Review: Amazon Kindle Oasis (2017)E-Book-Luxus, 2.0

Review Kindle Oasis 2017 - lede

Wenn es um E-Books geht, kommt man um Amazon nicht herum. Der Online-Händler hat das Format populär gemacht und bietet heute die umfangreichste Auswahl an. Zum zehnjährigen Geburtstag des Kindle – Amazons eigenem Lesegerät – hat man nun die Luxusklasse überarbeitet, den Kindle Oasis. Verbesserungen gibt es reichlich. Ob die jedoch den immer noch hohen Preis rechtfertigen? Thaddeus Herrmann hat das Gerät vor dem Verkaufsstart ausprobiert.

Als Amazon im vergangenen Jahr den Kindle Oasis auf den Markt brachte, war es nicht ganz einfach, den E-Reader einzuordnen und einzuschätzen. Sehr dünn, sehr schick, aber auch sehr teuer – zu teuer für so ein Lesegerät. Aber weil Design und Verarbeitung mittlerweile mit die wichtigsten Verkaufsargumente der Consumer Electronics sind, nahmen die Entwickler einen beherzten Schluck aus der Pulle und drehten frei. Der Oasis war ein Halo Device, ein Vorzeigeobjekt, der aus Aluminium gefräste Beweis, dass auch E-Reader sexy sein können. Leider war der Oasis aber so dünn, dass ein großer Teil des Akkus nicht im Gerät selbst, sondern im Case untergebracht werden musste. Leider war der Oasis trotz seines Preises von 290 Euro nicht wasserdicht. Und leider sind die preiswerteren Kindle-Modelle weder dick noch schwer oder besonders hässlich. Glaubhaft verargumentieren ließ sich der Kauf des Oasis also nicht.

Ende November kommt nun die zweite Version des Oasis in den Handel. Ja, Amazon hat weiter entwickelt und das Projekt nicht in die „Schade, aber toll“-Schublade gesteckt. Stattdessen wurden Schwächen beseitigt, neue Features integriert und: der Preis wurde gesenkt. Den neuen Oasis gibt es ab 230 Euro. Immerhin.

Am 19. November wird der Kindle zehn Jahre alt. Zwar verkaufte Amazon 2007 schon längst nicht mehr nur ausschließlich Bücher, die Vorstellung des ersten Lesegeräts stand jedoch stellvertretend für einen Paradigmenwechsel beim Online-Händler, dessen Ausmaße man erst in den folgenden Jahren langsam erkennen konnte. Eigene Hardware, eigenes Ökosystem, eigene Medienproduktion. Vor lauter Alexa, FireTV und Prime Video spielen die E-Reader mittlerweile fast schon eine untergeordnete Rolle, auch weil die Verkaufszahlen von E-Books in Deutschland rückläufig sind. Doch ein Blick in die morgendliche S-Bahn zeigt ein anderes Bild. Es wird ge-e-readert, was das Zeug hält. Also: Luft nach oben, was die Hardware angeht. Bei den Smartphones hat es ja auch geklappt.

Mein eigenes Verhältnis zu E-Books ist hingegen unentschiedener denn je. Den vollständigen Switch zum Digitalen habe ich nie vollzogen, es gab aber durchaus eine Zeit, in der ich Bücher fast ausschließlich auf dem Kindle gelesen habe. Das hatte vor allem damit zu tun, dass ich vornehmlich englischsprachige Literatur lese und deren digitalen Versionen fast schon unvorstellbar preisgünstig waren. Wilder Westen. Einer gedruckten Erstausgabe im Rough Cut konnte ich dennoch nur selten widerstehen. Doch in den USA und UK haben die Preise für E-Books mittlerweile deutlich angezogen – eigentlich ein Grund dafür, wieder auf Papier umzuschwenken. Allerdings: Es wird immer schwieriger, schöne Print-Ausgaben aus Amerika und Großbritannien hierzulande im stationären Handel zu finden. Großformatige Taschenbücher dominieren, fast so teuer wie ein Hardcover, nach fünf Minuten im Rucksack zerfleddert. Früher gab es diese Ausgaben nur bei WHSmith am Londoner Flughafen Heathrow, als „Airport Exclusive“. Kurz und gut: Egal, wie ich es aktuell mache, ich mache es falsch. Teures E-Book, teures Paperback: Beides ist nicht nicht geil, aber Raum für einen teuren E-Reader ist da noch.

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Was ist neu?

Amazon versucht mit mehreren Kniffen, die E-Leser für den neuen Oasis zu begeistern. Der Akku ist nun vollständig im Kindle untergebracht, auf die Extrapower in der Schutzhülle kann man verzichten. Check. Das Display wächst von sechs auf sieben Zoll. Mehr Screen ist immer gut, auch wenn einem das anfangs gar nicht auffällt. Aber, okay: Check. Auch die Display-Beleuchtung soll noch besser und gleichmäßiger sein, weil Platz für mehr LEDs ist. Kann man so abnicken. Die beiden wirklich wichtigen und interessanten Neuerungen kommen aber erst jetzt: Zum einen ist der 2017er-Oasis der erste wasserdichte Kindle überhaupt. Diesen Trend hat Amazon in den vergangenen Jahren komplett verschlafen. Warum? Weiß nur Jeff Bezos. Die Mitbewerber fanden es super und bieten schon länger Lesegeräte an, die in die Badewanne oder den Pool fallen können. Nun schließt Amazon auf – hoffentlich bald auch bei anderen, preisgünstigeren Geräten. Wer es genau wissen will: Dank IPX8-Zertifizierung kann der neue Oasis theoretisch bis zu einer Stunde in der Badewanne überleben beziehungsweise in einer Wassertiefe von bis zu zwei Metern. Salzwasser bleibt jedoch tabu.

Noch nicht disruptiv genug? Vielleicht hilft ja das nächste neue Feature. Ein E-Reader ist ein so genanntes single purpose device, sprich: Er zeigt Text an und gut ist. Eigentlich ein Riesenvorteil beim Lesen und auch das Hauptargument für den Kindle und gegen die Nutzung der App auf dem Telefon oder Tablet. Auf dem Kindle wird man nicht abgelenkt. Hier laufen keine Benachrichtigungen auf, hier klingelt nichts, hier lockt keine andere App. Fokus, Konzentration. Möge die Mailbox überlaufen, sollen Slack und Facebook doch explodieren: All das bekommt beim bei einem Kindle einfach nicht mit. Zwar bricht Amazon auf dem neuen Oasis damit nicht, begreift Bücher aber gleichzeitig nicht mehr ausschließlich als Text. Auf diesem E-Reader lassen sich auch die Hörbuch-Versionen speichern.

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Beide Formate verknüpft man bei Amazon schon seit längerer Zeit. Immerhin gehört der Hörbuch-Riese Audible zum Unternehmen dazu. So gab es Audio- nach Kauf der E-Books erstens mit Rabatt und zweitens synchronisierten sie sich automatisch über die so genannte Whispersync-Technologie. So konnte man an der Stelle weiter hören, an der man aufgehört hatte zu lesen und umgekehrt. Doch die Files der Hörbücher hatten bislang keinen Platz auf dem E-Reader und lagerten auf dem Smartphone. Überhaupt kein Problem, aber ein Affront in Sachen digitaler convenience.

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Um ausreichend Platz für die Dateien vorzuhalten, hat der neue Oasis in der Grundversion nun auch acht statt vier GB Speicher. Eine Variante mit 32 GB wird ebenfalls verkauft, auf Wunsch (und gegen Aufpreis) dann auch mit einer SIM-Karte, mit der man weltweit Content über das Mobilfunknetz laden kann. Liegen beide Versionen des Buches vor, prangt unten rechts auf dem Display ein Kopfhörersymbol, mit dem sich zur Audio-Variante wechseln lässt. Auf einen integrierten Lautsprecher verzichtet Amazon, Kopfhörer oder Lautsprecher werden über Bluetooth gekoppelt. Lesen und Hören gleichzeitig ist merkwürdigerweise nicht vorgesehen. Bizarr, denn das könnte gerade bei fremdsprachigen Inhalten helfen, den Überblick zu behalten und zu lernen. Und auf dem Smartphone ist der parallele Medienkonsum kein Problem.

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Am Design des Oasis hat Amazon nichts verändert. Mit 194 Gramm ist das Lesegerät wunderbar leicht und liegt dabei bestens in der Hand. Auf der Unterseite findet sich nach wie vor der „Buckel“, der für noch mehr Halt sorgt. Navigiert wird über den Touchscreen, die beiden Tasten neben dem Display erleichtern das Umblättern, wenn man den Oasis nur in einer Hand hält. À propos halten: Hoffentlich nur beim vorliegenden Testgerät sind die Kanten zwischen Gehäuse und Display unangenehm scharf, der Rundumschliff ist zudem ungewöhnlich unregelmäßig. Das fühlt sich nicht besonders comfy an und spiegelt auch nicht den Highend-Anspruch wider, den man bei 230 Euro erwarten darf.

Und wo wir schon bei den Preisen sind: Da man auf den Akku in der Schutzhülle verzichten kann, kosten die jetzt extra – 45 bzw. 60 Euro. Damit ist der Preis der letztjährigen Version also schon wieder erreicht. Mit 32 GB werden 250 Euro fällig, und wer zusätzlich die SIM-Karte und UMTS will, geht mit 320 Euro an den Start. Hörbucher hin oder her – so viel muss ein E-Reader nicht kosten. Aber: Bei den Smartphones hat es ja eben auch geklappt. Immerhin: Wer sich bereits den ersten Oasis gekauft hat, kann durchatmen. Denn auch der kann demnächst Hörbücher speichern.

Was bleibt? Ein tolles Gerät, das sich vor allem an diejenigen richtet, denen Geld eh egal ist oder die den größtmöglichen Komfort wollen. Wird man an einer Hand abzählen können. Genau wie die, die sich früher vom Butler die morgendliche Zeitung haben bügeln lassen, damit die Finger frei von Druckerschwärze blieben.

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