Ausnüchterung statt AufheizungBerlinale 2018: „7 Days in Entebbe“ von José Padilha

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Foto: Rosamund Pike und Daniel Brühl / © Liam Daniel

Für seinen furiosen Actionfilm „Tropa de Elite“ wurde der Brasilianer José Padilha („Narcos“) 2008 mit dem goldenen Bären ausgezeichnet. In seinem diesjährigen Wettbewerbsbeitrag „7 Days in Entebbe“ erzählt der Regisseur die wahre Geschichte der Entführung einer Air-France-Maschine durch deutsche und palästinensische Terroristen aus dem Jahre 1976. Der Film kommt vor allem müde daher, findet Sulgi Lie.

„Bomben in das Bewusstsein der Massen werfen“ wolle er, so tönt Wilfried Böse (Daniel Brühl) im antiimperialistischen Idiom der 1970er-Jahre in José Padilhas Wettbewerbsbeitrag 7 Days in Entebbe, der sich einem besonders unrühmlichen Kapitel des deutschen Linksterrorismus widmet. In Kooperation mit Kämpfern der Volksfront zur Befreiung Palästinas (PLPF) entführten Wilfried Böse und Brigitte Kuhlmann von den Revolutionären Zellen (RZ) im Juni 1976 eine Air-France-Maschine nach Entebbe in Uganda, um die Entlassung palästinensischer Gefangener aus Israel zu erpressen. Dabei kam es zu jener berüchtigten Selektion von jüdischen Geiseln durch die Entführer, deren Antizionismus vom Antisemitismus kaum zu unterscheiden war.

José Padilhas Film nimmt auf die radikalisierte Hyperpolitik der 1970er eine postideologische Perspektive ein, wie sie auch für vergleichbare Filme wie Olivier Assayas’ Carlos typisch ist: präzise im historischen Reenactment, neutral in der politischen Haltung. In Fortsetzung des protokollarischen Stils, den Padilha in der von ihm produzierten Netflix-Serie Narcos kultivierte, ist 7 Days in Entebbe um Ausnüchterung statt um Aufheizung bemüht. So böse ist Wilfried Böse dann doch nicht, für die Aussonderung der jüdischen Passagiere sind in dem Film die PFLP-Kämpfer verantwortlich und nicht Böse, der den fatalen Wiederholungszwang durchaus erkennt. Dass der Antizionismus der Palästinenser einer anderen historischen Situation entspringt, registriert der Film durchaus, genauso wie, dass Brigitte Kuhlmann, die als die Fanatischere der zwei Deutschen dargestellt wird, auf feministische Essentials beharrt, als Böse ihr vorschlägt, doch ins irgendwie „sozialistische“ Saudi-Arabien zu flüchten.

Verkniffene Kleinbürger ohne jede Sexyness

Währenddessen schmieden Yitzhak Rabin und Schimon Peres die Operation „Thunderbold“, die schließlich zur Befreiung der Geiseln und dem Tod der Kidnapper führt. Aber eigentlich sind auch Rabin und Peres kriegsmüde und so gar nicht von der Militärpower des Donnerschlag berauscht. Und da wäre auch noch die dubiose Rolle, die Ugandas Idi Amin spielt. Man könnte dem Film vorwerfen, dass er es irgendwie allen recht machen will, um selbst keine Position zu beziehen. Aber vielleicht ist dieser Zustand einer allgemeinen postheroischen Kriegsmüdigkeit auch die Stärke von 7 Days in Entebbe. Vom Glamour des Terrors und vom Spektakel der militärischen Special Operation bleibt wenig übrig, die beiden Deutschen sind eigentlich verkniffene Kleinbürger ohne jede Sexyness und Rabin und Peres müde, alternde Männer. „High sein, frei sein, Terror muss dabei sein“ verhieß eine damals beliebte Parole, aber die angestrengt vor sich hinbrütenden Rosamund Pike als Brigitte Kuhlmann und Daniel Brühl als Wilfried Böse taugen so gar nicht zur glorreichen Partisanenromantik. Kein „Thunderbold“, sondern „Battle Fatigue.“

7 Days in Entebbe
USA/UK 2018
Regie: José Padilha

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