Review: UP2 und UP3, die neuen Fitness-Tracker von JawboneSensor, Sensor an der Hand, wer hat den besten Puls im ganzen Land
8.6.2015 • Technik & Wissen – Text & Bild: Thaddeus HerrmannNeues Design, neue Features und mehr Style für den Workout: Jawbones neue Fitness-Tracker machen vieles richtig. Und nehmen auch den Hauptkritik-Punkt der bisherigen smarten Armreifen ins Visier: die Verarbeitungsqualität.
Anfang November letzten Jahres saßen mir im Berliner Büro einer PR-Agentur zwei Manager von Jawbone gegenüber. Im Gepäck hatten sie zwei neue Fitness-Tracker: den UP Move – einen mit 50 Euro ausgesprochen preiswerten Schrittzähler – und die Zukunft des Unternehmens, den vermeintlich nächsten großen Wurf, den UP3. Beide sollten noch während des Winters in den Handel kommen. Auf den kleinen UP Move traf das auch zu, vom UP3 jedoch war keine Rede mehr. Auf meine Nachfragen bei Jawbone kam immer die selbe Antwort: bald! Zu diesem Zeitpunkt – also im November 2014 – hatte Apple eine Smart Watch mit umfangreichen Fitness-Features angekündigt, Google war mit einem eigenen Betriebssystem für Armbanduhren auf Expansionskurs. Es wurde zunehmend enger auf dem Fitness-Markt.
Dabei hätte Jawbone schon im letzten Jahr einen Nachfolger des UP24 gut gebrauchen können. Dieses Band sieht zwar gut aus und lässt sich sehr angenehm tragen, ist jedoch was die Hardware angeht alles andere als robust. Ich selbst habe innerhalb von einem Jahr vier Bänder verschlissen. Mal ging der Akku kaputt, dann fiel der kleine, aber wichtige Knopf ab, was wiederum den Spritzwasserschutz praktisch unmöglich machte. Im Kundenservice bei Jawbone zu arbeiten, muss der Horror sein. Und wirtschaftlich ist so ein Produkt natürlich auch nicht, wenn es regelmäßig ausgetauscht werden muss, auch wenn die Gewinnmarge bei einem Ladenpreis von 129 Euro mit Sicherheit solide ist.
Ende Mai saß ich im gleichen Büro den gleichen Jawbone-Managern gegenüber. Ich hatte kurz zuvor aufgegeben und überließ das Zählen meiner Schritte mittlerweile einer Armbanduhr, vermisste aber die wirklich gute App von Jawbone und die Aufbereitung meiner bei Spaziergängen und während der Nacht gesammelten Daten. Jawbone hat unterdessen nicht nur die Herstellungsprobleme unter Kontrolle, die für die verspätete Auslieferung des UP3 verantwortlich waren, sondern auch noch einen zweiten neuen Tracker fertig: den UP2. Und weil der bereits erhältlich ist, fangen wir mit dem auch an.
##UP2 oder: Knock-knock, who's there?!
UP2 ersetzt den UP24 im Lineup von Jawbone. Das heißt: Der Funktionsumfang ist exakt der gleiche. Der Tracker misst die Schritte und überwacht den Schlaf. Wie beim Vorgänger muss der Schlaf-Modus manuell ausgelöst werden. Beim UP24 geschah dies durch ein längeres Drücken auf den integrierten Knopf: erste Sollbruchstelle. Beim UP2 verzichtet Jawbone komplett auf „mechanische Teile“ und hat dem oberen Teil des Trackers – in dem auch der Akku untergebracht ist – eine berührungsempfindliche Oberfläche spendiert. Durch ein mehrmaliges Antippen wird das Band aufgeweckt und zeigt den aktuellen Status an. Ein längeres Tippen schaltet dann um. Visuelles Feedback geben die integrierten LEDs: Orange für Aktivität, Blau für den Schlaf und dazwischen noch Weiß für Benachrichtigungen. Vorbei ist beim UP2 auch die Zeit der zwar erstaunlich geschmeidigen, jedoch eben auch anfälligen Konstruktion aus Gummi. Das wird nur noch für das Armband verwendet, der Teil mit der Elektronik und dem Akku ist aus Aluminium. UP2 gibt es auch nur noch in einer Größe. Zwar lässt sich das Armband nicht wechseln – es bleibt abzuwarten, ob das eine schlaue Idee war –, es ist aber mit einem verstellbaren Schließmechanismus versehen und passt so an alle Handgelenke. Hier die richtige Einstellung zu finden, ist beim ersten Mal ein wenig kompliziert und auch das Ineinanderschieben von Haken und Öse erfordert ein wenig Übung. Nicht auf Nippel-Lasche-Niveau à la Mike Krüger, ein bisschen fummelig ist das aber doch.
Der Rest ist gelernt: App öffnen, Band über Bluetooth verbinden und loslaufen. Aktivitäten jeglicher Art – Sport oder auch einfache Spaziergänge – muss man der App nicht mehr händisch mitteilen. Das UP2 registriert erhöhte Bewegungen automatisch; lediglich was man gemacht hat, muss angegeben werden. Die Software berechnet die zurückgelegte Entfernung, den Kalorienverbrauch, den persönlichen Wochenmittelwert etc. Auch die anderen Funktionen bleiben beim UP2 erhalten: Das Band kann einem mit einem sanften Vibrieren daran erinnern, dass man sich für eine bestimmte Zeit nicht ausreichend bewegt hat. Wenn das Band auch zum Schlaf-Tracking verwendet wird und man eine Weckzeit angegeben hat, dann vibriert der Tracker zwar spätestens zum vereinbarten Zeitraum, meist aber ein paar Minuten früher. Nämlich dann, wenn die Bewegungssensoren melden, dass man gerade eher leichten Schlaf hat und somit leichter aufstehen kann, als wenn einem der Wecker aus dem Tiefschlaf reißt.
Der UP2 erledigt all diese Aufgaben verlässlich und so wie man es als Jawbone-Nutzer gewohnt ist. Es bleibt zu hoffen, dass die Hardware tatsächlich von besserer Qualität ist und länger hält als sein Vorgänger. Da der neue Tracker 45 Prozent kleiner ist, hat die Sache dann aber doch noch einen Haken: Die Akkulaufzeit liegt nur bei einer Woche. UP24 hielt doppelt so lang durch. Der UP2 ist bereits erhältlich und kostet 119 Euro.
##UP3 oder: der Ruhepuls
In den USA wird mittlerweile der UP3 bereits ausgeliefert. Wann es in Deutschland soweit sein wird, ist noch nicht ganz klar, angepeilt wird der Juli. Klar ist hingegen, warum sich die Fertigstellung des Trackers so sehr verzögert hat: Eigentlich wollte Jawbone den UP3 komplett wasserdicht bauen, sodass er auch beim Schwimmen oder in der Badewanne getragen werden kann. Das ließ sich nicht bewerkstelligen. So lässt sich der UP3 zwar problemlos beim Duschen und Händewaschen umbehalten, alles weitere ist aber nicht möglich. Das hat vielleicht mit den neuen, zusätzlichen Sensoren zu tun, die beim UP3 im Inneren des Armbands verbaut sind. Denn der UP3 bringt neue Funktionen, ist mehr als ein reiner Schrittzähler. Drei sogenannte Bioimpedanz-Sensoren kontrollieren die Herzfrequenz, die Atmung und die „elektrodermale Aktivität“.
Wie nützlich die Sensoren wirklich sind, steht noch vollkommen in den Sternen.
Praktisch alle Smart Watches und viele Fitness-Tracker messen den Herzschlag. Umgesetzt wird das mit LEDs, die in die Haut „hineinleuchten“ und so den Puls messen, in regelmäßigen Abständen, den ganzen Tag über. Doch dieses Prinzip ist – nicht nur laut Jawbone – ungenau. Dunkle Haut, Tattoos, aber auch schon eine mehr oder weniger dichte Behaarung auf dem Handgelenk können die gemessenen Werte verfälschen oder aber die Messung von vornherein verhindern. Mit dem UP3 wählt Jawbone einen anderen Weg. Der Tracker – 180 Euro – misst ein Mal pro Tag den Puls. Und zwar den so genannten Ruhepuls, immer morgens kurz vor dem Aufwachen. Diese einzige Zusatzinformation brachte Jawbone gemessen am Verkaufspreis reichlich Schelte bei den ersten Reviews des Trackers ein. The Verge, Engadget, WIRED, das Wall Street Journal: Man ist sich einig, dass die Messung dieses Wertes den Preis nicht wert sei und man unbedingt den UP2 kaufen solle. Ich bin weit davon entfernt, ein ähnliches Urteil zu fällen, geschweige denn mit dem der amerikanischen Kollegen anzuschließen. Das hat mehrere Gründe. Zunächst muss der UP3 über einen längeren Zeitraum getragen werden, um verlässliche Daten zu sammeln. Bei mir sind es jetzt zehn Tage, das reicht nicht. Außerdem hat man bei Jawbone einiges vor mit diesen Sensoren. Neue, zusätzliche Features sind bereits in der Entwicklung und werden bald integriert. Wie nützlich die Sensoren also wirklich sind, steht im Moment noch vollkommen in den Sternen. Es ist eine Wette auf die Zukunft, auch wenn das Prinzip nachvollziehbar ist.
Denn die Idee, den Ruhepuls als Indikator für die Herzgesundheit heranzuziehen, scheint schlüssig. Gerade weil die Messmethode mit den verwendeten Sensoren auf allen Hauttypen verlässlich funktioniert und einem die Information, dass man einen (zu) schnellen Puls bei Stress oder nach dem Sport hat, im Zweifel sowieso nicht weiterhilft oder einem eh bewusst ist. Die Aufzeichnung und Freigabe solcher Messungen ohne jegliche technische Standards ist ohnehin mehr als heikel, wenn nicht gar gefährlich. Ein Unruhe stiftendes Gadget bzgl. der eigenen Gesundheit? Nein danke. Jawbone nutzt die Sensoren des UP3 außerdem, um die Informationen über den Schlaf detaillierter aufzuzeichnen. Neben leichtem und tiefem Schlaf werden nun auch die REM-Phasen protokolliert.
##Digitales Bonusheft?
Dass immer mehr Menschen so erpicht darauf sind, ihre Aktivitäten zu protokollieren, ist nach wie vor verwunderlich. Sind hübsch aufbereitete Infografiken auf dem Smartphone wirklich das entscheidende Quäntchen Motivation, sich darauf einzulassen? Die visuelle Bestätigung, dass man sein vereinbartes Tagesziel erreicht hat, ausreichende Motivation, sich regelmäßig körperlich zu betätigen? Den Anbietern – und das sind aktuell ja praktisch alle großen Player der Tech-Branche – ist das egal. Sie freuen sich über die Berge von Daten, die Nutzerinnen und Nutzer Tag für Tag auf ihre Server schieben. Digitales Gold. Jawbone ist einer der wenigen Anbieter auf dem Fitness-Markt, der seine Software rundum geöffnet hat. Die Daten lassen sich plattformübergreifend nutzen, mit denen anderer Fitness-Gadgets abgleichen. Die Smartphone-App ist ein erstaunlich umfassendes Abbild der persönlichen Fitness. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis man mit diesen Daten bei seiner Krankenkasse auf etwaige Vergünstigungen hoffen kann: Die in der App gespeicherten Daten könnte sich zu einer Art digitalem Bonusheft entwickeln, wie wir es vom Zahnarzt kennen. Dass die Kassen großes Interesse daran haben, zeigte sich neulich in einem Berliner Einkaufszentrum, wo die AOK einen großen Infostand gemeinsam mit Fitbit – direkter Mitbewerber von Jawbone – aufgebaut hatte. Unser Pulsschlag, unsere Herzgesundheit und unsere Lust am Jogging, Workout und Crosstrainer wird eine der nächsten großen Diskussionen um den Datenschutz entscheidend prägen: eine unangenehme Vorstellung. Gerade und vor allem, weil es in der trubeligen Branche der Fitness-Gadgets keinerlei Standards gibt und die Qualität der gesammelten Daten ausgesprochen unscharf bleibt und für wenig mehr taugt als eine persönliche Bestätigung, dass man endlich den Arsch hochbekommt. Genau diesen Job allerdings erledigen die beiden neuen Tracker von Jawbone vorzüglich. Mit oder ohne Einbeziehung des Ruhepuls.
Jawbone UP2: 119 Euro kaufen bei Amazon
Jawbone UP3: 179 Euro, voraussichtlich ab Juli erhältlich