Filter Tapes 016„Adoleszenz-Tape“ von Glenn Astro

Filter Tapes 016 Glenn Astro Cover Illu

Es scheint ein altes Grundgesetz im Pop. Die Platten, die man als Teenager gehört hat, lassen einen am wenigsten los. Man empfindet dabei die meisten Erinnerungen und sie hinterlassen oft starke Prägungen, was die weitere Entwicklung der Musikvorlieben anbetrifft. Glenn Astro nähert sich bei seinem Filter Tape aus persönlicher Sicht diesem Thema an. Auf seinem neuen und ersten Album „Throwback“ bringt er modernen House mit Breakbeats, Funk, Jazz, Soul und HipHop zusammen. Fast logisch, dass auf seinem „Adoleszenz-Tape“ neben Rap-Größen wie Nas auch Pharoah Sanders, Prefuse 73 und DJ Shadow vertreten sind. Im Interview verrät uns Glenn Astro nicht nur die Idee hinter seinem Mixtape. Wir sprachen außerdem über sein Album, Ausgehen im Ruhrgebiet, langweilige Bassdrums und einiges mehr.

Tracklist

  1. Cinematic Orchestra - Burn Out
  2. Prefuse 73 - Invigorate (Interlude)/Uprock and Invigorat
  3. Nas - Nas Is Like
  4. Plattenpapzt & Kool Savas - King Of Rap
  5. Quasimoto - Astronaut
  6. RJD2 - Here's What’s Left
  7. Air - All I Need
  8. Slum Village - 2U4U
  9. Soulpatrol - Love Variations Pt.2
  10. Justice - One Minute To Midnight
  11. Armand Van Helden - You Don't Know Me
  12. Le Knight Club - Holiday On Ice
  13. DJ Shadow - You Can't Go Home Again
  14. Azymuth - Falcon Love Call
  15. Pharoah Sanders - You've Got To Have Freedom

Wie ich hörte, bist du erst vor kurzem nach Berlin gezogen.
Genau. Ich komme eigentlich aus dem Ruhrgebiet. Zuletzt habe ich in Essen gewohnt. Ursprünglich komme ich aber aus Hattingen. Da meine Freundin aber schon länger hier wohnt, war ich ohnehin fast jedes Wochenende in der Stadt und es war nur konsequent hierhin zu ziehen.

Wann bist du zur Musik gekommen?
Mit 12 etwa. In der Schule habe ich einen guten Freund kennengelernt, der ein paar Stufen über mir war und mir viel Musik gezeigt hat.

Das war damals HipHop?
Schon. Über das HipHop-Ding haben wir uns zwar kennengelernt, aber früh festgestellt, dass es zusätzlich andere gemeinsame musikalische Nenner gab. House kam irgendwann genauso dazu wie diverse Rocksachen und auch Jazz.

Seit wann machst du als Glenn Astro Musik?
Seit fünf Jahren. Meine allererste Platte habe ich auf dem Label Big Bait veröffentlicht. Das muss Mitte 2011 gewesen sein. Später kamen Labels wie Odd Socks dazu und irgendwann hat sich das mehr oder weniger verselbständigt.

Hast du neben der Musik noch was anderes gelernt oder studiert?
Offiziell studiere ich noch Soziologie, das liegt allerdings ein bisschen flach. Ich habe den Plan, das Studium zu Ende zu bringen. Im Moment fehlt mir wegen der Musik einfach die Zeit.

Es erscheint dein Debütalbum „Throwback“ auf Tartelet Records. Wie ist es dazu gekommen?
Ein Album war nach den Jahren mit EPs und Remixen der nächste logische Schritt, ich fühlte mich aber enorm unsicher. Ich habe das Projekt immer wieder abgebrochen, wieder neu angefangen, bis es irgendwann dann doch fertig wurde. Es ist dann passiert.

Wie machst du Musik?
Ein bisschen Hardware, ein bisschen Computer. Wichtig sind meine MPC und meine Synthies.

Ein konsequentes House-Album ist „Throwback“ ja nicht geworden.
Das sollte es auch nicht. Es war die Priorität, dass es kein Standard-House-Album wird. Wenn ich House-Alben höre, wird mir persönlich auch immer schnell langweilig.

Du machst auch viel Musik mit Max Graef. Wie seid ihr zusammengekommen? Für Außenstehende scheint es, als würdet ihr euch seit Ewigkeiten kennen.
Dem ist nicht so. Max ist ja auch ein paar Jahre jünger als ich. Der Kontakt entstand indirekt über das Label Odd Socks. Dem Max haben offenbar Tracks von mir gefallen. Ich mochte die frühen Box-aus-Holz-Releases und die Jungs von Odd Socks meinten nur, wir sollten uns doch mal connecten. Nach dem ersten Treffen war klar, dass wir uns gut verstehen. Jetzt hier in Berlin wohnen wir im Wedding zwei Straßen voneinander entfernt. So sehen wir uns fast jeden Tag.

Wie würdest du deinen Album-Sound beschreiben? Klassische Clubmusik soll es ja bekanntlich nicht sein.
Für einen selbst ist so was ja immer schwierig zu beantworten. Aber die Grundidee war, einen klassischen, roten Faden zu schaffen. Höhen wie Tiefen zu haben. Ich bin schon immer ein großer Fan von Alben gewesen. Da achten die Leute heutzutage ja nicht mehr so drauf. Ich mag aber das Album-Konzept. Etwas zu erzählen, einen einheitlichen Sound zu produzieren. Ob es jetzt jemand von Anfang bis Ende wirklich durchhört, war mir am Ende dann aber auch egal. So wie heute bei vielen Musik konsumiert wird, kann man kaum noch erwarten, dass ein Album vollständig durchgehört wird.

Was sind deine wichtigsten Alben?
Gute Frage. Ich würde sagen: „Fantastic Volume 2“ von Slum Village, „Kid A“ von Radiohead, „Endtroducing…..“ von DJ Shadow und auch „One Word Extinguisher“ von Prefuse 73. Das sind wohl die Alben, die mich am meisten geprägt haben. Das sind alles irgendwie Platten, die man mit 15-18 gehört hat. Die muss ich so oft gehört haben, dass sie sich in mein Hirn eingebrannt haben.

Glenn Astro Portrait farbe Filter Tapes 016

Bei deinem Filter Tape hast du dich ja auch mit deiner Teenager-Musiksozialisation auseinander gesetzt. Erzähl uns ein bisschen von deiner Idee und wie der Mix entstanden ist.
Knapp eine Woche lang habe ich mir Songs überlegt und rausgesucht, die für den Mix passen könnten. Wenn man mit sowas einmal anfängt, gibt es am Ende immer viel zu viele Tracks, die es dann doch nicht drauf schaffen. Dazu kam der Umstand, dass viele meiner Platten noch nicht umgezogen sind. Ich musste also improvisieren. Einige Tracks sind eine Art Stellvertreter für Genres, die mich beeinflusst haben. Bei vielen Songs handelt es sich um Lieblingslieder. Sogar Deutsch-Rap ist mit dabei (lacht).

Der Mix kommt dennoch gar nicht so eklektisch, wie man erwarten würde, wenn man die Tracklist liest. Kool Savas und Armand Van Helden würdest du ja nicht unbedingt bei deinen Club-Sets spielen, oder?
Armand Van Helden schon. Ich knall gerne solche Dinger raus. Der perfekte Moment für „King Of Rap“ hat sich bislang noch nicht ergeben. Aber wenn es mal klappt, würde ich mich freuen.

War dir vorher schon klar, dass diese Mischung so gut zusammen geht?
Nein. Ich hatte eine Liste notiert und immer wieder Nummern ergänzt, wusste aber nicht, wie es am Ende wird – aber es war ja auch die Herausforderung, solch eine Auswahl homogen zusammenzubringen.

Nerds würden bei Air und Justice vielleicht die Nase rümpfen.
Die Gefahr besteht immer. Irgendwer kommt immer aus der Ecke gekrochen und meint, etwas wäre zu alt oder zu scheiße oder schlecht gemixt. Da war ich früher sensibler, aber heute ist mir das ziemlich egal. Aber ehrlich, „Moon Safari“ von Air ist eines meiner absoluten Lieblingsalben. Keine Platte habe ich so oft gehört. Auch das Album vom Cinematic Orchestra, die ich beide bei den Favoriten vergessen habe.

Welche Rolle hat French House in deiner Sozialisation gespielt? Auf das Revival warten viele noch immer.
Ja leider. Spätestens mit Daft Punk sind wir damals ziemlich auf den Sound abgegangen. Der Mixtrack von Le Knight Club ist da auch als Stellvertreter gemeint. „Around the World“ von Daft Punk zu spielen, war mir dann doch zu offensichtlich. Labels wie Roulé, Leute wie Alan Braxe, die haben krasse Sachen gemacht. Viel von dem haben wir damals versucht nachzumachen.

Glenn Astro Throwback Album-Cover

Glenn Astro, Throwback, ist auf Tartelet Records erschienen.

Wo bist du zu French House im Ruhrgebiet ausgegangen?
Eigentlich gar nicht. Ich war sehr oft im Robespierre in Bochum. Von 14-18 war ich quasi jedes Wochenende da. Dort lief aber meistens HipHop. Hotel Shanghai oder Goethe-Bunker kamen später dazu. Aber eher selten.

Worum geht es dir beim Auflegen?
Den klassischen Techno-Background habe ich ja nicht. Kürzlich habe ich das erste Mal im Tresor aufgelegt. Da habe ich drei Stunden lang Techno und House gespielt und es war einer der härtesten Abende für mich. Das kann ich nicht. Es lief zwar ganz gut, aber wenn ich länger als eine Stunde eine gerade Bassdrum höre, langweile ich mich. Ich liebe die Variation und auch mal unerwartete Dinge zu spielen. Was ich aber gar nicht mehr möchte, ist den Oberlehrer raushängen zu lassen. Früher wollte ich noch damit imponieren, indem ich immer was total Unbekanntes oder Cooles gespielt habe, aber damit bin ich mir selbst irgendwann auf die Nerven gegangen und hab das sein lassen. Es klingt profan, aber am Ende geht es darum, dass die Leute und ich gemeinsam Spaß haben.

Was steht als nächstes bei dir an? Gibt es Livesets?
Eher nicht. Wenn, dann würde ich gerne etwas ohne Computer machen. Das geht aber schon wieder Richtung Band und dafür habe ich gerade keine Zeit. Mit Max Graef arbeite ich an einem gemeinsamen Album. Sonst gibt es natürlich einige Remixe, an denen ich arbeite. Aber ich lass das alles auf mich zukommen. Ich denke ja immer, dass es nächste Woche sowieso keinen mehr interessieren könnte, was ich mache (lacht). Daher, wenn es so weiterlaufen sollte wie jetzt, schätze ich mich sehr glücklich.

Filter Tapes 016 Glenn Astro Portrait hochkant SW

Für dieses Filter Tape gestaltete Susann Massute das Artwork. Die Aufgabe: Während der Zeit des Tape-Hörens ein Bild assoziieren, finden, ausdenken und umsetzen. Auch Mixtapes haben passende Bilder verdient. Vielen Dank, Susann!

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