Man kann nicht alle interessanten Texte finden, die die ganze Woche über publiziert werden, geschweige denn lesen. Immer sonntags stellt die Redaktion an dieser Stelle vier bemerkenswerte Artikel vor, die über unsere Displays geflimmert sind und dabei zum Glück abgespeichert wurden.
Nordkoreas Geldgeschäfte
Wo kommt das ganze Geld eigentlich her, das es Nordkorea ermöglicht, so teure Dinge wie Raketen zu bauen? Einen Großteil erwirtschaften Gastarbeiter. So irre es klingt, doch das von der Außenwelt abgeriegelte Land beschäftigt in vielen Ländern billige, auf Kranken- und Sozialversicherung verzichtende (oder davon nichts wissende), bis zu 20 Stunden am Tag malochende Arbeiter, die es – so wird geschätzt – auf jährlich rund sechs Milliarden Dollar für Nordkorea bringen. Hier vereinen sich Manchesterkapitalismus und Neofeudalismus zu einem zutiefst antihumanistischen Projekt. Auch wenn sich nur sehr begrenzt auf das Einfluss nehmen lässt, was innerhalb Nordkoreas passiert, sollte es auf EU-Gebiet – hier arbeiten Nordkoreaner auf Tomatenplantagen, in Werften und in Nähereien – ganz andere Möglichkeiten geben, darauf einzuwirken. Allein: Es muss gewollt werden.
„Überall auf der Welt kassiert der Diktator mit einem ausgeklügelten Kick-back-System Milliarden. Die Diktatur ist da straffer organisiert als der gnadenloseste Wall-Street-Kapitalist.“
Spotify-Spam
Vorbei die Zeiten, in denen sich die Geburtstagsgäste widerwillig zum Ständchen zusammenraufen mussten. „Happy Birthday“ gibt’s bei Spotify, personalisiert für hunderte von Namensträgern von unzähligen unterschiedlichen „Artists“ – wenn man die Erzeuger diese Massenware denn so nennen kann. Ein paar Millionen Streams sind da für den ein oder anderen schon zusammengekommen und mit ihnen ein hübsches Sümmchen aus augenscheinlich winzigen Einahmen pro einzelnem Stream. Andere findige „Artists“ produzieren Coverversionen en masse oder benennen ihre Tracks ähnlich der aktuellen Billboard-Renner, in der Hoffnung, ein paar ahnungslos suchende Hörer fehlzuleiten. Denn: Wer gefunden wird, wird gehört. Adam K. Raymond liefert bei Vulture einen spannenden Einblick in Methoden, die an die dunkelsten Zeiten der Suchmaschinenoptimierung erinnern.
„A cynic might look at all of this and shrug his shoulders. Craven opportunism has been a part of the music industry since the first concert ticket was sold. But even if the money-grubbing isn’t new, the manner in which it’s grubbed is. And no matter who’s doing it, the effect is the same: Music is devalued.“
The Streaming Problem: How Spammers, Superstars, and Tech Giants Gamed the Music Industry
London: Taxi vs. Uber
Das Gerangel zwischen dem traditionellen Taxi-Gewerbe und Uber ist kein neuer Streit, der aber aus den unterschiedlichsten Gründen immer wieder anschwillt und bei dem es viel zu diskutieren und zu entscheiden gilt. Es gibt wenige Städte weltweit, in denen die Taxis so sehr zum Straßenbild und zur Kultur gehören wie in London. Dort hat Katrin Bennhold ihre Reportage für die New York Times recherchiert. Ihre These: Der Kampf zwischen den „black cabs“ und Uber ist an der Themse nicht nur eine Auseinandersetzung zwischen Tradition und Zukunft, sondern zeigt exemplarisch die Misere, in der sich Großbritannien aktuell befindet. Die Ausbildung zum Cabbie ist langwierig und teuer und ein Beruf, der fast ausschließlich von weißen Männern ausgeübt wird. Ubers werden fast ausschließlich von Einwanderern durch die Stadt gesteuert. Der Hass auf Uber ist groß, es kommt immer wieder zu Auseinandersetzungen im Straßenverkehr. Bennhold erzählt die Geschichte eines solchen Taxifahrers, der für den Brexit gestimmt hat, und einer Uber-Fahrerin, die ursprünglich aus Marokko stammt. Und dann treffen sich beide. Man merkt schnell: In Bennholds Reportage geht es nicht um das Taxi-Gewerbe. Es geht um eine Stadt, in der die Integration gescheitert ist.
„Uber is turning the time back to the Victorian era.“
Disneyland-Junkies
Todd Martens ist ein Amerikaner in den späten 30ern und süchtig nach Disneyland. Ob in L.A. oder in Florida, er besucht mehrmals im Monat die Freizeitparks des Imperiums mit den zwei schwarzen Ohren. Das ist bisweilen ein teurer Spaß. Aber auch einer, der bei vielen als weird angesehen werden dürfte. Martens trifft dafür unter anderem den Psychologieprofessor Irving Biederman von der USC. Gemeinsam versuchen sie zu analysieren, woher so eine Sucht kommt, was sie kompensiert und wofür sie stehen könnte. Eine Reise ins psychologische Ich eines Abhängigen.
„The concept of repeat visits, however, gives him pause. He questions whether I would want to watch the same movie 20 times and then he begins asking things like, “Does your repeated engagement with the Disney experience stem out of anxiety or fear of less safe, less predictable settings?”“
This is your brain on Disneyland: A Disney addict's quest to discover why he loves the parks so much