Leseliste 26. April 2020 – andere Medien, andere ThemenDDR-Pandemieplan, Atomkraft, Tschernobyl brennt und Corona-Szenarien

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Jede Woche liest die Redaktion das Internet leer, um sonntäglich Lesestücke empfehlen zu können. Artikel, die interessant, relevant oder gar beides sind – und zum Glück abgespeichert wurden.

DDR-Pandemieplan

Derzeit wird oft eine Risikoanalyse des Robert-Koch-Instituts aus dem Jahr 2012 zitiert, die den Ausbruch einer Pandemie durch ein Coronavirus als „bedingt wahrscheinlich“ beschreibt. Und es drängen Fragen, warum die Bundesregierung nicht besser vorbereitet ist, warum es nicht ausreichend Schutzmasken und Desinfektionsmittel gibt, warum in den Bundesländern so unterschiedlich verfahren wird. In der Serie „Zeitenwende“ der Berliner Zeitung erklärt Torsten Hamsen, wie die DDR bereits vor 50 Jahren einen Seuchenbekämpfungsplan entwickelte. Nach der Hongkong-Grippe 1968, die in einer akuten Krankheitswelle im Winter 1969/70 in beiden Deutschlands resultierte, entwickelte die DDR-Führung ein „Führungsdokument zur Grippebekämpfung“. Dieses Dokument entspricht im Ansatz dem „Nationalen Pandemieplan der Bundesrepublik“, welches aber erst über 30 Jahre später von der Bundesregierung verabschiedet wurde. Dieser Text zeigt sehr anschaulich, wie wichtig Vorsorge ist und dass gewisse gesellschaftliche Bereiche nicht allein kapitalistischer Verwertungslogik unterworfen sein dürfen.

„Vorsorge zu treffen, kostet Geld“, sagt Florian Bruns. „Reserven zu bilden – beim Personal, bei Räumen und Material – entspricht aber nicht der kommerziellen Logik, die auch im Gesundheitswesen Einzug gehalten hat.“

Es ging auch ohne WHO: Der durchaus intelligente Pandemie-Plan der DDR

Astrawets

Am 26. April 1986 kam es im Tschernobyl zum atomaren Supergau – heute vor 34 Jahren. Während genau dort gerade massive Waldbrände wüten und dem mit einem Sakrophag aus Beton abgeschirmtem Reaktor immer näher kommen, stehen die Zeichen im benachbarten Weißrussland auf nukleare Zukunft. In Astrawets soll noch dieses Jahr das erste Kernkraftwerk des Landes ans Netz gehen. Dabei war das Land nach der Tschernobyl-Katastrophe besonders betroffen. Fast 150.000 Menschen mussten umgesiedelt werden, ein Viertel der Fläche wurde verstrahlt. All dies interessiert Präsident Lukaschenko heute nicht mehr. Einst versprach er im Wahlkampf noch, dass Atomkraft in Weißrussland nie ein Thema sein werde. Aber das ist nicht der einzige Widerspruch, in den sich der Autokrat verstrickt. Im benachbarten Litauen werden derweil schon Jodtabletten gehortet. Dem Reaktor in Astrawets wird nicht vertraut. Aus gutem Grund:

Mindestens 10 Tote soll der Bau des Reaktors bisher laut der Minsker Umweltgruppe Ekodom gekostet haben. 2016 war gar die Reaktorhülle aus Stahl vom Kran gefallen. Angeblich, ohne dabei Schaden zu nehmen.

Angst vor AKW in Belarus

Tschernobyls Wälder brennen

Am Jahrestag des Supergaus in Tschernobyl denkt man vor Ort nicht unbedingt ans Gedenken. Es gibt wichtigeres zu tun: Brände löschen. Zwar ist der Wald direkt um die Anlage abgeholzt und im März hat man in weiser Voraussicht bereits ein paar Brandschneisen geschlagen, Grünflächen gemäht und Straßen befestigt - gereicht hat das jedoch mitnichten. Zwei Drittel der Sperrzone ist bewaldet, größtenteils mit derzeit knochentrockenem Nadelholz. 2000 Feuerwehrleute versuchen den Flammen in schlechter Schutzkleidung mit maroden Geräten Einhalt zu gebieten. Das erschreckende: Die dringend benötigten Investitionen wären kaum mehr als Peanuts…

Er schätzt, dass es vielleicht 10 oder 20 Millionen Euro kosten würde, die Einsatzkräfte vor Ort entsprechend auszurüsten, und sieht darin eine Aufgabe für die internationale Gemeinschaft. Weil dieses Geld aber fehlt, ist es schwierig, die Brände unter einigermaßen sicheren Bedingungen zu löschen

Wenn radioaktive Wälder brennen

Quo vadis, Coronagesellschaft?

Neulich einen guten Tweet gelesen: Daumenregel dafür, wie lange Sachen noch dauern – ungefähr doppelt so lang. Das ungefähr könnte auch für das Leben mit Corona gelten. Denn mag es sich für viele gerade so anfühlen, als ziehe der Sturm vorüber – der Verkehr in der Stadt nimmt zu, es fühlt sich nach einer Rückkehr zur Normalität an –, könnte das ein Trugschluss sein. Eine zweite Welle ist nicht auszuschließen, und die könnte aufgrund der nun größeren, versteckten Virenverteilung umso fataler sein. Wie wird die Pandemie weitergehen, wie wird sie schließlich enden? Die Krautreporter mit drei Szenarien: Erstens zügige Lockerungen, zweitens „Hammer und Tanz“ mit ständig möglichen Lockdowns und drittens Lockerungen erst dann, wenn die Reproduktionszahl lange deutlich unter 1 bleibt. Jeweils mit Vor- und Nachteilen, Chancen und Risiken.

Wir sind es gewohnt, bei Sonne – oder Regen – auf einer gut ausgebauten Straße mit hoher Geschwindigkeit unterwegs zu sein. Jetzt zwingt uns der Nebel dazu, das Tempo zu drosseln und auf Sicht zu fahren. Die Folge: extreme Unsicherheit, die Gift ist für sehr vieles, was unsere Gesellschaft zusammenhält und vorhandenes Misstrauen gegenüber der Politik weiter verstärkt.

Wie die Corona-Pandemie enden wird

Wochenend-WalkmanDiesmal mit Rone, Mr. Scruff und LGoony

Mix der Woche: Albrecht WasserslebenDie Goldene Ära der großen Gefühle