Leseliste 22. März 2020 – andere Medien, andere ThemenBiggies Gürtel, Vernunftpanik, nach Corona und Bravo

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Jede Woche liest die Redaktion das Internet leer, um sonntäglich Lesestücke empfehlen zu können. Artikel, die interessant, relevant oder gar beides sind – und zum Glück abgespeichert wurden.

Biggies Gürtel

Als Rigo Morales 2001 sein Büro beim Source Magazine räumte, um letztlich A&R bei Atlantic Records zu werden, hing auf der Innenseite seiner Bürotür ein Gürtel. Biggies Gürtel. Riggs rief seine Nachfolgerin Aliya S. King ins Büro, um ihr zu erzählen, was es damit auf sich hat. Und vor allem: Dass dieser Gürtel unter allem Umständen an genau dieser Tür hängen bleiben muss. Nun auch King verließ irgendwann das Office. Und machte sich ein paar Jahre später wiederum auf die Suche nach dem 52-inch-Kunstleder-Accessoire.

“I’m holding it right now,” Boo said to me back in 2009. “It’s a size 52. Damn, this is really Big’s belt!”

The Legend Of The Biggie Belt

Vernunftpanik

„Wer jetzt noch rausgeht, ist Quasi-Mörder.“ So denken, reden und posten derzeit viele, wenn auch nicht immer in so harscher Formulierung, aber doch erstaunlich oft. Die Konsequenz ist fast immer die gleiche: Her mit der Ausgangssperre, am besten schon gestern. In seiner aktuellen, herausragenden Spiegel-Kolumne adressiert Sascha Lobo genau diese moralische Überheblichkeit, die sich aus nicht begriffenen Privilegien Bahn bricht und genau gar nichts bringt.

Die Verkäuferin im Einzelhandel hat gefälligst acht Stunden unterbezahlt an der Kasse zu sitzen und sich von barschen Kunden anhusten zu lassen - aber mit ihrem Kind eine halbe Stunde im Park zu verbringen, damit sie nicht durchdreht, das ist unverantwortlich! Ruft man ihr mit dem Lieferprosecco in der Hand in der Netflix-Pause vom Balkon aus zu, Hashtag #staythefuckhome.

Wider die Vernunftpanik

Nach Corona

Manchmal landet eben auch ein Text in der Leseliste, über den sich nur der Kopf schütteln lässt. Dieser hier wurde viel geteilt in der vergangenen Woche: Trendforscher Matthias Horx, sonst so bedacht darauf zu betonen, dass Prognosen mit Vorsicht zu genießen und immer eine von vielen möglichen Zukünften sind, geht in die Vollen. Nach Corona werde die Welt eine andere sein. Eh klar, aber wie: Mehr Empathie, mehr Höflichkeit, ortsnahe Produktion statt globaler Wirtschaft, generelles Umdenken, Neuanfang. Ein Virus als Evolutionsbeschleuniger. Auf in eine bessere Zukunft. Es klingt alles ganz wunderbar. Aber in Anbetracht dessen, was dem Land nun vermutlich an Leid bevorsteht, ist es kokett, nein: unverantwortlich. Da sitzt ein Trendguru in seiner großen Wiener Wohnung mitsamt Gemüsegarten (Horx gärtnert gern) und freut sich auf übermorgen, statt mit seinem über viele Jahre angesammelten Instrumentarium und der Fähigkeit, kluge Gedanken zu äußern, Maß und Mitte zu finden. Übrigens: Beliebtester Politiker des Landes ist nun Markus Söder. Take that, Prognostik.

Wir werden uns wundern, dass sogar die Vermögensverluste durch den Börseneinbruch nicht so schmerzen, wie es sich am Anfang anfühlte. In der neuen Welt spielt Vermögen plötzlich nicht mehr die entscheidende Rolle. Wichtiger sind gute Nachbarn und ein blühender Gemüsegarten.

Die Welt nach Corona: Wie wir uns wundern werden, wenn die Krise vorbei ist

Bravo Archiv

Screenshot: Bravo-Archiv

Bravo

Man kann vom journalistischen Anstand des Jugendhefts Bravo halten, was man will. Aber für die allermeisten in Westdeutschland Aufgewachsenen war das Magazin wohl eines der wichtigsten Informationsquellen für Pop, Foto-Lovestorys und andere unabdingbaren Inhalte wie Sex-Tipps überhaupt. Das Bravo-Archiv hat dieser Tage einen Teil seines Archivs zum freien Download zur Verfügung gestellt. Die jeweils ersten Ausgaben aus den Jahren 1956–1994 kann man nun als pdf. runterziehen und die Einblicke in die Jugendkulturen der einzelnen Jahre und Dekaden sind spannend und mit einer gewissen Distanz (so richtig jung ist unsere Leserschaft ja nicht) auch unterhaltsam und lesenswert.

Bravo-Archiv 1956–1994

Wochenend-WalkmanDiesmal mit Jasss, Ian William Craig und The Notwist

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