Ein ungewöhnliches, kollektives ErlebenSo war das Meakusma-Festival 2019
17.9.2019 • Kultur – Text: Matti Kählke, Fotos: David OleIn der überhandnehmenden Festivalflut ist es manchmal keine leichte Aufgabe, die wirklichen Perlen zu finden und dann auch noch zu besuchen. Das Meakusma in Belgien ist so eine Perle. Kein DJ-Kult, kein Insta-Wahn, dafür jede Menge Freiraum für Musik, die sonst von den Massen totgetrampelt wird. Die vierte Ausgabe fand vom 6.–8. September statt. Statt einer langen Analyse haben unsere Reporter einen persönlichen Eindruck und ein paar Gigabyte Fotos mitgebracht.
360-Grad-Urwaldrauschen in mehrkanaliger Amplifizierung, wabernde Quetschorgeln, die einem zuerst das Gehirn aufweichen, dann in sinngeschärfte Trance fallen lassen, Trompeten, die nach Dubstep klingen, und in jedem Fall die Nutzung von Instrumenten, wie ich sie vorher noch nie gesehen und gehört habe. Dazwischen, DJs und Livesets, die mit gewohnten Rhythmusschemen und anderen Konventionen in der elektronischen Musik brechen oder vertraute Elemente verformen und manipulieren.
Zum vierten Mal fand das Meakusma Festival auf dem Gelände des Kulturzentrums „Alter Schlachthof“ im ostbelgischen Eupen statt. Der 2004 gegründete gleichnamige Verein setzt sich mit Festival und eigenem Label das Ziel, avantgardistischer Musik eine internationale Plattform zu bieten. Wo anfangs noch ein stärkerer Bezug zur elektronischen Clubmusik bestand, ist das Programm mittlerweile eine wilde Mischung aus Genres, wie experimentellem Jazz, Audio/Video-Performances und Sound-Kunst.
„Die Unterscheidung zwischen elektronischer Musik und nicht-elektronischer Musik wird immer unwichtiger. Ob du es elektronisch oder nicht-elektronisch machst, es geht um den Ausdruck des Künstlers und dem, was der Hörer empfindet. Alles andere ist Handwerk.“
David Langela (Mitorganisator)
Das Festival in seiner Gesamtheit zu beschreiben, fällt auch nach mehreren Anläufen schwer. Was macht ein Festival aus? Sind die Leute nett? Ja, auf jeden Fall. Und das Wetter? Ein bisschen kalt, aber geht klar. Gibt’s lecker Essen? Whoopy Snack nebenan ist sehr zu empfehlen.
Aber das Wichtigste, wie ist die Musik?
Einige Konzerte liefen bei mir nach folgendem Schema ab. Die ersten zehn Minuten sind von einer eigenartigen Irritation geprägt. Ich versuche zu entschlüsseln, was ich da gerade höre. Nach diesen zehn Minuten verliere ich meinen kritischen Blick. Ohne dass ich es merke, setzt mein rationaler Verstand aus und findet sich wieder in einer Faszination für die Feinheiten, komplexe Höhepunkte, resonierende Zwischentöne, Wechsel im Zeitgefühl und einer obskuren Nutzung von Instrumenten. Zwischendrin wache ich gelegentlich aus meiner Trance auf und merke, dass ich nicht die einzige Person bin, die in dieser neugierig beobachtenden Haltung steckt. Die Menschen um mich herum schauen gebannt in Richtung Bühne, haben sich auf den Boden gelegt und schließen die Augen – ein ungewöhnliches, kollektives Erleben.
Das Konzert findet sein Ende, ein Moment Stille, um mich herum scheinen die Menschen wieder aufzuwachen, dann ein Applaus, der einen so richtig wachrüttelt. Beseelt und desorientiert verlässt man den Konzertraum.
„The organ is still the best synthesizer in the world!“
Charlemagne Palestine