu schmatzen an, Bläschen bilden sich – die Hauptgärung ist im Gange. Dass dabei die entstehende Kohlensäure flöten geht, ein Plastikeimer ist halt kein Drucktank, ist nicht weiter schlimm. Denn nach einer Woche ist die Abfüllung dran, und bevor das junge Bier in der Bügelflasche weiterreift, geben wir eine Prise Haushaltszucker dazu – etwa drei Gramm pro halben Liter. Beim Champagner nennt man das die Dosage, die für Extraprickeln sorgt, auch Brauereien wie die Insel-Brauerei auf Rügen setzen das Verfahren ein. Unser im Werden begriffenes Pale Ale wird dadurch also noch mal fein karbonisiert.

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Abfüllung zu Hause. Foto: privat

Das Ergebnis schmeckt, nach zehn Tagen Flaschengärung, sagen wir bierähnlich. Was ist gutes Bier? Dieses hier noch nicht. Bier braucht Zeit. Der Kursleiter empfiehlt weitere drei, wer Geduld hat sogar sechs Wochen stehende Lagerung bei kühlen Temperaturen. Die erfolgt derzeit. Wir werden alsbald berichten, wie das „U8“, ein Bier unter acht Prozent Alkohol, das mindestens einmal Berlins berüchtigte Untergrundlinie durchfahren haben muss, dann mundet.

Wer auch Lust hat, so einen Braukurs zu machen: Beyond Beer bietet sie in Hamburg, Berlin, Düsseldorf und Köln an. Die Gruppen sind dabei klein gehalten, sodass jeder ordentlich mitarbeiten kann.

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Mix der Woche: Rinse FM – Robert Johnson Takeover12 Stunden, 12 DJs

Wochenend-WalkmanDiesmal mit Severnaya aka Conforce, Black Panther und Mija