Native Instruments stellt neues Audio-Format vor„Stems“ bietet Digital-DJs Zugriff auf Einzelspuren aus Musikstücken
30.3.2015 • Technik & Wissen – Text: Thaddeus HerrmannWer mit Traktor auflegt, muss schon lange kein klassischer DJ mehr sein. Zu viele Möglichkeiten. Loops, Effekte und zahlreiche Sound-Quellen lassen die Grenze zwischen Discjockey, Remixer und Musiker immer mehr verschwimmen. Mit „Stems“ soll dieser Wandel jetzt weiter vorangetrieben und den Labels extra Geld in die vermeintlich leeren Kassen gespült werden.
Ein Stück Musik, das ist heute in der Regel eine Stereo-Datei, verpackt und komprimiert, bereit angehört zu werden. Das ist die Realität, mit der sich auch Digital-DJs abfinden müssen. Ein File ist ein File, da führt kein Weg dran vorbei. Zwar lässt sich Song oder Track in einer Software wie „Traktor“ oder „Serato“ umfangreich bearbeiten, an die einzelnen Elemente der Musik ist jedoch kein Rankommen. Die Bassline zum Beispiel ist nur dann „solo“ zu hören, wenn Produzentin oder Produzent das auch so wollte, es musikalisch Sinn macht. Mit „Stems“, einem neuen Audio-Format, will Native Instruments das jetzt ändern. Im Sommer geht's los. Auf der Winter Music Conference in Miami gab es eine erste Preview.
Ein „Stem“ ist in der Musikproduktion ein eingeführter Begriff. Er bezeichnet eine Datei, in der z.B. alle Rhythmus-Instrumente oder alle Streicher aus dem kompletten Werk ausgegliedert werden. So können Musiker und Produzenten, vor allem aber diejenigen, die für den finalen Mix eines Stücks zuständig sind, diese Segmente ungestört abhören, auf Fehler prüfen und z.B. EQ-Einstellungen vornehmen, damit sich dieser Part besser in das Gesamtbild des Songs einpasst. Auch beim Mastering von Musik werden Stems immer wichtiger.
Der Ansatz von Native Instruments ist der gleiche. DJs bekommen zukünftig Zugriff auf Einzelspuren, also bestimmte Elemente aus Tracks, die nicht nur einzeln bearbeitet, sondern auch gemixt werden können. Möglich wird das mit einer von NI initiierten Open-Source-Lösung. So können Musiker, Labels, aber auch DJs die Stems mit einer speziellen Software selbst erstellen. Der massentaugliche Unterschied zum Stem im Studioalltag ist dabei, dass im „Stem Creator Tool“ die vier Spuren bestimmt werden, die zur Verfügung stehen sollen. Der Track (Native Instruments nutzt das .mp4-Format) als Ganzes bleibt dabei aber erhalten und kann ganz regulär gespielt werden, auch in DJ-Sets. Wer die Einzelspuren nutzen will, braucht zertifizierte Soft- und Hardware. Native Instruments' „Traktor“ wird die erste Plattform sein, die das Format unterstützt, soll jedoch nicht die einzige bleiben, denn das Berliner Unternehmen wird den Quellcode von Stems zum Download zur Verfügung stellen. So könnte die Technologie auch in anderen Software-Lösung integriert werden.
Wie schnell „Stems“ von der Branche angenommen wird – und ob überhaupt – bleibt abzuwarten. DJs werden sich über die neuen Möglichkeiten sicher freuen. Auch zahlreiche Labels haben bereits Interesse bekundet und wollen zum Start im Juni entsprechende Stem-Pakete als Downloads verkaufen. Dazu gehören z.B. Monkeytown, Infiné, Hypercolour, Mobilee oder Get Physical. Beatport und Juno sind die ersten bekannten Portale, über die die Pakete verkauft werden sollen.