Review: Apple iPhone 12 ProStay Positive

iPhone 12 Pro Review lede

12 mini, 12, 12 Pro, 12 Pro Max: Gleich vier iPhone-Modelle schießt Apple diesen Herbst in die Smartphone-Umlaufbahn – so viele wie noch nie beim jährlichen Generationswechsel. Braucht die Welt aktuell eigentlich nicht andere Incentives, um sich neu aufzustellen? Thaddeus Herrmann, Gadget-Chefreporter für den technology desk im Filter-Tower, sagt: Ja, aber – wie so oft bei neuen Apple-Produkten. Er wird nostalgisch und bleibt positiv. Zumal ihn eines der Hauptmerkmale der neuen Telefone aktuell noch gar nicht sonderlich interessiert.

Silvester hat mir noch nie etwas bedeutet. Die Knallerei, das ewige Warten bis Mitternacht, der Kopfschmerz-Sekt, die krampfhafte Suche nach adäquaten Partys für den frühen Morgen, die Warterei auf das Taxi, die Schlangen vor den Clubs – the lot. In den vergangenen Jahren habe ich mir hingegen angewöhnt, meine Jahresbilanz auf den Herbst vorzuverlegen. Denn wenn man sich mit Technik und Gadgets beschäftigt, ist der Verkaufsstart neuer iPhones eine – vielleicht sogar die – alles entscheidende Zäsur im Kalender. Alles auf Null. Zwölf Monate mit einem neuen Telefon stehen dann als Reporter vor einem.

Wie dieses – zeitversetzte – letzte Jahr verlief, führte mir das iPhone 11 Pro Max von 2019 erst vor wenigen Tagen exemplarisch vor Augen, als ich Verpackung und Zubehör zusammensuchte und das Versand-Label ausdruckte, um das Smartphone der Verwertungskette zuzuführen. Klar und hell strahlte das Display – doch die Kratzer legten Zeugnis ab über die Blessuren, die unser kollektives Bewusstsein seit dem Frühjahr erlitten hat. Es gab Dinge, über die man sich in den vergangenen Monaten einfach keine Gedanken mehr machte. Hauptsache irgendwie in Kontakt bleiben. Auf dem Wiesen-Streifen an der sechsspurigen Tangente stadtauswärts, bewaffnet mit einem Aperol Spritz aus dem Plastikbecher an einem unfassbaren Sonntag-Nachmittag, an dem alles egal scheint, auf Demos gegen die Leugner der Pandemie oder auf langen Spaziergängen, während deren man sich einfach fallen lässt – ganz egal, was mit dem Gerät in der Hosentasche passiert. Das arme iPhone 11 Pro Max – so long!

Klein, groß, mächtig

Vier neue Telefone also Ende 2020. Ich habe mich für diese Review für den „Underdog“ des aktuellen Line-ups entschieden – das 12 Pro. Warum ist es der Underdog? Weil es das mit Abstand unauffälligste Modell ist. Das neue mini ist für all diejenigen, die sich ein „kleines“ Telefon wünschen – mit seinem 5,4" großen – kleinen – Display fühlt es sich aus der Entfernung auf jeden Fall so an. Ausprobiert habe ich es nicht. 12 und 12 Pro kommen mit 6,1"-Bildschirmen – angemessen, wenn auch für mich ein Schritt zurück in gewisser Weise nach dem Max der 11er-Generation, das sich mit seiner 6,5" großen Screen-Diagonale einfach fantastisch anfühlte. In diesem Jahr wächst das Max-Modell sogar noch weiter – auf 6,7". Das vergangene Jahr hat mir jedoch gezeigt, dass ein Riesenbildschirm unterwegs einfach nicht sonderlich praktisch ist, wenn auch meine vergleichsweise schlechten Augen ihn eigentlich verlangen, um klarzukommen im digitalen Kommunikationsgewusel. Für die „Pro-Linie“ spricht hingegen, dass man drei statt zwei Kamera-Objektive zur Verfügung hat. Die Pros verfügen weiterhin über das Teleobjektiv, das mir im vergangenen Jahr doch sehr ans Herz gewachsen ist. Auch technisch ist bei den Kameras etwas vorangegangen: Das reguläre Objektiv punktet mit f/1.6 statt f/1.8, das Ultraweitwinkel mit f/2.0 statt f/2.4. Nun war die 11er-Generation der iPhones in Bezug auf die Kameras bereits top-notch – die Unterschiede bzw. Verbesserungen nachzuvollziehen, fällt 2020 darum umso schwieriger. Egal für welches Modell man sich aus der gegenwärtigen Generation entscheidet: Schlechte Fotos lassen sich mit den iPhones nur unter großen Anstrengungen schießen. Und wer das Tele-Objektiv schätzt, greift zu einem der beiden Pro-Modelle. Die profitieren erstmals auch vom LiDAR-Scanner. Im vergangenen Sommer begegnete mir dieser Sensor zum ersten Mal im iPad Pro. Zu diesem Zeitpunkt konnte ich wenig damit anfangen, weil ich mit dem Tablet keine Fotos mache. In den neue 12-Pro-Modellen sorgt LiDAR nun für schnelleren Autofokus im Dunklen und ermöglicht erstmals überhaupt die Verwendung des Porträtmodus nach Sonnenuntergang. Wenn ich wieder raus gehe, werde ich das mit Freude ausprobieren.

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Pro vs Plus

2020 hat man sich bei Apple erstmals wieder zu etwas entschieden, was die Fan-Gemeinde gehofft hatte, dem Technologie-Konzern ein für alle mal abzutrainieren: Das 12 Pro Max hat nicht nur ein größeres Display, sondern auch eine bessere Kamera. Wir kennen das noch von den Plus-Modellen vergangener Jahre. Das reguläre Kamera ist auf Sensor-Basis und nicht mehr nur am Objektiv optisch stabilisiert, und der Sensor selbst ist deutlich größer, lässt also noch mehr Licht hinein, zoomt besser, und, und, und. Das ist vielleicht den Abmaßen der Telefone geschuldet, vielleicht auch einfach nur ein Marketing-Trick. Der vergleichsweise kleine Aufpreis für diese Ausstattung der ultrateuren Telefone macht das Pro Max zur eigentlich besseren Alternative – wenn man denn mit der Größe klarkommt, das ob des neuen Designs nochmal mächtiger daherkommt.

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Design

Los Wochos? Pfff – Los Kantos!
Wenn ich mich für das beste iPhone aller Zeiten entscheiden müsste, was das Design geht, würde meine Wahl immer auf die Vergangenheit fallen – auf das iPhone 4/4s/5/5s/SE. Ich empfand die klaren Kanten, das Eingeboxte immer als sehr advanced. Heuer, 2020, kehrt man bei Apple zu dieser Design-Sprache zurück – wie schon beim iPad Pro und dem neuen iPad Air. Alle vier Modelle kommen in diesem Style – und wirken elegant-bolidiger denn je. Ein neuer Grip, ein neues Selbstvertrauen, und ja: auch ein neues Standvermögen machen mir große Freude. Es ist ein Statement in einer Welt, die immer mehr über den eigenen Rand zu kippen scheint. Halt, stopp, bis hierhin und nicht weiter. Ein Telefon als Türstopper für die globale Crazyness? Vielleicht. Man verzeihe mir die halluzinatorischen Anflüge – aber wer kann heute schon noch klar denken?

Das 12 Pro also. Wenn ich etwas aus dem vergangenen Jahr mit dem 11 Pro Max mitgenommen habe, dann, dass ich mir über die Akkulaufzeit des Telefons schlicht und einfach keine Sorgen machen musste. Im normalen Alltag protzte das Telefon gegen 20 Uhr immer noch mit 70 bis 60 Prozent, und selbst im Urlaub (ihr erinnert euch ...), nach mehrstündigen Navi-Sessions mit Google Maps, was an den Energiespar-Modus noch nicht zu denken. Das 11er war eine sichere Bank. Nun stellt sich die Situation ein wenig anders – schlechter – dar. Der Akku im regulären 12er ist nicht nur ob der Größe des Telefons kleiner, er ist auch generell ein wenig geschrumpft. Das ist auch ein Grund dafür, warum ich diesen Text erst nach mehreren Wochen mit dem neuen Telefon veröffentliche. Zunächst war die Enttäuschung groß. Der Akku-Stand fiel und fiel und fiel. Durchaus normal bei einem neuen Gerät, bei dem im Hintergrund viel gerechnet wird, hoch- und vor allem runtergeladen wird. Heute, nach ein paar Wochen, habe ich meinen Frieden gemacht mit der Laufzeit. Alles okay. Klar, besser geht immer – ob der neuen Herausforderungen der 12er-Generation der iPhones habe ich da jedoch durchaus Sorgen.

5G – ok!

Geht es nach Apple, ist die Integration des neue Mobilfunk-Standards das vielleicht größte Alleinstellungsmerkmal der 12er-Telefone. Egal für welches Modell man sich entscheidet – alle funken zukunftsgerecht. Das ist auch das passende Stichwort. Mein Vertrag zum Beispiel gibt 5G gar nicht her, ich konnte es ergo auch nicht ausprobieren. Ich hatte ehrlich gesagt keinen Bock, mich mit den Angeboten der Telekom zu beschäftigen – auch wenn ich das tatsächlich mal tun müsste. Fakt ist: Ich zahle schlichtweg zu viel für meine Handy-Konnektivität. Ein Downgrade wäre also angemessen – dank StreamOn (I know, Netz-Neutralität ...) und Corona-Home-Office ist es mir schlicht unmöglich, mein Daten-Volumen zu verballern. Und: LTE ist auch 2020 noch vollkommen dufte. Dass die neuen Handys 5G beherrschen, ist super-duper – macht aktuell aber schlichtweg null Unterschied. Zu diesem Thema sprechen wir uns in ca. zwei Jahren, also zum iPhone 14 nochmal. Dann ist a) das Netz soweit, b) LTE vielleicht so überlastet, dass man sich nichts anderes wünscht, als die nächste Stufe des Mobilfunks und c) die Welt wieder so in Ordnung, dass man als Futurist voranschreiten möchte und auch auch kann.

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2020

Bei Apple macht man 2020 jede Menge Richtung mit den neuen iPhones. Zunächst: Alle Modelle haben dieses Jahr ein OLED-Display. Die Unterscheidung zwischen LED und eben OLED gehören der Vergangenheit an – das markiert den eigentlichen Generations- und Paradigmen-Wechsel. Größe und Kamera-Specs? Allen das, was sie brauchen. Vielen dürfte dabei das reguläre 12er oder sogar das Mini reichen, wenn man denn ein wirklich kleines Telefon möchte. Ich persönlich bin sehr glücklich mit dem 12 Pro, bietet es doch einen vergleichsweise kompaktem Formfaktor, eine überzeugende Performance – die Pro-Modelle verfügen über 6 stat 4 GB RAM – und eine Kamera, die mir alles bietet, was ich erwarte. Der Unterschied zum 12 Pro Max erscheint marginal. Und marginal ist auch das entscheidende Stichwort, wenn es um die Frage aller Fragen geht: Upgraden oder nicht? Wer ein iPhone 11 sein eigen nennt, kann chillen, für noch mindestens ein Jahr. Es gibt praktisch keinen Grund, jetzt die Kreditkarte zu zücken. Fotos sind Fotos, iMessages sind iMessages, LTE ist LTE. Die 12er-iPhones bieten einen kleinen Ausblick in die Zukunft, die Gegenwart – und wie wir damit klarkommen, ist aktuell jedoch wichtiger denn je. Wenn in sechs Wochen also wieder der Jahreswechsel ansteht – rechnet nicht mit mir als Reporter. Ich habe mich dann irgendwo versteckt – und schaue Feuerwerk auf dem iPhone 12 Pro – wenn die Knallerei denn überhaupt erlaubt wird.

Aber: Wir bleiben positiv. So wie Mike Skinner schon 2002 im Closer seines Debütalbums „Original Positive Material“ deklamierte. „Respect to BC“ – das „C“ nehmen wir heute als Wink nach Cupertino.

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Leseliste 14. November 2020 – andere Medien, andere ThemenHolocaustüberlebende, New York Times, Parler und AC/DC

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