Jede Woche liest die Redaktion das Internet leer, um sonntäglich Lesestücke empfehlen zu können. Artikel, die interessant, relevant oder gar beides sind – und zum Glück abgespeichert wurden.
Den Newsfeed beiseite
Es fällt dieser Tage schon schwerer als sonst, sich dem reißenden Nachrichtenfluss zu widerstehen. Wie viele Infizierte seit gestern? Was sagt Drosten heute? Ein Bußgeldkatalog? Und was sagen die Leute erst dazu? Ob Twitter oder Facebook oder jedes oder auch Zeit oder Tagesspiegel – die Updates kommen minütlich. Gesund ist das ganz sicher nicht – längst erwiesen. Was also tun? GQ hat bei Cal Newport nachgefragt. Jenem Autor der mit „Digital Minimalism“ und „Deep Work“ schon vor einiger Zeit zwei erfolgreiche Bücher über die Vorteile der Abstinenz von Newsfeed und Notifications geschrieben hat. Ein bisschen liest sich das Interview auch wie eine Buch-Promo. Macht aber nichts, es gibt wohl keinen besseren Zeitpunkt sich eines oder beide Werke tatsächlich mal zu Gemüte zu führen. Lesenswert sind sie allemal.
If you give me a way to clean the dishes faster, that's probably better. But when it comes to information and information flow, it's not necessarily true that having more information or being exposed to as much as possible per unit time is better for your life.
Cal Newport on Surviving Screens and Social Media in Isolation
Dorf-Quarantäne
Lockdown und #stayathome ist nur ein Vorbote dessen, was man kollektive Quarantäne nennen könnte. Wie das ist, wie sich das anfühlt, wenn wirklich alles zum Stillstand kommt und die Menschen in ihren Häusern bleiben müssen, das hat Arte kürzlich mit einer Doku aus China gezeigt. Und Vice zeigt es nun – ohne vor Ort gewesen zu sein – aus einem Dörfchen am Thüringer Rennsteig: In der Waldidylle von Neustadt wurden 10 Einwohner*innen positiv auf Covid-19 getestet, das ist viel bei gerade mal 900 hier lebenden Seelen, eine Person verstarb bereits. Wie gehen Anne, Fabian und Frau Geyer mit der Ausgangssperre um? Eine Chronik der Lange-Weile.
Manchmal überlegt Fabian, dass er, wenn er einen Hund hätte, noch vor die Tür dürfte. Aber dafür ist es zu spät. Man kann keine Hunde mehr kaufen in Neustadt am Rennsteig. Es gibt nur noch den nahkauf.
Hass gegen Deutsche
Dass sich Bio-Deutsche im eigenen Land dem Hass der eigenen Landsleute entgegenstellen müssen, hätte man sich nicht ausmalen können. Da 2020 aber sehr viel möglich ist, so nun auch das. Heinsberger berichten bspw. immer öfter, dass ihre Autoreifen abgestochen werden, wenn mal ein Supermarkt im Nachbarort besucht wird. Und auch in Tourismushochburgen wie Usedom und anderen Ostseeorten kippt die Stimmung mehr als bedenklich. So gibt es nicht wenige Berliner oder Hamburger, die eine Ferienwohnung oder einen Zweitwohnsitz in Mecklenburg-Vorpommern haben und dachten, auf dem Land sei es vielleicht sicherer und ruhiger, bis sich die Krise legt. Aber auch hier verstecken mittlerweile Besitzer ihre Autos mit Berliner Kennzeichen – aus Angst und Sorge. Jene, die die eigentliche „Geldquelle“ so vieler Ferienorte sind, sind plötzlich geächtete Fremde, die ja nicht die Seuche anschleppen sollen. Wie weit kann Fremdenhass gehen? Offenbar sehr weit.
Und vielerorts, wo sich Einheimische, bestärkt von dieser Regelung, zu Hütern der Corona-Quarantäne aufschwingen, berichten Menschen von einem Klima der Einschüchterung und offener Feindseligkeit. „Du bringst uns Corona“, war auf einen Zettel geschrieben, der bei Otterndorf – an der Elbmündung gelegen – an der Windschutzscheibe eines ortsfremden Autos klebte. Auf Usedom sollen Autos mit Nummernschildern vom Festland mit Steinen beworfen worden sein. So findet man nun vermehrt Hinweiszettel an ihnen, auf denen die Halter in großen Lettern mitteilen, „kein Tourist“ zu sein.
So vergiftet das Coronavirus die Atmosphäre in deutschen Urlaubsgebieten
Atombomben in Büchel
In Deutschland sind nach wie vor 15 bis 20 US-amerikanische Atomwaffen stationiert – ganz konkret im rheinland-pfälzischen Büchel. Wie viele es genau sind, bleibt geheim. Klar hingegen ist jedoch, dass sie zeitnah nicht abgezogen, sondern vielmehr grunderneuert werden. Rund 30 Jahre haben die Sprengköpfe mittlerweile auf dem Buckel und sind – so stellen sich das die Militärs vor – nicht mehr vorzeigbar. Es gibt mittlerweile viel präzisere Waffen, die besser treffen. Im Bundestag wurde immer wieder gefordert, die USA anzuhalten, die Waffen aus Deutschland abzuziehen. Passiert ist nichts. Das Standing in der NATO sei in Gefahr, heißt es – was bei Expert*innen wiederum nur als Überschätzung der Rolle Deutschlands interpretiert wird. Und: Die USA lassen sich ohnehin nicht in die Karten schauen.
„Dann ist der Flugplatz gesperrt, und es kommt ein amerikanisches Flugzeug – und man weiß nicht, ob es Coca-Cola gebracht oder Bomben abgeholt hat.“