Don’t you know I’m loco?Berlinale 2018: „Unsane“ von Steven Soderbergh

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Alle Fotos: © Fingerprint Releasing / Bleecker Street

„Unsane“ wurde im Wettbewerb der Berlinale 2018 „außer Konkurrenz“ gezeigt. Mit dem ausschließlich auf einem iPhone gedrehten Psychatriethriller unterstreicht der Regisseur Steven Soderbergh erneut seine Liebe für trashige B-Movies.

Unsane – solche Titel haben eigentlich nur billige B-Horrorfilme um fiese Psychokiller und Schizomörder, die früher Direct-to-Video produziert wurden. Auch heute muss man das Suchmenü der Streamingdienste geduldig durchforsten, um auf solche Streifen zu stoßen. Nun stammt Unsane nicht von irgendeinem No-Name-Regisseur, sondern von Steven Soderbergh (Ocean's Eleven, Erin Brockovich), der hier hemmungslos seiner Lust an Trash und Exploitation frönt und die edle Royalty-Schönheit Claire Foy aus der Serie The Crown durch ein völlig derangiertes Stalker-Revenge-Szenario schleust.

Eine junge Frau mit dem tollen Namen Sawyer Valentini sucht als traumatisiertes Stalking-Opfer therapeutische Hilfe in einer dubiosen Institution, die sich nicht nur schnell als sadistisches Madhouse entpuppt, sondern auch den ehemaligen Peiniger von Sawyer im ärztlichen Personal führt. Wäre Unsane ein Mind-Game-Film, würde es um die Frage gehen, ob die Paranoia dem subjektiven Wahn der Protagonistin entspricht oder objektiver Wahrheit, aber daran ist der Film dann doch nicht wirklich interessiert. Wäre Unsane ein institutionenkritischer Film mit Wiseman-Touch, würde es um die Privatisierung des amerikanischen Gesundheitssystems gehen, aber trotz einiger Seitenhiebe auf das neoliberale Non-Healthcare-System geht es hier ganz gewiss nicht um Antipsychatrie. Für einen amtlich cheapen Horrorschocker fehlt dem Film dann doch der nötige Punch, denn so richtig niederträchtige Gewaltlust will nicht so recht aufkommen.

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Die Desublimierung des digitalen Bildes

Worum geht es Soderbergh dann mit diesem absolut hanebüchenen Plot? Vielleicht wird man der Schrägheit des Films am ehesten gerecht, wenn man in ihm den Versuch eines experimentellen Exploitationfilms sieht. Hier kann Soderbergh an The Girlfriend Experience (2009) anknüpfen, in dem Ex-Pornstar Sasha Grey als Escortgirl und Affektarbeiterin den verunsicherten Brokern psychosexuell durch die Finanzkrise hilft. Visuell schließt Unsane an die nervöse Low-Fi-Textur des früheren Films an: Die ausschließlich mit einigen iPhone-Kameras gedrehten Bilder stellen ihre eigene Hässlichkeit und Armut demonstrativ aus. Als eine Untersuchung des zeitgenössischen „Poor Image“ ist Unsane dann am stärksten, wenn Soderberghs Handycam im ersten Drittel des Films in immer zu nahen und aufdringlichen Einstellungen die depressive Entfremdung der Bürozellen und Arbeitsräume einfängt, in denen Sawyer Valentini von Beginn an gefangen ist. Aber mit dem bald einsetzenden Revenge-Psychohorror verschenkt der Film leider einiges an Potenzial, um am Schluss einfach nur noch zu nerven. Trotz aller Liebe zum Trash ist Soderbergh eben kein guter Genre-Handwerker. Aber als Analyse dessen, was man die Desublimierung des digitalen Bildes nennen könnte, ist Unsane unbedingt interessant. Irgendwie fällt mir zum Schluss noch der Refrain eines alten Cypress-Hill-Hits ein: „Insane in the membrane, insane in the brain!“

Unsane
USA 2018
Regie: Steven Soderbergh

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