Wochenend-WalkmanDiesmal mit Tim Hecker, Rue Royale und MGMT / Matthew Dear

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Jeden Samstag haben wir drei Platten für euch – zumeist drei Tipps, mindestens aber drei Meinungen. Brandneu, wieder entdeckt oder aus der Geschichtskiste ausgebuddelt. Heute mit Tim Hecker, Rue Royale und MGMT im Remix von Matthew Dear.

Tim Hecker Konoyo Cover

Tim Hecker – Konoyo

Ji-Hun: Es gibt wenige elektronische Musiker, die so konstant und hochwertig eine musikalische Idee verfolgen und weiterentwickeln wie Tim Hecker. Was wäre Ambient ohne ihn? „Konoyo“ lautet sein neuntes Album und ist – wie der Titel vermuten lässt – zum Großteil in Japan entstanden. Dort kollaborierte er unter anderem mit dem Gagaku-Ensemble Tokyo Gakuso. Hecker bindet aber nicht nur die frühere Hofmusik Japans in dronige und zugleich luzid-wundersame Harmonien ein. Auch andere akustische Instrumente und vor allem die grandiosen Streicher weiß er präzise getupft und perfekt einzusetzen. Tim Hecker macht seit jeher im doppelten Sinne Kopfhörermusik. Musik, die direkt auf den Ohren besonders gut funktioniert. Weil die Maschinen und Instrumente croonen und eine immersive Welt schaffen, die durch eigene Assoziationen im Kopf erst vervollständigt werden. „Konoyo“ zeichnet sich aber auch durch seinen vitalen Sound aus. Das Rascheln, das Surren, die Glitches, die unvorhersehbaren Modulationen und Dynamiken der Songs – die Sounds wirken so viel lebendiger und wärmer als vieles andere, was heute im Experimentellen musikalisch passiert. Alleine das ist schon speziell. „Konoyo“ ist ein Meisterwerk. Ein Geschenk an die Musik.

Rue Royal Artwork WWalkman 01092018

Rue Royale – In Parallel

Thaddeus: Brookln und Ruth Dekker können mittlerweile auf eine bewegte musikalische Karriere zurückblicken – steht in der Bio der Band aus dem englischen Nottingham, deren Geschichte in den USA begann. Arbeiter. Dauer-Tourer. Keine Bühne auf der Welt war zu klein für ihren gar nicht so kleinen Indie-Pop, der auf dem neuen Album jedoch deutlich spür- und hörbar gen Himmel wächst. Rue Royale, das ist zunächst eine recht traditionelle Angelegenheit. Die aber zum Glück bestens austariert ist. An den Songs gibt es rein gar nichts auszusetzen, wie sie sanft und unaufgeregt an- und abschwellen, oder einfach nur losgehen und irgendwann wieder aufhören. Der Hang zum Melancholischen hält einen bei der Kopfhörerstange. Es ist aber gut, hörend zu beobachten, wie hier die offenkundigen Fallen eines solchen Setups perfekt umschifft werden und so tatsächlich etwas Eigenes entsteht. Besonders augenfällig wird das bei den Vocals, die nie in diese leidend-leiernde Spielart abkippen, die ja immer noch en vogue sind – warum auch immer. Er: klingt immer etwas mumpfig, als hätte er ein Handtuch über dem Mikro gehabt. Sie: konterkariert das mit umso klareren Akzenten, die auch den Raum für die Instrumente aufmachen. So entsteht eine vielschichtige Sound Stage, die von Sean Carey und Zach Hanson hinter dem Pult wie ein Sternenteppich erst genau verstanden und dann passend aufgezeichnet und gemischt wurde. Und mitten drin immer wieder diese tollen Songs.

matthew dear mgmt remix walkman

MGMT - Little Dark Age (Matthew Dear Album Remix)

Benedikt: Ich hatte nie wirklich eine Beziehung zu MGMT. Als popkulturelles Phänomen wurde das Duo aus Andrew VanVyngarden und Ben Goldwasser im Laufe der Jahre zwar irgendwie wahrgenommen – das wars aber auch schon. Anfang des Jahres erschien die aktuelle LP „Little Dark Age“ der New Yorker Band, um gänzlich unbemerkt an mir vorbeizuziehen. Jetzt hat Matthew Dear, der eigenen Aussage nach bekennender MGMT-Fan - natürlich -, sich des dünnhäutigen Synth-Pops angenommen und die Platte von vorne bis hinten durch seinen Maschinenpark geschoben. Was dabei herausgekommen ist, lässt mich seit gestern nicht mehr los. Die Breite des Frequenzspektrums misst das doppelte der Vorlage, Lead-Instrumente und Vocals wurden in Filter gehüllt, die Drums tiefergelegt und das Gesamttempo erhöht. Auch die Pop-Standards auf der Arrangement-Ebene hat der Tausendsassa aus Michigan völlig zerlegt und neu zusammengebaut. „Little Dark Age“ ist zur Elektronik-Platte geworden, mit im Wind flatternden Fransen und einer Verschrobenheit, die dem MGMT-Sound furchtbar gut tut. Und ihn ganz plötzlich interessant macht. Vielleicht sollte man ein Ticket für die anstehende Tour besorgen. Nicht wegen MGMT, sondern wegen des Supports durch den Remixer. Zumal man dessen neues, eigenes Album (als Matthew Dear, nicht Audion) auch in Kürze erwarten darf.

„Wuchtig ist wichtiger als schnell“Musik hören mit: Prequel Tapes

Leseliste 30. September 2018 – andere Medien, andere ThemenWhatsApp, Instant-Nudelsuppe, KI-Autokratie und Good Bye Hambi