Auf dem Weg: Uebel & Gefährlich / Hamburg, 2006Eine Kamera, ein Bild und seine Geschichte
5.11.2014 • Gesellschaft – Text & Bild: Fabian ZapatkaSilvester im Hochbunker.
Silvester ist ja eigentlich immer eine schwierige Angelegenheit. Viel zu viele Erwartungen an einen einzelnen Abend. Keiner kann sich festlegen. Immer bleibt bis zuletzt die Hoffnung, eine noch bessere Party, eine noch tollere Verabredung zu finden. Oft wird es dann erst recht nichts mit dem grandiosen Start ins neue Jahr. Meine Silvester sind meist eine Katastrophe. Mit sehr wenigen Ausnahmen. Die gewinnen aber auch eher in der ironischen Rückschau.
Dieses Bild entstand oben auf dem Hochbunker Feldstraße Hamburg, dem Sitz des Übel und Gefährlich. Dieses Silvester war dann auch der Abschluss in einer Reihe von insgesamt drei Jahreswechseln,
die ich mit meiner guten Freundin Anna in Hamburg verbracht habe. Anna ist eine treue Freundin. Ein kluge, schöne und lustige Frau, zu der ich oft, wie in jenem Jahr pünktlich zum Jahreswechsel, geflohen bin.
Bloß nicht im Berliner Sumpf, schon gar nicht am 31.12. um Mitternacht, feststecken.
Weite weiße Landschaften draußen vorm Zugfenster. Wärme im ICE.
Ruhe und sofort einsetzende Entspannung, so bald sich die Zugtüren automatisch schließen. Später dann Hamburgs riesige Bahnhofshalle. Schneeflocken tanzen draußen im Wind zu klassischer Musik. Verirrte Gestalten schieben hin und her, ich suche die Lücke vorbei und weiter Richtung Hotel Atlantik.
Meine Schwester hat sich schick gemacht. Rotes Kostüm, roter Lippenstift, hohe Hacken. Weiter ins Schulterblatt. Eine Wohnung im 1. OG. Schwere dunkle Tapeten. Alle in Abendgarderobe. Warmes Licht von Wandlüstern. Ich werde in einen begehbaren Kleiderschrank geführt. Dort bekomme ich einen Smoking von Alvaro verpasst. Jetzt brechen wir gemeinsam auf und meine Schwester bricht sich beinahe den Knöchel auf dem vereisten Weg zum Hochbunker. Eine kleine Anzahl von geladenen Gästen erwartet den Jahreswechsel. Ich fühle mich wie ein Kellner und nicht wie James Bond in meinem geborgten Smoking. Alle langweilen sich. Schlechte Stimmung. Aber warum? Kurz vor zwölf schrille Sirenen. Nun darf auch das gemeine Volk hinauf ins Uebel und Gefährlich. Später noch Feuerwerk auf der Plattform. Es ist nass und kalt. Die Explosionen spiegeln sich auf dem leeren Platz vorm Bunker.
Ich halte meine Schwester im Arm. Schieße ein paar Fotos. Zurück nach unten. Ein Taxi finden. Nur noch ins Bett. Keine Abstürze mehr. Freude auf den lichten Morgen. Hoffentlich bald wieder zurück ins heimatliche Berlin.
Fabian Zapatka ist Fotograf. Er bereist teils Orte, von denen viele von uns nicht mal wissen, dass es sie gibt. Für Das Filter öffnet er jetzt nach und nach sein Archiv. Ein neues Bild und eine neue Geschichte gibt es jeden Mittwoch, nur hier bei uns.