Wochenend-WalkmanDiesmal mit DJ Koze, Jon Hopkins und Venetian Snares x Daniel Lanois

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Jeden Samstag haben wir drei Platten für euch – zumeist drei Tipps, mindestens aber drei Meinungen. Nicht immer neu, doch immer die Erwähnung wert. Heute mit DJ Koze, Jon Hopkins und Venetian Snares x Daniel Lanois.

DJ Koze – Knock Knock  Cover

DJ Koze – Knock Knock

Ji-Hun: DJ Koze habe ich als DJ (zuvor war er ja schon mit Fischmob ein veritabler Popstar) zuerst 2000 gesehen. Es war die 20-Jahresfeier der Spex, die damals noch in Köln hausierte, und im kleinen Studio des Stadtgartens stattfand. Eben da wo auch immer die Total-Confusion-Partys von Kompakt waren. Jan-Peter Wulf müsste auch dabei gewesen sein. Es war für mich ein musikalisch wichtiges Erlebnis. Stefan Kozalla scratchte sich damals noch bei jedem Übergang die Finger wund. Er kam ja vom HipHop. Sein Set war hyperaktiv, mindestens das beste French-House-Set aller Zeiten, es goss allen nur so aus den Poren. Hatte ich bis dahin geahnt, dass DJ-Musik so musikalisch, den Boden unter den Füßen wegziehend, so charmant und brillant sein kann? Mich hat das Anfang 20 natürlich grabenschürfend geflasht. Ob ich je auch so was könnte. Aber wie? Es war ja auch ziemlich einschüchternd. Die Karriere von DJ Koze seitdem ist beispiellos. Egal ob als Adolf Noise, bei International Pony oder als Label-Papa von Pampa Records. Stefan Kozalla hat sich in 25 Jahren eine ganz eigene Welt geschaffen. Das betrifft die Soundsphären, aber auch die Inszenierung, die teilweise Verweigerung und den pfiffigen Schmäh, den vielleicht nur Künstler aus Hamburg haben. Die Goldenen Zitronen, Eins Zwo, Rocko Schamoni, Udo Lindenberg. „Knock Knock“ ist nun das erste Album seit fünf Jahren und man braucht gar nicht lange ausholen, es ist das vielleicht beste Album von DJ Koze. Es ist das wohl ausgefeilteste und eleganteste und tritt trotz all der Features von Róisín Murphy bis José González eben nicht in jene typischen Feature-Fettnäpfchen, in die eigentlich jeder Produzent mit Club-Background eine Arschbombe platziert. Musikalisch hat DJ Koze nach seiner leicht verspult ketaminigen Soundphase wieder eine klarere, fundiertere Sprache gefunden. Mich erinnert das alles wohlig an 2000. An ebenjene Party in Köln, die mir DJ-Musik völlig neu definierte. Denn auch French House darf auf „Knock Knock“ wieder eine große Rolle spielen. Die erste Single „Pick Up“ ist ja jetzt schon ein ziemlicher Radio-Hit geworden. Wer hätte das je gedacht?

Jon Hopkins Singularity Walkman 20180505

Jon Hopkins – Singularity

Benedikt: Ach, ist das schön. Ehrlich jetzt. Und ich spreche nicht vom neuen Koze-Album. Also doch, von dem natürlich auch, siehe oben, aber an dieser Stelle: von Jon Hopkins. Nach der Veröffentlichung des großartigen „Immunity“ 2013, einer anschließenden, rund zwei Jahre andauernden Tour und Auftritten mit Moderat, Zusammenarbeit mit Nils Frahm und sicherlich noch einer Menge mehr, musste erstmal ein Tapetenwechsel her. Koffer auf, Klotten rein und Londons hektische Urbanität gegen die kalifornische Sonne getauscht. Nach LA, direkt in die Nachbarschaft von Simon Green alias Bonobo, ist er erstmal gezogen und hat sich auch gleich zu ihm ins Studio gepflanzt, fürs gemeinsame Basteln an dessen letzter Platte „Migration“. Nachdem noch bisschen mehr Zeit vergangen war, vertrieben und entschleunigt mittels Meditation, Atemübungen und so gut wie keinem Regen, war der Kopf wieder frei für was neues, für „Singularity“, das gestern via Domino Records erschienen ist. Die Sonne hat ihre Spuren auf den neun Tracks der neuen Platte hinterlassen. Ein bisschen freudvoller ist sie geworden, strahlt heller als das knapp bemessene Sunset des Covers es vermuten lassen würde. Erhalten geblieben ist hingegen, was „Immunity“ auch schon so unverwechselbar machte. Die pulsierenden und sich organisch verändernden Drums, die schon 2013 die Patterns zum Leben erweckten, die rauschenden Field Recordings, die alles verdichten und das plötzliche Ausbleiben all dieser Elemente, die den Techno mittig der Platte zum Ambient kippen lassen, wo diesmal dann das alleinstehende Piano und sogar ein Chor seinen Platz findet. Das ist, man ahnt es schon, nicht neu, sondern letztlich doch eher ein Teil 2, der aber den hohen Erwartungen nach Teil 1 gerecht zu werden vermag. Ach, ist das schön.

Venetian Snares Daniel Lanois Artwork

Venetian Snares x Daniel Lanois – s/t

Thaddeus: So richtig vorstellen kann ich mir das immer noch nicht. Wie der große (und mittlerweile 66-jährige) Daniel Lanois, der Buddy von Brian Eno, Produzent von U2, Bob Dylan, Neil Young bei sich im Studio in Toronto die Tür aufmacht, Aaron Funk reinbittet, sich dessen hyperventilierenden und irgendwie auch schwer hängengebliebenen Breakcore anhört und dann seine ambienten Improvisationen beisteuert. Bzw. in diesem Fall übersteuert. Und doch ist genau das passiert. Ganz auf Augenhöhe scheint mir diese dann doch ungewöhnliche Zusammenarbeit nicht abgelaufen zu sein. Beide Musiker sind zu sehr in ihren Welten gefangen. Aber: In all dem Chaos der Breakbeat-Verhackstückelungen, der Noise-Orgien und passend bassenden Membran-Flattereien gibt es unerhört gute Momente. Denn Lanois spielt sein Studio immer noch wie ein Weltmeister, und auch nach mehreren Millionen Amen-Break-Chops fällt Funk immer noch ein neuer Dreh ein. Diese Aha-Momente sind nur nicht ausreichend gut synchronisiert. Das laste ich vor allem Funk an, der einfach nicht aus seiner Haut will und seinen sonischen Wahnsinn konsequent an die Studiowand spielt. Wäre sein Part der Gesang, dann wünschte ich mit einen Dub-Version des Albums. Spaß macht das dennoch.

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