SchalldämpferReview: Der neue Kopfhörer Studio 3 Wireless von Beats By Dre
16.10.2017 • Technik & Wissen – Text: Thaddeus HerrmannBei Beats by Dre widmet man sich aktuell der Geräuschunterdrückung. Für Kopfhörer, die vor allem unterwegs und nicht auf der Couch zum Einsatz kommen, ist das ein Feature, an dem kein Hersteller wirklich vorbei kommt. Die Welt da draußen ist einfach zu laut geworden. Auch wenn der Studio 3 Wireless von außen aussieht wie immer: Die Technik im Inneren ist neu. Das „Pure ANC“ passt das Noise Cancelling in Echtzeit an die Art der Umgebungsgeräusche an. Auch wie der Kopfhörer sitzt, wird dabei überwacht und der Sound entsprechend optimiert. Wie das klingt und funktioniert? Thaddeus Herrmann hat es ausprobiert.
Seit dem Herbst 2016 sitzt man bei Beats by Dre auf einer theoretischen Goldgrube. Nicht, dass Apples Kopfhörer-Sparte noch mehr Geld verdienen müsste, faktisch ist es aber das große B, das eine der besten Erfindungen aus Cupertino nutzen und ausschlachten kann: den W1-Chip, einen neuen Bluetooth-Controller, der drahtlose Headphones und InEars nicht nur deutlich schneller mit iPhone, iPad und MacBook koppelt, sondern auch die oftmals leider noch zum Alltag der kabellosen Freiheit gehörenden Verbindungsabbrüche und Aussetzer überzeugend auf das Abstellgleis der Technikgeschichte geschoben hat. Denn: Neben den AirPods von Apple selbst sind aktuelle Beats-Produkte die einzigen, die mit diesem Chip ausgerüstet sind. Drei Produkte, um genau zu sein. Der Solo3 Wireless, der klassische OverEar im bekannten Design, der BeatsX, ein wirklich guter InEar und der Powerbeats3 Wireless, die Sportvariante. Nun kommt mit dem Studio3 Wireless ein neues Modell: natürlich auch mit dem W1-Chip, vor allem aber mit aktiver Geräuschunterdrückung (ANC). Das ist zwar kein Neuland für die Apple-Tochter, in der dritten Version des Studio soll jedoch alles besser werden. Beats nennt das Noise Cancelling jetzt „Pure ANC“.
Pure ANC? Wer sich mit den Details nicht auseinander setzen will – und wer will das schon –, dem wird ein funky Automatismus versprochen. Die Geräuschunterdrückung wird nicht nur aktiv, sondern vor allem adaptiv in Echtzeit an die jeweilige Umgebung angepasst. Mehrere Mikrofone sind dafür im Einsatz: an, aber auch in den Ohrmuscheln. Erstere drücken die Geräusche auf der Straße, im Flugzeug oder in der Bahn weg, letztere achten darauf, wie die Headphones auf dem Kopf sitzen und passen den Klang daraufhin an. Ein Feature, das Brillenträgern und langhaarigen Lockenköpfen genauso besseren Sound verpassen soll wie Sofamuffeln, die sich im Halbschlaf genüsslich umdrehen und die eine Ohrmuschel dann vielleicht nicht mehr so gut sitzt. Alles automatisch. 50.000 Impulse pro Sekunde sollen sicherstellen, dass genau dieses Versprechen auch eingelöst wird.
An, auf, aus
Zwar ist das Design der Bügelkopfhörer von Beats by Dre mittlerweile legendär (wenn auch nach wie vor streitbar), es nach so vielen Jahren auch 2017 immer noch nicht anzufassen und zu überarbeiten – neue Materialen auszuprobieren oder an der Passform zu arbeiten – ist schon merkwürdig. Mit persönlich passt der Studio3 Wireless gerade so, glücklicherweise jedoch sind die Ohrpolster polsterig und auch das Kopfband weich genug, um ihn über längere Zeit problemlos tragen zu können. Dennoch sitzen die Ohrmuscheln ordentlich tight, so dass – der Studio3 Wireless ist natürlich ein geschlossener Kopfhörer – die Außenwelt bereits dann in den Hintergrund treten lässt, wenn noch gar keine Musik läuft, geschweige denn die Geräuschunterdrückung angeschaltet ist. Entsprechend unspektakulär ist in meinem Falle der hörbare Unterschied, wenn das Pure ANC aktiviert ist. Wahrnehmbar, klar, aber der große Aha-Effekt bleibt zunächst aus. Andere Ohren mit anderen Hörschäden mögen hier jedoch zu vollkommen anderen, deutlich greifbareren Ergebnissen kommen.
Dass hier aber tatsächlich schnell reagierende Algorithmen zum Einsatz kommen, hört (sic!) man, wenn man sich einem der Szenarien aussetzt, in denen viele Kopfhörer mit Geräuschunterdrückung kläglich versagen. In der U-Bahn zum Beispiel, direkt an den Türen. Wenn die zugehen, ist das Schließgeräusch oft unangenehm laut und klingt künstlich verstärkt. Hier schlägt sich der Studio3 Wireless überraschend gut und gleicht diese Explosionen besser aus als viele andere. Womit der Kopfhörer jedoch nicht umgehen kann, sind Windgeräusche. Ein Grundproblem aller Noise-Cancelling-Headphones: Pfeift der Wind um die Mikrofone herum, versagt jeder Algorithmus. Dafür bleibt der Trittschall außen vor.
Beherzter Druck auf allen Ebenen
Bedient wird der Kopfhörer ausschließlich über die linke Ohrmuschel. Hier ist das B eine Multifunktionstaste, eine herrlich oldschoolige Taste. Eine berührungsempfindliche Oberfläche sucht man hier vergebens, Wischgesten jeder Art (für lauter oder leiser, Vorspulen etc.) sind nicht vorgesehen. Einmal drücken startet bzw. stoppt die Wiedergabe, zweimal drücken startet den nächsten Track, dreimal den vorherigen, ein langes Drücken aktiviert Siri auf dem iPhone. Die Lautstärke wird über die obere und untere Kante des runden Knopfes eingestellt. Der Knopf macht dabei ordentlich Klickgeräusche, und wenn man nicht vollkommen weggeballert nach Hause torkelt, trifft man die richtigen Bereiche auch gut. Die Geräuschunterdrückung lässt sich über den An/Ausknopf des Kopfhörers zu- und abschalten.
Wie so oft bei Beats passiert die Action auch hier eher in den Mitten und im Bass.
Natürlich „drückt“ auch der Klang des Studio3 Wireless. Sonst wäre er ja kein Beats-Kopfhörer. Der neue Studio ist derartig laut, dass alles über 50 Prozent wirklich jenseits von gut und böse ist. Also: leise gemacht und versucht, das Tuning zu verstehen und zu analysieren. Geholfen hat mir dabei der Sony MDR-1000X, der mit einer UVP von 350 Euro genauso viel kostet, wie der Studio3 Wireless. Ein angemessener Vergleich, erzählte mir doch neulich erst der Chef von Beats, dass er persönlich Sony-Kopfhörer sehr schätze. Wie so oft bei Beats passiert die Action auch hier eher in den Mitten und im Bass. Die Höhen spielen eine untergeordnete Rolle, was bei der anliegenden Maximallautstärke durchaus nachzuvollziehen ist: Dieses Klirren könnte Fenster zum Bersten bringen. Der Sound des neuen Studio ist trotz allem homogen, gut justiert und dem des Sony-Equivalent nicht unähnlich. Abzüge gibt es aber für die Räumlichkeit, der Studio3 Wireless puncht eher aus der Mitte heraus, wovon aktuelle Produktionen durchaus profitieren. Der Bass – genereller Streitpunkt bei Beats-Produkten – ist überraschend zurückhaltend, wirkt mitunter sogar etwas schlaff. Will sagen: Die richtigen und wichtigen Resonanzen werden im Klangbild nicht soweit ausgefahren wie man es sich wünscht. Dieser Moment zum Beispiel, wenn die Kick der 808 gar keine Bassdrum mehr zu sein scheint, sondern nur noch dieses alles erschütternde Flirren. Dieser Moment findet beim Studio3 Wireless nicht wirklich statt. Man spürt förmlich, dass die Treiber erst Vollgas geben und dann kurz vor knapp nicht mehr können. Das ist ein bisschen schade. Als unangenehm empfinde ich den Klang aber trotzdem nicht. Es entspricht nicht meinem Wunsch-Tuning, ich kann aber mittlerweile sehr gut die Motivation dahinter verstehen und glaube auch zu wissen, warum genau dieser Sound so gut ankommt. Dennoch sollten sich die Entwickler bei Beats daran machen, mit diesem Quasi-Standard zu brechen – kopiert wird er ja eh schon von allen – und sich Gedanken darüber machen, wie der nächste Entwurf aussehen könnte. Mitbewerber, die sich dem Bass eher aus der HiFi-Ecke angenähert haben – Sony zum Beispiel –, liefern immer noch die überzeugenderen Ergebnisse.
Nachhaltige Langstrecke
Aber der Studio3 Wireless will gar kein HiFi sein. Er ist kein Allrounder, sondern ein wirklich auf aktuellen Pop, HipHop und Dance zugeschnittener Kopfhörer, auf dem alles von Indie bis Podcasts auch angemessen klingt. Dafür punktet er mit drahtloser Verlässlichkeit und einer wirklich epischen Batterielaufzeit. Beats selbst gibt 22 Stunden mit aktivierter Geräuschunterdrückung an – ich habe keinen Grund, diesen Wert anzuzweifeln. Das reicht für einmal um die Welt und zurück. Sorgen mache ich mir eher um das mittlerweile wirklich olle Design. Das muss doch auch denen mittlerweile sprichwörtlich aus den Ohren rauskommen, die es eigentlich toll finden. Interessant ist auch, dass Beats – als Teil von Apple – all das komplett zu verweigern scheint, was der Mutterkonzern radikal bei anderen Produkten umsetzt. Die Ladebuchse am Studio3 Wireless ist microUSB. Kein Type-C und kein Lightning. Und das Audiokabel, das natürlich mitgeliefert wird, endet auf 3,5mm Klinke. Dem Anschluss also, den Apple vor drei iPhone-Generationen gekillt hat. Ganz schön Revoluzzer-mäßig eigentlich. Vielleicht lagen davon aber auch einfach noch 4,5 Millionen Stück irgendwo rum.