Wochenend-WalkmanDiesmal mit Pub, Róisín Murphy und Miki Yui

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Jeden Samstag haben wir drei Platten für euch – zumeist drei Tipps, mindestens aber drei Meinungen. Nicht immer neu, doch immer die Erwähnung wert. Heute mit: Pub, Róisín Murphy und Miki Yui.

Pub Summer EP

Pub – Summer EP

Thaddi: Es gibt eine Handvoll Tracks, die mein Verständnis der elektronischen Musik entscheidend geprägt haben. Pub – Producer aus Schottland – hat gleich mehrere davon zu verantworten. 1999 erschien seine EP „Lick / Lunch“ auf Ampoule, seinem eigenen Label. Leicht verpresst, auf klassisch-grauem Vinyl, war das, was mir da entgegen schallte, so krass sanft und deep, das mir sofort schwindelig wurde. Ein Jahr später – 2000 – erschien dann sein Track „Summer“ auf dem Londoner Label Vertical Form – nicht minder episch. Nun, 20 Jahre später, wird „Summer“ neu veröffentlicht. Endlich. Nicht, weil mir das Original abhanden gekommen ist, sondern weil ich inständig hoffe, dass das Stück von einer neuen Generation entdeckt und lieb gehabt wird. Denn: Heute flirrt, dubbt, glitzert, schimmert und strahlt kaum noch etwas so deep. Wenige Stücke Musik berühren mich auf eine ähnliche Weise. „Time Square Part I“ von G.E.N. vielleicht oder „Twelve Miles High“ von Burger/Ink – diese auf 12" gepressten Road Movies eben. „Summer“ ist genau so ein Track. Die B-Seite ist neu, bzw. exklusiv, also bislang unveröffentlicht. „Fragile Root“ gibt sich zackiger, macht in den Dub mehr Tempo, eine richtige Bassdrum sucht man aber auch hier vergebens.

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Róisín Murphy – Roísín Machine

Benedikt: Vor ein paar Tagen saß ich in einem namenlosen Restaurant, um einen – der Soße sei Dank – grottenschlechten Burger zu essen. Dort lief nicht allzu laut ein Mix, in dem Pop und Perlen von anno dazumal in belanglosen House-Remixen noch viel belangloser zusammengemixt wurden. Und doch war dieser Mix irgendwie das Highlight des Abends, konnte ich mich kaum gegen diese umgehend aufkeimende Sehnsucht wehren. Ein Sommer ohne Clubs und deren Gärten, kein Open Air, geschweige denn ein Festival. Keine Feierei. Die aktuellen COVID-Zahlen lassen zwar vermuten, dass diese Entscheidung richtig war – aber gefehlt hat der Musik-Sommer trotzdem, was sich dann in der einer vagen Melancholie beim Hören des geringsten House-Tunes manifestiert. Aber dann kommt Moloko-Sängerin Róisín Murphy mit diesem Album um die Ecke, verpackt diese zweifelsohne privilegierte Gefühlswelt in Musik und zu einem grandiosen Longplayer zusammen, der bisweilen die Tür zum elektronischen Eskapismus zumindest einen kleinen Spalt breit öffnet. House der 90er und 20 Jahre älterer Disco werden hier auf blitzsauberer Produktion ausgebreitet. Nun ist Róisín Murphy schon lange genug im Geschäft, um die Grooves und Basslines, die einem seit Jahrzehnten das Herz aufgehen lassen nicht anzurühren. Dekonstruktion mal stecken gelassen, dafür das Traditions-Produktions-Portfolio liebevoll und bewusst erweitert, ob mit dem bold wabernden „Kingdom Of Ends“ oder dem reichlich Tech-House gefettetem „We Got Together“, auf das mit „Murphy's Law“ gleich wieder ein Gegenpol folgt. Und diese Stimme ... Es ist schon ziemlich perfekt.

Miki Yui Artwork

Miki Yui – Aperio!

Christian: Miki Yuis Musik minimalistisch zu nennen, ist fast schon untertrieben. Ihre Stücke sind äußerst spärlich arrangiert, Sounds verschieben sich über Minuten oft nur um Halbtöne. In Liaison mit meist ähnlich sparsam eingesetzten Geräuschen entwickeln sich dennoch so etwas wie Mikro-Narrative und benötigen dazu oft nur die überschaubare Länge eines Popsongs. Seit Yui vor rund 20 Jahren von Tokio nach Düsseldorf zog, hat sie diese Klangsprache beständig weiterentwickelt und dabei zu einem Modus der Vagheit gefunden, der sich nicht nur über harmonische Parameter ergibt, sondern auch daher rührt, dass Yui ihre Klangquellen nicht offenlegt. „Aperio“ ist ein Spiel zwischen dem Konkreten und dem Verrätselten: Ob man hier gerade einem Klanggenerator, einem Cello oder doch Field Recordings lauscht, ist schon beim Opener ihres neuen Albums für das Schweizer Label Hallow Ground nur schwer zu entscheiden – dessen Titel „Listening“ macht dann auch gleich deutlich, dass Hörerinnen und Hörern dieser LP ein gesteigertes Maß an Konzentration abgefordert wird. In den sechs folgenden Stücken lässt sich dann eine entrückte Klangwelt entdecken, die niemals abweisend, aber doch immer ein bisschen zu kühl bleibt, um als reine Klangtapete durchzugehen.

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