Klappstulle mit doppelt KäseFilmkritik: „Mackie Messer – Brechts 3Groschenfilm“

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Lars Eidinger als Bertolt Brecht. © Wild Bunch Germany / Stephan Pick

„Mackie Messer – Brechts 3Groschenfilm“ wants it all – und erzählt neben einem Stück deutscher Geschichte, einem kurzen Lebensabschnitt Brechts und ermüdenden Verhandlungen über einen letztlich nicht entstandenen Film auch gleich noch „Die Dreigroschenoper“ mit. In Regisseur Joachim A. Langs wild wechselndem Potpourri falten sich Musikfilm, Theater, Biopic und Justizthriller lustvoll ineinander und werden zum feuchten Traum einer jeder Deutschlehrerin.

Eine Inszenierung in der Inszenierung, ein Film über ein Theaterstück, das verfilmt werden soll, es dann doch nicht wird, jedenfalls nicht nach den Vorstellungen seines Erschaffers, es im Grunde genommen dann aber mit Mackie Messer – Brechts 3Groschenfilm doch wird – es ist kompliziert. Die Handlung dieser filmischen Verflechtung rankt sich vorrangig um Bertolt Brecht (Lars Eidinger) und dessen kreatives Kollektiv Kurt Weill (Robert Stadlober), Carola Neher (Hannah Herzsprung) und Helene Weigel (Meike Droste). Nach anfänglichen Unsicherheiten ob des neuesten Streiches des Meisterschreibers, der mit der „Dreigroschenoper“ nichts weniger als die Kunstform Oper von innen heraus zerstören möchte, wird das Stück zum überraschenden Publikumserfolg, die Lieder zu Hits und Brecht selbst zum Star. Eine Filmproduktionsfirma wittert die Chance auf eine Menge Geld und erwirbt die Rechte. Brecht selbst soll das Drehbuch liefern. Als er immer mehr Änderungen für die Kinofassung vornimmt, kommt es zu Spannungen, die letztlich in einem Gerichtsverfahren enden, das wiederum von Brecht als gesellschaftliches Experiment inszeniert wird. Auf einer zweiten Ebene zeigt der Film „Die Dreigroschenoper“ mal als Theaterstück, meist aber als Auferstehung von Brechts Ideen zur filmischen Umsetzung des Stoffes und erschafft so neben der biografischen Handlung ein anregendes Stück Musiktheater.

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Lotte Lenja (Britta Hammelstein) und Kurt Weill (Robert Stadlober). © Wild Bunch Germany

Nicht immer innovativ

Ein Film im Film, ein Theaterstück auf der Leinwand: Die Vermischung von Inszenierung und scheinbaren Realitäten ist die wohl hervorstechendste Eigenschaft von Mackie Messer – Brechts 3Groschenfilm. Nichts, was nicht auch eine zweite Schicht hätte, eine dritte gar, die es abzustreifen oder durchsichtig zu machen gilt, einen Medienrahmen, der gesprengt werden muss. Bezeichnend ist eine Szene, in der Macheaths Lakaien – eben noch auf einem sepiafarbenen Foto erstarrt – sich zu bewegen beginnen und knallige Farben annehmen, um anschließend ihre Anzüge abzulegen, unter denen wiederum eine Kostümschicht bereit ist.
Insgesamt etwas bemüht, spielt der Film mit den Grenzen seiner selbst, stellt seine eigene Inszenierung aus und reizt seine Möglichkeiten über den Grad des Gewöhnlichen aus. Nicht immer innovativ, aber mit großer Verspieltheit wird die vierte Wand gesprengt, die Kameralinse zerschossen und bemalt, werden Bildrahmen geöffnet, Blickachsen kenntlich gemacht und bis zur völligen Desorientierung miteinander vermischt. Im Abspann werden sogar Joachim A. Lang und sein Team beim Dreh einer Szene gezeigt. Die Daumenschrauben des Metafilms ziehen sich enger und enger.

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Polly Peachum (Hannah Herzsprung) und Macheath (Tobias Moretti). © Wild Bunch Germany

Zu viel Brechtscher Gestus

Die verschiedenen Inszenierungsebenen greifen kunstvoll, wenn auch etwas zu gewollt und durchschaubar, ineinander und verzweigen sich schließlich bis in die Gegenwart. Die Kapitalismuskritik der „Dreigroschenoper“ wird in einer fabelhaften futuristischen Verlängerung in die heutige Zeit und darüber hinaus katapultiert, Stück und Autor wirken so modern und nahe am Zeitgeist, dass während und nach dem Filmgenuss das Verlangen nach einer (Re)lektüre sprunghaft ansteigt.
Joachim A. Langs zumeist wenig subtile und arg selbstbezügliche Inszenierung macht auch vor den Figuren des Films nicht halt: die qualmende Zigarre, zu dick, um sie wirklich lässig im Mundwinkel tragen zu können, prominent im Gesicht wie des Haifischs Zähne, dazu die Brille mit kreisrunden Gläsern, eine streng geschnittene Lederjacke – fertig ist der Brecht. Wie der Film direkt zu Beginn wissen lässt, ist der gesamte Text des bekannten Protagonisten echtes Zitat des Schriftstellers, in mühevoller Kleinstarbeit zusammengesammelt aus den verschiedenen schriftlichen Äußerungen des Meisters. Der aufgrund dieser Einschränkungen nicht zu beneidende Lars Eidinger macht sichtlich das Beste aus dieser an sich spannenden inszenatorischen Idee, die die Figur Brecht letztendlich aber zu einem mechanisch wirkenden Roboter, einem Abziehbild einer echten Person macht. Die perfekte Geschliffenheit jedes Satzes wirkt maximal unnatürlich, Brecht wird auf allzu bekannte Bonmots und Weisheiten reduziert. Bewundernswert ist hier nur die Treue des Films dem eigenen Konzept gegenüber, sonst ist das Ganze nicht nur nervig, sondern auch recht unspannend.

Im überdimensionalen Schatten eines Brechts, den die restlichen Charaktere unumstößlich anhimmeln und als den Gott der deutschen Theaterlandschaft verehren, werden alle anderen Figuren und ihre Darsteller regelrecht unsichtbar. Weder der bis zur Unkenntlichkeit maskierte Robert Stadlober als Kurt Weill noch Elisabeth Hauptmann als Peri Baumeister schaffen es, gegen den Aphorismen-Meister anzukommen. Brecht selbst wird recht unkritisch als deutscher Dichtergott wiederbelebt.
Eine echte Chance haben nur die Schauspieler, die in den Passagen der „Dreigroschenoper“ imposant in Szene gesetzt werden. In diesen überzeugendsten und unterhaltsamsten Teilen des Films glänzen nicht nur hervorragende Kostüme, grandiose Ausstattung und gut gemachte Effekte, sondern auch die sichtlich begeisterten Darsteller. Vor allem Tobias Moretti als Mackie Messer brilliert mit nuanciertem Spiel und großer Ausdrucksstärke inmitten der opulenten Inszenierung.

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Nach dem Reichstagsbrand verlassen Bertolt Brecht (Lars Eidinger) und seine Frau Helene Weigel (Meike Droste) Deutschland. © Wild Bunch Germany

Alles in allem ist Mackie Messer – Brechts 3Groschenfilm ein unterhaltsames filmisches Experiment, auch wenn dem Ganzen leider der akademische Hintergrund des Regisseurs Joachim A. Lang anzumerken ist, was sich stellenweise in einer verkopften, zu gewollten, zu stark konstruiert wirkenden Inszenierung manifestiert. Gefühlt einen Tick zu lang, rettet sich der Film in die visuell beeindruckenden Episoden der „Dreigroschenoper“ und entfaltet vor allem dort seine Anziehungskraft. Zweifellos und möglicherweise im Brechtschen Sinne etwas unpassend adressiert der Film ein gut situiertes bildungsbürgerliches Publikum, das über die Kapitalismus- und Kunstkritik verschmitzt lächeln darf – ein großer revolutionärer Wurf, den Brecht selbst im Film erhofft, ist das Ganze nicht, für den Deutschunterricht geplagter Oberstufenschüler eignet sich der verschachtelte Film mit den mannigfaltigen Ansatzpunkten für Analysen jedoch vortrefflich.

Mackie Messer – Brechts 3Groschenfilm
BRD / BEL 2018
Regie & Drehbuch: Joachim A. Lang
Darsteller: Lars Eidinger, Tobias Moretti, Hannah Herzsprung, Joachim Król, Claudia Michelse, Robert Stadlober, Peri Baumeister, Meike Droste, Max Raabe
Schnitt: Alexander Dittner
Kamera: David Slama
Laufzeit: 130 min
ab dem 13.9.2018 im Kino

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