Gebt das Wasser freiDie Initiative „Refill“ verspricht kostenloses Leitungswasser

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Was ist Wasser? Also jetzt nicht physikalisch-physiologisch betrachtet, sondern was ist Wasser für den Menschen, für die Gesellschaft? Ist es ein Lebensmittel, wie der Ex-Nestlé-Boss Peter Brabeck-Letmathe findet? Also ein Produkt, das man verkauft? Oder ist es öffentliches Gut, ein Grundrecht, ja ein Menschenrecht, das kostenlos angeboten werden sollte?

Letzteres finden die Initiatoren von Refill. Die in Bristol gestartete und in Deutschland zuerst in Hamburg umgesetzte Initiative setzt sich dafür ein, dass man überall in der Stadt auf Wasser zugreifen und seine mitgebrachte Flasche auffüllen kann. Besitzer von Ladengeschäften oder Cafés, die mitmachen wollen, melden sich über die Webseite an, bekommen Aufkleber, pappen ihn an ihren Eingang und sind fortan „Refill-Station“.

In sieben deutschen Städten, unter anderem Bonn und Greifswald, gibt es schon solche Stationen. Als achte Stadt ist jetzt auch Berlin dabei. Berlin will nämlich eine blue community werden. Man könnte jetzt ätzen: blue ist Berlin doch schon. Aber hierbei geht es um Zugang zu Wasser im öffentlichen Raum, um öffentliche Trinkversorgung. Im Herbst 2017 wird dazu ein Antrag in den Senat eingebracht, und Refill-Berlin ist ein wichtiger Meilenstein, um sich zukünftig mit diesem Label schmücken zu dürfen. Unterstützung erhält das lokale „Refill“-Projekt von a tip : tap, einer Initiative für frei zugängliches Trinkwasser, und den Berliner Wasserbetrieben.

Refill-Stationen in Deutschland

Der Kickoff-Termin findet in Neukölln statt, an einem kleinen Brunnen in der Weserstraße, der hier vor ein paar Jahren aufgestellt wurde und an dem sich der Autor auch schon das eine oder andere Mal gelabt hat – es ist einer von insgesamt 40 Trinkbrunnen in der Stadt. Früher gab es die überall, aber damals gab es auch noch kein Lebensmittelwasser. Der Wassermarkt, wie wir ihn heute kennen ist erst in den 1960er- und 1970er-Jahren entstanden. Studien, die zu dem Ergebnis kommen, Mineralwasser sei gesünder und sicherer als Leitungswasser, werden meistens von der Mineralwasserindustrie in Auftrag gegeben. Und spätestens beim Thema Umweltbilanz finden auch solche Studien keine Argumente mehr, die sie in ein besseres Licht rückt.

Gibt es jetzt also ein Comeback des „Kranenberger“? Zum Refill-Start ist immerhin schon ein Dutzend Shops, Apotheken und Büros dabei. Eine Station ist die „Biosphäre“, ein Bioladen gleich hinter dem Trinkbrunnen, der übrigens nur im Sommer betrieben wird. Man zeigt uns drinnen, hinten im Backshop, ein Waschbecken mit Kran darüber – wer seine Flasche mitbringt, bekommt sie dort ohne Wenn und Aber aufgefüllt. Wenngleich das hochpreisige Biomineralwasser im Regal ja nun auch verkauft werden will. Das sei kein Problem, erklärt die freundliche Verkäuferin. Zum einen unterstütze man das Projekt und zum anderen – wer einmal im Laden sei, schaue sich schließlich auch um und nehme gegebenenfalls gleich noch etwas nach käuflichem Erwerb mit.

So sieht das auch Milena Glimbovski, die Betreiberin von Original Unverpackt, einem Supermarkt, der auf Verpackungen verzichtet, aber immer noch Lebensmittel und Getränke verkauft. Jetzt ist man dort auch Bezugsstelle für die „Refill“-Aufkleber – wer Station werden will, kriegt hier die Sticker. Wasser kostenlos rausgeben, ist das kein Kannibalismus? Glimbovski schüttelt den Kopf. „Es würde nicht zu unserem Geschäftsmodell passen, Leuten Nein zu sagen, die ihre Flasche bei uns auffüllen lassen wollen. Wir wollen ja Verpackung vermeiden. Und die Leute schauen sich bei uns um.“ Es bringe im Gegenteil neue Kundschaft in den Laden, nämlich Flaneure mit Wasserflasche, die sonst am Laden vorbeiliefen und sich anderswo ihren Behälter auffüllen.

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Wo dieser Sticker klebt, gibt's Leitungswasser zum Abfüllen

Gut, dass es Händler gibt, die das so entspannt sehen. Sonst würde es wohl schwierig werden mit dem Refill-Projekt. Aber wie sieht es mit Cafés aus? Was haben deren Besitzer davon, wenn jemand reinkommt, sich Wasser abfüllen lässt und wieder geht? Schließlich verdient man mit Getränken sein Geld und mit Wasser lässt sich gut Marge machen. „Wir arbeiten für Gastronomen gerade an einer Sonderregelung, sodass sie mitmachen können, aber eine Servicegebühr verlangen dürfen“, erklärt Lena Ganssmann von „a tip : tap“.

Das könnte funktionieren. Tatsächlich finden sich ja schon jetzt solche Angebote auf den Speisekarten von Cafés. Leitungswasser für 50 Cent oder 'nen Euro, manchmal wird das Wasser sogar durch einen Veredler geschickt, bevor es ins Glas kommt. Und eine kleine Gebühr erheben viele Cafés ja schon lange für die Benutzung ihrer stillen Örtchen, wenn man sich sonst nichts bestellt.

Wo wir gerade beim Klo sind: Ist die Existenz öffentlicher Toiletten nicht auch ein Grundrecht? Sollte hier – schließlich auch ein Wasserthema – nicht ebenfalls eine kritische Masse Pflicht für eine Blue-Community-Etikettierung sein? Jeder, der bei dem es mal unterwegs urgent wurde oder der mit kleinen Kindern unterwegs ist, weiß: Öffentliche, benutzbare Klos gibt es in deutschen Städten viel zu wenig und dass die Versorgung mit solchen Toiletten in nahezu monopolistischer Form in den Händen eines Außenwerbers liegt, ist eigentlich eine Frechheit. Das ist fast so, als gäbe es nur Nestlé-Wasser. Aber vielleicht gibt es ja auch dafür bald eine Initiative. Peefill?

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