Review: Sofortbildkamera Impossible I-1Instant Fail Photography
6.1.2017 • Technik & Wissen – Text & Fotos: Benedikt BentlerImpossible, bisher als Hersteller von Sofortbildfilmen bekannt, hat letztes Jahr seine erste Kamera auf den Markt gebracht. Redakteur Benedikt Bentler hat die I-1 ausführlich und durchaus hoffnungsvoll getestet. Ein Erfahrungsbericht.
Dass das Impossible Project als jüngster Hersteller von Polaroid- bzw. Sofortbildkamera-Filmen eine eigene Kamera herausbringen würde, war schon länger klar. Mit den Filmen hat das Unternehmen dem Sofortbild bereits zu neuem Hype verholfen, die Entwicklung einer neuen, eigenen Kamera ist – insbesondere mit Blick auf den überschaubaren Hersteller-Markt – nur verständlich. Den Prototyp konnten wir bei unserem Besuch im Hause Impossible im vergangenen Jahr bereits bestaunen, entsprechend groß war die Vorfreude auf das Endprodukt.
Kälte, Entwicklung im Hellen und andere Anfängerfehler
Nach dem Auspacken blieb nicht viel Zeit zur Vorbereitung des ersten Testdurchlaufs. Kurz das wirklich schicke mattschwarze Stealth-Design bestaunt, den Akku geladen, den Film reingetan und gleich ab zum ersten Einsatz: Fototermin mit Brandt Brauer Frick. Unterwegs Überfliegen des Quick-Start-Guides: Am seitlichen Rädchen lässt sich die Kamera ein- und in den Bluetooth-Modus (dazu später mehr) schalten, seitlich des Objektivs kann der LED-Blitz aktiviert und die Belichtung in drei Stufen gewählt werden: heller, neutral, dunkler. Wie diese Belichtungsunterschiede technisch umgesetzt werden, ob per Blende oder Verschlusszeit oder einer Kombination aus beidem, bleibt unklar.
Dass die Einstellungsmöglichkeiten der I-1 so reduziert ausfallen, ist aber zunächst kein Nachteil, liegt in der daraus resultierenden Sorglosig- und Unberechenbarkeit schließlich der Charme der Sofortbildfotografie. Das kurze Shooting fand draußen statt, bei mäßigen, wintergrauen Lichtverhältnissen eines rund drei Grad kalten Novembernachmittags. Eine Temperatur, die der Entwicklung von Sofortbildern eher nicht gut tut, wie ich später feststellen musste. Mit deutlichem Farbstich und viel zu dunkel, waren die Sofortbild-Ergebnisse des Fototermins letztlich unbrauchbar. Einzig der Bildausschnitt passte – diesen mithilfe des Klappsuchers der Kamera einzuschätzen, ist nämlich auch nicht ganz einfach.
Also ging es erstmal in die Sofortbildtheorie der I-1: eine ausführliche Bedienungsanleitung (inkl. Tipps) und ein Faltblatt mit Funktionsübersicht, der erwähnte Quick-Start-Guide, liegen der Kamera bei (wer möchte, kann hier einen Blick in die PDFs werfen). Darin steht zum Beispiel, dass die Fotos nach Belichtung bei Raumtemperatur oder in einer Tasche am Körper, aber immer abgedunkelt aufbewahrt werden sollten, um gute Ergebnisse zu bekommen. Der Fehler sollte mir nicht noch einmal passieren. Weiterhin heißt es, der Blitz sollte immer genutzt werden, sobald man sich in geschlossenen Räumen befindet oder die Sonne nicht scheint. Gesagt, getan. Der abendliche Besuch musste vor die Kamera und wurde auf Schwarz-Weiß gebannt, der Helligkeitsregler durchprobiert: hell, neutral, dunkel. Besser werdende Ergebnisse mit Blitz, erste Vorfreude. Das könnte ja doch noch was werden.
Zu früh gefreut. Wenige Tage später, ähnliche Lichtverhältnisse, Innenraum, Farbfilm. Alle Bilder verschossen, alle Bilder entweder verwackelt, zu dunkel oder zu hell, alle Einstellungen durchprobiert. So sehr ich auch versuchte zu verstehen, welche Lichtverhältnisse gepaart mit welchen Einstellungen zu welchen Ergebnissen führen, es entzog sich jeder Nachvollziehbarkeit. So konnte es nicht weitergehen. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich bereits die zwei der Kamera beiliegenden Filme verschossen, von den zwei zugekauften Filmen – Kostenpunkt knapp 40 Euro – war noch einer übrig. Gute Fotos bisher? Keine Handvoll.
Erste Enttäuschung machte sich breit – gepaart mit Zweifeln an meinen fotografischen Fähigkeiten: War ich vielleicht einfach zu blöd? Bisher konnte ich noch aus jeder Kamera ordentliche Bilder rausbekommen. Anruf bei unserer analog-erfahrenen Das-Filter-Hausfotografin und Illustratorin. „Kommste morgen mit raus, die Impossible I-1 testen?“ „Klar.“
Mit vier Augen, Bluetooth und der App
In doppelter Besetzung, I-1 in der einen und iPhone in der anderen Hand, ging es zum Markt auf dem Hermannplatz. Was bisher nämlich noch gar nicht getestet und genutzt wurde: die Bluetooth-Funktion mit zugehöriger I-1-App. Dreht man das Rädchen zum Anschalten der Kamera noch eine Stufe weiter, geht das Gerät in den Bluetooth-Modus und kann mit der zugehörigen App gesteuert werden. Es gibt einen manuellen Modus, der (mittlerweile) den Sucher der iPhone-Kamera nutzt. Die App ermöglicht nicht nur die vollständig manuelle Steuerung von Blitz, Belichtungszeit, Blende und Schärfepunkt sowie ein ferngesteuertes Auslösen, sondern auch Spielereien wie Mehrfach- und Langzeitbelichtungen (Color Paint), und akustisches Auslösen. Außerdem hat sie eine Scanfunktion, mit der die Polaroids abfotografiert und mit Metadaten versehen werden können – ganz im Sinne der weltweiten und teilungsfreudigen Polaroid bzw. Lomographie-Community.
Zurück zum Hermannplatz.
„Polaroids schießen und das Handy zur Hilfe nehmen? Dafür gibt’s doch Instagram.“
Unterschiedliche Motive, Portraits, Stände, die mittige Statue. Wir halten drauf, so viel wie geht – also acht Mal. Wir probieren es mit der App, einer hält die Kamera, der andere das Handy. Der Belichtungsmesser funktioniert: Dreht man sich mit der Kamera in der Hand, schlagen die Pegel für Verschlusszeit und Belichtung nur so um sich. Gut, dass wir vierhändig unterwegs sind. Denn wie man alleine, mit der Kamera in der einen Hand (und durch den Sucher blickend) gleichzeitig die Parameter auf dem Handydisplay in der anderen kontrollieren soll, bleibt kein Rätsel. Es ist schlicht unmöglich. Das haben mittlerweile auch die Macher der I-1 gemerkt und der App mittels Handy-Kamera einen eigenen Sucher verpasst. Wir hatten diesen zwar noch nicht, aber irgendwie spielt das auch nur eine untergeordnete Rolle. Polaroids schießen und das Handy zur Hilfe nehmen? Dafür gibt’s doch Instagram. In meiner Vorstellung kann und will eine solche Praxis gar nicht funktionieren. Als die App dann irgendwann einfach hängenblieb, gaben wir auf. Fun-Fact-Fehlermeldung: „Processing Exposure“. Wie, das gerade belichtete Bild in meiner Jackentasche ist schuld? Die meisten restlichen Fotos des Films, trotz Testen verschiedener Einstellungen, sind blurred.
Letzte Hoffnung, Hausbesuch Impossible
An dieser Stelle hätte man aufgeben können. Da mir die Ergebnisse bei App-Verzicht aber technisch immer noch nicht einleuchteten und ich nicht herausfinden konnte, welche (absoluten) Einstellungen die Kamera in diesem Halbautomatik-Modus eigentlich wählt, fuhr ich bei Impossible Project vorbei. In der Tasche die bisher gemachten Bilder und ein Haufen offener Fragen. Antworten bekam ich, zumindest so halb. So arbeitet die Kamera abseits der manuellen Steuerung und entgegen der anders klingenden Anleitung grundsätzlich mit einer Verschlusszeit von 1/30s. In Abstinenz eines Bildstabilisators muss man schon mit sehr ruhiger Hand gesegnet sein, um hier ein knackscharfes Bild zu bekommen. Zumal auch der butterweiche LED-Blitz zu schwach und eben viel zu weich ist, um ein Bild bei längeren Verschlusszeiten ordentlich einfrieren zu können. Wie man überhaupt auf die Idee kommen kann, eine solche Verschlusszeit zum Standard zu machen, ist schleierhaft – erklärt aber einiges mit Blick auf die unscharfen Bildresultate. Der Ausweg, so wird mir erklärt, sei die App, die nun auch mit Sucherbild (der Handykamera) und einem neuen, besseren Belichtungsmesser ausgestattet ist. Ich halte die Kamera in der linken neben das Handy in der rechten Hand und frage nochmal – weil ich es nicht so recht glauben kann – ob dies wirklich der Weg zum besten Bild sein soll. Jein, man könne ja zusätzlich einen GorillaPod als Stativ nutzen.
Ja. Nein. Resigniert nehme ich zwei letzte Filme für die Bürofeier am Abend mit (die Fotos wurden erwartungsgemäß schlecht) und verlasse das Project.
Failed first Generation
Es fällt schwer, ein hartes Urteil zu einer Technik zu fällen, die man so gern mögen, fast lieb haben möchte. Doch in diesem Fall geht es wohl nicht anders. Wie viel Instant und Charme bleibt denn der Instant-Fotografie, wenn ich erstmal per Bluetooth-Verbindung manuelle Einstellungen tätigen muss – und Motiv und Moment bis dahin längst vergangen sind? Wie viel bleibt überhaupt vom wohltuenden Gefühl analoger Fotografie, wenn das Handy zusätzlich genutzt werden muss? Was bringt mir ein LED-Blitz, wenn seine Leistung zu schwach und sein Licht zu weich ist, um die drei Gesichter auf der abendlichen Party hell und scharf einzufangen? Knallhart gefragt: Was ist überhaupt der von den Machern erdachte Use-Case und welche Zielgruppe hat diese 299 Euro teure Kamera, bei der jedes verschossene Foto mehr als zwei Euro kostet, aber nur jedes dritte oder vierte Bild ein halbwegs akzeptables Ergebnis liefert?
Letzte Hoffnung ist die nächste Generation, die I-2. Wenn sie denn kommt. Eine Lehre ziehe ich jedenfalls aus den Erfahrungen mit der I-1: Eine funktionierende Kamera zu bauen, ist nicht ganz leicht und selbstverständlich, vielleicht sogar impossible, wenn man nicht auf den Erfahrungsschatz und das Kapital eines etablierten Herstellers zurückgreifen kann. Und ein solcher Mangel könnte Impossible zum Verhängnis werden. Premium-Hersteller Leica hat auf der Photokina im September 2016 die „Leica Sofort“ vorgestellt. Ähnlicher Preis, günstigere Filme – bessere Fotos? Mit Blick auf die bisherige Fototechnik der Marke mit dem roten Punkt ist das nicht unmöglich.