Review: BeatsX – neue InEar-Kopfhörer von Dr. DreDrahtlos mit Kabel
22.2.2017 • Technik & Wissen – Text & Fotos: Thaddeus HerrmannMit dem BeatsX kommt der letzte Kopfhörer der aktuellen Beats/Apple-Kollektion in den Handel, der dank des W1-Chips perfekte Verbindungsqualität und lange Akkulaufzeit garantieren soll. Hat sich das Warten gelohnt?
Die Zukunft ist ein steiniges Pflaster. Seit Jahren verspricht uns ein Teil der Audio-Branche das drahtlose bessere Morgen, keine zu kurzen Kabel mehr, keine zu langen, keine verhedderten: Weg damit! Gibt doch Bluetooth.
Aber Bluetooth ist Schrott. Auch wenn die Übertragungsbandbreite immer besser und somit tatsächlich auch Audio brauchbar wird, scheint es immer noch so gut wie unmöglich zu sein, zwischen Kopfhörern und Smartphone eine verlässliche Verbindung herzustellen, also eine, bei der eben jene Verbindung nicht einfach abbricht. Was für Mäuse und Tastaturen funktioniert, ist bei Headphones oft genug ein Griff ins Audioklo. Offenbar sind die Empfänger in den Ohrmuscheln einfach zu schwach, um auch nur ansatzweise damit klarzukommen, dass man sich spontan dazu entscheidet, das Telefon von der einen in die andere Hosentasche umzubetten. Ist aber auch frech von uns Käufern. Was bilden wir uns denn ein?
Genau dieses Techno-Voodoo hat Apple (of all companies) mit dem W1-Chip praktisch voll und ganz gelöst. Vielleicht plaudert ein Techniker aus Cupertino ja mal aus, wie es dazu kommen konnte und vor allem, warum das so lange gedauert hat. Fakt ist: Es geht voran mit Bluetooth und dem Beamen von Musik. Alles, was es dafür braucht, sind Kopf- und Ohrhörer von Apple oder Beats. Apple selbst packt den Chip bislang nur in die AirPods, ein spannendes Stück Technik, das aber ob der Bauform einfach nicht allen Menschen ins Ohr passt.
Oder man nimmt eins von drei Modellen von Beats: den Solo 3 Wireless, die neuste Version des bekannten Panzers, die Powerbeats, dezidierte Sportkopfhörer im InEar-Design, oder eben den BeatsX. Auch InEars, funkt via Bluetooth mit dem Telefon oder sonstigen Quellen. Die beiden Ohrstücke jedoch sind, anders als die komplett drahtlosen AirPods, mit einem Kabel verbunden, das im Nacken baumelt. Auch eher so die Sportnummer, dabei aber ziemlich casual. Dass alle drei Modelle was können und es Zeit wird, sich von seinem Negativ-Bild von Beats langsam aber sicher zu verabschieden oder es sich zumindest lohnt, es nochmal zu überprüfen: Davon konnte ich mich schon im vergangenen September überzeugen. Die BeatsX haben jedoch noch ganz schön lange in China gechillt, bis sie mal das richtige Container-Schiff gefunden hatten. Jetzt kann man sie für 150 Euro kaufen.
Krisengebiet InEars
InEars sind für viele Menschen fast so problematisch wie Bluetooth. Wer diese Ohrhörer, deren Gummipfropfen sich tief in den Gehörgang graben, als das persönliche Nonplusultra auserkoren hat, braucht zunächst zwei Dinge: Leidensfähigkeit und Zeitmanagement. Es dauert eine Weile, bis man die richtige Größe der Silikon-Aufsätze gefunden hat – rauf damit, rein ins Ohr, wieder raus aus dem Ohr, runter damit, vom Tisch gefallen, man kennt das. Wenn InEars nicht richtig sitzen, dann klingen sie noch schlimmer als die Teile, die im MediaMarkt für 3,95 Euro an der Kasse in fancy Blister-Verpackungen hängen. Oft helfen die so genannten Wingtips dabei, etwas skurril aussehende Häkchen, den Ohren von Mr. Spock und denen der Ewoks nachempfunden, die den InEars in der Ohrmuschel zusätzlichen Halt geben. Beats legt den BeatsX drei Pfropfen in unterschiedlichen Größen und Designs bei (fast ein bisschen knauserig, das Zubehör anderer Hersteller ist oft so umfangreich, dass es für eine Partie Poker reicht) und zwei Sätze Wingtips. Nach vergleichsweise kurzer Zeit hatte ich die richtige Kombination gefunden, die BeatsX saßen und sitzen bombenfest in meinen Ohren, drücken erfreulicherweise auch nicht (noch so eine Sollbruchstelle) und – noch wichtiger – verrutschen nicht. Sprich: flutschen nicht wieder aus dem Ohr hinaus.
Dass das so ist, ist vor allem dem Design geschuldet. Haste Bluetooth, brauchste Strom, also einen Akku. Und genau der wird oft genug in der integrierten Fernbedienung platziert. Was dazu führt, dass die eine Seite der InEars deutlich mehr Zugkraft hat als die andere. Was wiederum dazu führt, dass diese Seite schnell und regelmäßig aus dem Ohr rausfällt, zumindest aber locker sitzt und dann wieder den Sound produziert, den uns der MediaMarkt für 3,95 Euro ... ist verstanden, oder? Gut.
Beim BeatsX ist die Akkulast gleichmäßig in zwei Ausbuchtungen im Kabel verteilt, links und rechts, ein ausgeglichenes Kräfteverhältnis, das die oben genannten Probleme verhindert. Hätte man schon vor Jahren drauf kommen können, hat aber meines Wissens noch kein Hersteller so umgesetzt. Auf die Fernbedienung muss man dennoch nicht verzichten, die dängelt kurz unter dem linken Ohr, bringt das austarierte Gewicht nicht durcheinander, sprich: wiegt nichts. Der Druckpunkt der drei Taster ist so lala, aber vollkommen ausreichend, das integrierte Mikro überträgt die eigene Stimme bei Telefonaten laut und deutlich. Das Kabel, das beim BeatsX alles zusammenhält, ist hinter dem Nacken weich, flachbanding und doch robust, zu den Ohrstücken hin wird es deutlich dünner, kann sich aber dank der Flunder-Optik nicht verheddern.
Geladen wird der BeatsX über einen Lightning-Stecker. Das hierfür benötigte Kabel liefert Beats mit. In nur fünf Minuten kann so Strom für eine Stunde Musik getankt werden, die Gesamtladezeit liegt unter einer Stunde, die Laufzeit laut Beats bei acht Stunden. Ein Wert, den ich nicht wirklich erreicht habe, einen Tag lang kommt man aber dennoch locker hin. Wollen wir uns hier die Grundsatzdiskussion ersparen, ob es Kopfhörer braucht, die man aufladen muss? Danke! Denn worum es wirklich geht, ist Folgendes: Die Akkulaufzeit des BeatsX ist dank W1-Chip deutlich besser als bei vielen vergleichbaren miniaturisierten Boomboxen für die Ohrkanäle, oder liegt zumindest auf Augenhöhe.
(K)ein Klangwunder
Der Sound der BeatsX geht vollkommen in Ordnung. Positiv fällt auf, dass hier keine Frequenzen maßlos überbetont werden. Es ist einfach alles da, einzig in den Höhen wird es ab und an ein wenig klirrig, das hängt aber sehr von der Musik oder vom Podcast ab. Für so kleine Steckerlein mit so geringem Gewicht, also entsprechend wenig Platz für die Treiber, macht Beats hier eigentlich alles richtig. Wunder darf man nicht erwarten, auch wenn man die bei einem Preis von 150 Euro vielleicht erwarten möchte, jedoch allein schon durch die gute Abschirmung der Silikonaufsätze fühlt man sich nah dran am Sound. Umgebungsgeräusche verschwinden zwar nicht, werden aber gut genug gefiltert, um das Adagio beim einfahrenden ICE immerhin noch erahnen zu können. Dass Beats hier nicht den Bass hochgeschraubt hat, kann man den Ingenieuren gar nicht hoch genug anrechnen. Gegen die AirPods von Apple gewinnt der BeatsX mehr als deutlich, auch wenn dieser Vergleich ob der vollkommen anderen Bauart natürlich unverschämt ist und somit sofort zurückgezogen wird.
Genauso überragend wie bei den AirPods ist auch beim BeatsX die Verbindungsstabilität. Wenn dieser Text online geht, hatte ich die Ohrhörer knapp zwei Wochen lang jeden Tag in den Ohren – nicht ein einziger Dropout. Das Pairing mit dem iPhone funktioniert genauso schnell und einfach wie bei den AirPods, danach kann der BeatsX auch sofort am Mac genutzt werden, ein aktuelles Betriebssystem vorausgesetzt. Das ist schon alles ganz convenient, Android-User müssen auch nicht leiden, High-Five im Pool von Dre.
Der BeatsX lohnt einen Blick für all diejenigen, die gerade auf der Suche nach neuen InEars sind, die leicht und praktisch sind. Das Wettrüsten ist ja seit geraumer Zeit auch in dieser Produktkategorie in vollem Gange. Was in der Regel aber nur dazu führt, dass man sich erst ein experimentelles Metall-Piercing ins Ohr hängt und dann taub wird. Der BeatsX ist nichts davon. Der Preis von 150 Euro ist zwar nicht okay (100 Euro wären deutlich angemessener), aber auszuhalten. Gerade – und das rafft irgendwie immer noch keiner – weil hier Bluetooth-Probleme aus dem Weg geräumt werden, mit denen alle anderen Hersteller immer noch kämpfen.
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