Review: Apple iPhone 7 PlusWas war, was wird
10.10.2016 • Technik & Wissen – Text & Fotos: Thaddeus HerrmannMan könnte es fast ein Sabbatjahr nennen. 2016 wäre eigentlich viel fällig gewesen beim iPhone, vor allem ein neuer Formfaktor. Stattdessen kippt Apple neue Technik in ein altes Design, verpasst dem iPhone 7 neue Farben und dem Plus-Modell eine Dual-Kamera. All das stellt die Weichen für das nächste Jahr und den Relaunch des erfolgreichsten Smartphones aller Zeiten zu seinem zehnten Geburtstag.
Neun Jahre iPhone, world domination fast genauso lang. Es wird Zeit, sich auf den runden Geburtstag vorzubereiten.
Denn natürlich sind die beiden neuen iPhones, das 7 und das 7 Plus, wieder besser als ihre Vorgänger und natürlich wieder weltweit ausverkauft. Aber natürlich wird mit ihnen auch dieses Jahr das Smartphone-Rad nicht neu erfunden, kommen lediglich mit der genau exakt austarierten Mischung aus neuen Features und Design-Anpassungen, die ein Upgrade für die Die-Hards zwar unvermeidlich macht, alle anderen aber ruhig schlafen lassen wird. Für mindestens ein ganzes Jahr noch, bis zum runden Geburtstag. Es sei denn, man hat einen Klavierlack-Fetisch.
Es war wie ein gelernter Rhythmus. Alle zwei Jahre verändert Apple das Design der Smartphones. 3G – 3G S, 4 – 4 S, 5 – 5 S, 6 – 6 S: Die Technik wurde alles zwölf Monate verbessert, das Aussehen der Telefone jedoch nur nach 24 Monaten angepasst. Damit sind wir bei der ersten Überraschung, die uns Cupertino heuer beschert: Eigentlich wäre 2016 wieder ein neuer Look 2016 dran gewesen, stattdessen stecken das 7 und das 7 Plus aber wieder im gleichen Aluminium-Strumpf. Das ist nicht weiter wild, aber Fanboys haten ja mindestens genauso gern wie die Hater. Und ein bisschen lame wirkt das tatsächlich, ist beim hier diskutierten 7 Plus aber faktisch auch nicht mehr zeitgemäß. Andere Hersteller packen ein 5,5"-Display schon seit Jahren in ein deutlich kleineres Gehäuse, machen die großen Bildschirme also beherrschbarer und kompatibel für Hosentaschen, in die das 7 Plus zwar auch noch hineinpasst, letztlich aber doch einen Tick zu obszön aufträgt. All dies wird sich im kommenden Jahr, zum runden Geburtstag, ändern. 365 Mal werden wir noch wach ...
Was ist neu?
Natürlich ist dennoch vieles neu, vieles besser. Im Schnelldurchlauf: Beide Modelle haben einen neuen Prozessor. Der A10 Fusion ist erstmals mit vier Kernen ausgerüstet. Auskenner gähnen jetzt natürlich, erklären kann und sollte man es dennoch, weil: Das ist schon ganz geil. Natürlich hat Apple dieses Prinzip nicht erfunden. Zwei Kerne des A10 Fusion geben bei Bedarf Vollgas, zwei sind eher so grundsolide Chiller. Das resultiert vor allem in einer spürbar besseren Energieeffizienz, die E-Mail muss jetzt nicht mehr mit dem Porsche abgeholt werden, sondern wird mit dem E-Bike angeliefert. Dieses Prinzip ist in der ARM-Architektur, auf denen die Apple-Chips basieren, schon lange Usus – Qualcomm, Samsung, Huawei und MediaTek bauen schon lange genau solche Chips, in den allermeisten Android-Telefonen stecken sie bereits drin. Da Apple aber beides kontrolliert – Hard- und Software – ist der Nutzen hier einfach höher. Ein iPhone war deshalb nie ein GHz-Angeber und ein RAM-Protzer, weil die Integration aller Komponenten das einfach nicht erfordert hat. In so einer bevorzugten Situation ist sonst keiner der Hersteller.
Beide iPhones haben einen neuen Homebutton. Konkret bedeutet das, dass Apple den mechanischen Knopf mit dem Fingerabdrucksensor gekillt und gegen eine starre Konstruktion getauscht hat. Das „Klickgefühl“ wird mit einem Vibrationsmotor simuliert, wie auch schon bei einigen Trackpads neuerer Macs. Das Feedback des Knopfes kann dreistufig eingestellt werden. Das ist am Anfang ein wenig gewöhnungsbedürftig, nach spätestens einem Tag aber schon wieder vergessen. Apple beseitigt so eine der im iPhone noch verbliebenden Sollbruchstellen. Mechanische Bauteile nutzen sich ab, gehen kaputt und müssen getauscht werden. Das Drücken eines Knopfes senkt diesen aber auch ins Gehäuse ab und ermöglicht so theoretisch das Eindringen von Wasser. Das passt nicht ins Konzept der iPhone 7, das erstmals spritzwassergeschützt ist. Das war überfällig. Und ist ein weiterer Hinweis auf die Generalüberholung des Apple-Telefons zum runden Geburtstag im kommenden Jahr.
Ja, der Kopfhörerausgang wurde dabei gleich mit abgeschafft. Muss man mit leben, kann man auch, in zwei Jahren wird kein Telefon mehr die analoge Klinke an Bord haben. Die neuen EarPods haben einen Lightning-Anschluss, ein Adapter für „alte“ Kopfhörer liegt bei und die Zukunft ist ja – angeblich – sowieso drahtlos, also Bluetooth. Letzteres ist a) natürlich großer Quatsch und b) auf so vielen Ebenen problematisch, dass man ein Buch darüber schreiben könnte und müsste. Stay tuned.
Immerhin: Die beiden neuen iPhones haben erstmals Stereolautsprecher. Der neue, zweite ist in diesem Setup die Hörmuschel, ein Prinzip, das man beispielsweise vom HTC 10 kennt. Anders als bei HTC sind die beiden Speaker der iPhones jedoch jeweils für das gesamte Frequenzspektrum zuständig und produzieren so tatsächlich einen sehr ansprechenden Klang. Je nach Orientierung der Telefone wird das Stereobild angepasst. Man kennt das bereits von den aktuellen iPads, die mit vier Lautsprechern ausgestattet sind. An diesen Sound kommen die neuen Telefone nicht dran, das war aber auch nicht zu erwarten. Das Mehr an Sound ist hingegen hochwillkommen, so oder so. Das Gleiche gilt für die neuen Display, bei denen Apple zwar nicht an der Auflösung geschraubt, dafür jedoch den Farbraum nochmals erweitert hat.
Und: Es gibt neue Kameras.
Mehr Platz, näher dran
Ich war bislang kein Fan der Plus-iPhones, habe mich dieses Jahr aber bewusst dafür entschieden. Vor allem, um die neue Kamera auszuprobieren. Neben einer verbesserten Selfie-Kamera auf der Vorderseite (7 Megapixel) verfügen beide Telefone auch rückseitig über einen neuen Sensor. Der hat zwölf Megapixel, eine Blende von f/1.8 und lässt so noch mehr Licht auf die Pixel prasseln. Erstmals hat auch das kleine Smartphone eine optische Bildstabilisierung – bislang das Alleinstellungsmerkmal der Plus-Modelle. Und genau dieses Plus, und nur das Plus, hat 2016 auf der Rückseite eine Dual-Kamera.
Auch das ist ein Trend der Smartphone-Branche. HTC experimentierte erstmals 2014 damit, LG glaubt an das Prinzip, Huawei ebenfalls, die beiden nutzen die Doppellinse jedoch konzeptuell unterschiedlich. Huawei zum Beispiel lässt einen Sensor Farbinformationen sammeln, den anderen schwarz-weiß aufnehmen; Software setzt all das dann zu einem Foto zusammen. Im iPhone 7 Plus ist der neue, zweite Sensor mit einem optischen Zoom versehen. Natürlich kann man auf Telefonen schon seit Jahren auch zoomen, die Berechnung geschieht aber via Software und ist einfach nicht gut, wenn nicht sogar unbenutzbar. Zu viel Noise, zu viele Artefakte. Im 7 Plus kommt man optisch doppelt so nah an sein Motiv ran. App auf, Knopf drücken, schon da. Die Ergebnisse sind beeindruckend gut, wenngleich man dabei nicht vergessen darf, das dieses „Teleobjektiv“ nicht über die optische Bildstabilisierung verfügt. Eine ruhige Hand ist gefragt, gerade und vor allem bei schlechtem Licht.
Das Prinzip also solches ist aber famos, auch wenn das eigentliche Killer-Feature – die Tiefenunschärfe, wie man sie von klassischen Kameras kennt – erst per Software-Update nachgereicht wird. Noch dieses Jahr.
iPhone 7 Plus
- 5,5“-Display
- 1920 x 1.080 Pixel, 401 ppi
- A10 Fusion Chip, M10 Koprozessor
- 12-MP-Dual-Kamera, LED-Blitz
- 188 Gramm
- 7,3 Millimeter tief
- 32/128/258 GB
- 899/1.009/1.119 €
iPhone 7
- 4,7“-Display
- 1334 x 750 Pixel, 326 ppi
- A10 Fusion Chip, M10 Koprozessor
- 12-MP-Kamera, LED-Blitz
- 138 Gramm
- 7,1 Millimeter tief
- 32/128/258 GB
- 759/869/979 €
Spätestens im Frühjahr, an den ersten warmen Tagen, werde ich das iPhone 7 Plus verfluchen.
Nun ist es schon ein bisschen komisch, dass ich mich wegen einer vermeintlich besseren Kamera für das deutlich größere iPhone entschieden habe. Wo ich doch so gut wie nie Fotos mache. Trotz des in die Jahre gekommenen Formfaktors des iPhone 7 Plus wollte ich unbedingt ein größeres Display. Nicht wegen der besseren Auflösung (das kleinere 4,7"-Modell löst immer noch nicht mit 1080p auf), ich wollte mehr Platz. Und der wiegt alle ausgebeulten Jackentaschen auf. Mindestens bis zum Frühjahr, wenn ich das 7 Plus an warmen Tagen bestimmt verfluchen werde. Dann aber kann man schon fast die Tage runterzählen bis zum runden iPhone-Jubiläum. Bis dahin freue ich mich über den großen Bildschirm, die deutlich längere Batterielaufzeit, den satten Sound, das extra GB RAM, das Multitasking besser macht und mehr Safari-Tabs offen hält. Und über die Dual-Kamera.
Was war, was wird
Die 2016er-iPhones sind vor allem eine Übergangslösung. Klingt harmlos, bedeutet aber in der Telefon-Strategie von Apple eine einschneidende Zäsur. Die Veränderungen der neuen Telefone sind zwar gern genommen, deuten aber lediglich auf den nächsten Schritt hin, das iPhone 2.0 sozusagen, an dem Apple arbeitet. Der ließ sich 2016 noch nicht komplett vollziehen, doch das iPhone 7 ist wie ein Suchbild, randvoll mit Hinweisen, wohin die Reise gehen könnte. Der Wegfall des Kopfhöreranschlusses ist einer dieser radikalen Schritte, mit denen Apple in der Vergangenheit immer wieder bei den Macs für Aufsehen, Verwunderung und auch Ärger gesorgt hat. Der Umstieg von ADB auf USB im ersten iMac machte die Rechner fit für die Zukunft, auch wenn es zu diesem Zeitpunkt kaum Zubehör gab, das auf die neue Schnittstelle zugriff. Oder der Wegfall des CD-Laufwerks im MacBook, um die Laptops dünner und leichter machen zu können: eine (gewonnene) Wette auf das sich wandelnde Medienkonsum-Verhalten. Tat vielen weh, ersparte vielen aber auch den Gang in den Laden, denn natürlich ging das Laufwerk kategorisch kaputt. Noch so eine Sollbruchstelle, mehr ausleiernde Mechanik.
Gleichzeitig setzte Apple solche Umstellungen aber auch gerne in den Sand – Firewire – und gab klein bei. Beim iPhone wird man das Gefühl nicht los, dass der neue Homebutton, der Wegfall der Kopfhörerbuchse, der Spritzwasserschutz, das neue Kamera-Design, das bessere Akku-Management und die neue Speicherverteilung (ab sofort mindestens 32 GB) vorbereitende Maßnahmen sind. Dass man so einen Paradigmenwechsel manchmal eben nicht auf einmal vollzieht, sondern besser auf mehrere Phasen verteilt, führt vielleicht zu Irritationen, ist aber letztlich die bessere Lösung. Das sieht man aktuell besonders gut bei Samsung und dem Galaxy Note 7, unbestritten das beste Samsung-Smartphone aller Zeiten. Nur leider wurde es so hektisch zur Marktreife gebracht, dass niemandem auffiel, dass der Akku zu hohem Druck im Gehäuse ausgesetzt ist und unter Umständen Feuer fangen kann. Ein Image-Schaden unvorstellbaren Ausmaßes, ganz abgesehen von der tatsächlichen Gefährdung der Besitzer dieser Geräte. Jeden Tag wird aktuell in Tausenden von Flugzeugen weltweit vor dem Start durchgesagt: „Und wenn Sie ein Galaxy haben, schalten Sie es jetzt bitte aus, vielen Dank.“
Vielleicht ist das aber auch das ganz falsche Orakel, das ich hier bemühe, vielleicht hat Apple gar keinen Masterplan für 2017 und das iPhone 8. Oder X oder 10. Vielleicht braucht es den auch gar nicht. Vielleicht reichen die zwei neuen Farben, Mattschwarz und Klavierlackschwarz, ja schon aus, um das Geschäft auf aktuellem Niveau halten zu können. So richtig vorstellen kann ich mir das aber nicht.
Was war, wissen wir. Neun Jahre iPhone, neun Jahre immer heftigerer Erfolg. Was wird, sehen wir im Herbst 2017.