Ganz schön schauerlichFilmkritik: „3 Tage in Quiberon“ von Emily Atef

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Alle Fotos: © Prokino

Ein Jahr vor ihrem Tod zeigte sich Romy Schneider in einer Reportage des Magazins „stern“ ungewohnt privat und verletzlich. Die in Berlin lebende Regisseurin Emily Atef hat aus der Begegnung des Journalisten Michael Jürgs und dem Fotografen Robert Lebeck mit dem deutschen Weltstar einen Film gemacht. Alexander Buchholz hat sich „3 Tage in Quiberon“ angeschaut.

Zwei kurze Momente blanker Freude hatte 3 Tage in Quiberon für mich immerhin dann doch noch in petto: Wohlige Schauer bereitete mir das Britzeln der Bildröhre meines alten iMac G3 beim Hochfahren, als ich mal nachschauen wollte, was die CD-ROM des „Lexikon des internationalen Films 1998/99“ zu Romy Schneider zu erzählen hat – gleich mal gucken, ob’s auf YouTube dazu passende ASMR-Videos gibt. Nein? Na gut, dann muss dies hier solange herhalten. Der andere Moment widerfuhr mir, als ich in der Romy-Biografie aus der Heyne Filmbibliothek auf folgenden makellosen Satz stieß: „Romys Lebenskerze war nach dem letzten schweren Schicksalsschlag bis auf den Docht heruntergebrannt.“

Wenn 3 Tage in Quiberon doch nur davon handeln würde! Nein, leider, kann und mag Regisseurin Emily Atef die Art von Biopics nicht, die ein ganzes Prominentenleben in kleinen Häppchen Revue passieren lassen. Also nix mit Lebenskerze: 3 Tage … beschränkt sich auf die titelgebende Zeit, die Romy Schneider (Marie Bäumer) mit der Boulevardpresse (Robert Gwisdek und Charly Hübner) und ihrer besten Freundin Hilde (Birgit Minichmayr) in einem öden Kurhotel verbringt. Es ist das Jahr 1981, ein Jahr vor ihrem frühen Tod mit nur 43 Jahren. Der „stern“-Reporter Michael Jürgs und der Fotojournalist Robert Lebeck reisen an, um ein Interview zu führen und Bilder zu machen mit dem einzigen deutschen Weltstar, der der Bundesrepublik einfach so entfleucht ist.

Lebeck freut sich, seine langjährige Freundin wiederzusehen, während Jürgs, der sich offenbar eigentlich zu schade ist, Arztpraxis-Lektüre zu verfassen, seine Feindseligkeit gegenüber der kapriziösen Schauspielerin kaum verhehlen kann. Entsprechend konfrontativ verläuft zunächst auch das Interview. Kritisch beäugt wird die Situation von Hilde, der es gar nicht gefällt, dass ihre Freundin sich so verwundbar macht.

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3 Tage … wirft ein merkwürdig diffuses Licht auf diese Figurenkonstellation. Es hätte spannend sein können, dabei zu sein, wie sich diese vier Charaktere ein Duell liefern, verschiedene Masken ausprobieren und um die Deutungshoheit der Situation kämpfen. Ist es vielleicht auch – für die, die es fertig bringen, an den unzähligen abgestandenen Klischees vorbeizuschauen. Da wird durch wehende Vorhänge und sich öffnende Fahrstuhltüren auf Hinterköpfe gefilmt, dass es eine wahre Pein ist. Denis Lavant will ich in keinem Film mehr tanzen sehen, außer wenn es Beau Travail ist. Dass der Film kaum mehr zu bieten hat als schwarzweiße Strandszenen, unterlegt mit Klaviergeklimper, gibt ja fairerweise sogar der Trailer unumwunden zu. 3 Tage … gelingt kaum mehr, als der existierenden Fotostrecke von Lebeck hinterherzulaufen, sich vollkommen der Nostalgie der Bilder hinzugeben. Es fehlt dem Film schlicht an Biss – formal als auch inhaltlich.

Alle Figuren werden mit Samthandschuhen angefasst. Die Pressehyänen kommen viel zu gut davon, ebenso der Weltstar selbst. Der Film hätte grelle 70/80s’ploitation sein müssen. Ach was, nehmen wir die 50er und 60er Jahre doch gleich mit dazu, die Jugendjahre der Leinwandkönigin! Wen die Sissi alles getroffen und geliebt hat! Was das alles für nutzlose Scheißtypen waren! Und dann spießt sich ihr einziger Sohn auch noch auf dem Gartenzaun auf! Eine derartig geschmacklose Biografie hätte einen Film verdient, wie er Craig Gillespie mit I, Tonya sehr schön gelungen ist.

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Stocksteifer Arthaustrash

Atefs Film hingegen ist leider genau die Sorte uninspirierter, stocksteifer Arthaustrash, wie er im Moment dutzendfach die Programmkinos zustopft. So nasspappig wie der „Moodfilm“ daherkommt, ist es dann doch erstaunlich, dass 3 Tage in … in diesem Jahr mit zehn Lola-Nominierungen ins Rennen geht. Da wünscht man sich, Gerhard Midding von der „epd Film“ zu sein und ein „verblüffend diskretes Schauspielerkino“ gesehen zu haben. Verblüffend diskret, in der Tat. Die Kurzbio von der Filmlexikon-CD-ROM liest sich übrigens, als hätte sich ein Haufen Altphilologen beim Verfassungsschutz eingenistet: „1960 Ablösung von den Rollenklischees in Fritz Kortners pazifistischer Aristophanes-Aktualisierung Die Sendung der Lysistrata.“ Uff. Da schmeiß ich uns doch als Entschädigung gleich mal eine Runde Kribbeln.

3 Tage in Quiberon
D/F/A 2018
Regie: Emily Atef
Drehbuch: Emily Atef
Darsteller: Marie Bäumer, Robert Gwisdek, Birgit Minichmayr, Charly Hübner, Denis Lavant
Kamera: Thomas Kiennast
Schnitt: Hansjörg Weißbrich
Musik: Christoph M. Kaiser, Julian Maas
Laufzeit: 115 Min.
ab dem 12.4.2018 im Kino

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