Wochenend-WalkmanDiesmal mit Julianna Barwick, Azu Tiwaline, Arad

WWalkman-11072020-lede-gif

Jeden Samstag haben wir drei Platten für euch – zumeist drei Tipps, mindestens aber drei Meinungen. Nicht immer neu, doch immer die Erwähnung wert. Heute mit: Julianna Barwick, Azu Tiwaline und Arad.

Julianna Barwick Healing is a miracle Cover

Julianna Barwick – Healing Is A Miracle

Ji-Hun: Julianna Barwick ist mit „Healing Is A Miracle“ ein tolles und zeitgemäßes Album gelungen. Es entstand 2019 in ihrer neuen Wohnung in Los Angeles und erscheint im Festival-Sommer 2020, der bekanntlich keiner ist. Nachdem die vergangenen Alben noch bei Dead Oceans erschienen, ist „Healing Is A Miracle“ die erste Zusammenarbeit mit der Londoner Festung Ninja Tune. Das Hauptinstrument ist die Stimme von Barwick, die geloopt, geschichtet, moduliert und in ephemere Delay- und Hallräume zersetzt, derart zart und doch opulent arrangiert wird, dass der mentale Drift in Utopien nicht lange auf sich warten lässt. Man könnte es auch LoFi-New-Age nennen, trifft die Sache natürlich aber nicht. Dass polyphone, choralhafte, harmonische Gesänge im Pop bei vielen aber unweigerlich schmerzlich an Enigma und Gregorianische Männerchöre denken lassen – ging zumindest mir so. Mir gefällt aber auch die Präzision der Arbeit. Kein Synthesizer wird hier nur zur Dekoration eingesetzt. Dennoch stehen hier cineastische Tiefe und Bombast wie bei Sigur Rós im Bilde. Daher passt es, dass Jónsi von der isländischen Band ein Feature bekommt. Julianna Barwicks Arbeit ist vor allem auch auch eine Ode an die Spiritualität von Musik. Musik kann heilen. So ein großes Wunder ist das vielleicht gar nicht.

Azu Tiwaline Walkman Cover

Azu Tiwaline – Magnetic Service E​P

Benedikt: Ein bisschen laid-back sollte dieses Wochenende klingen. Das hat angesichts eines mindestens angeschrotteten Laptops dann zwar nicht von Beginn an geklappt, aber was nicht ist kann ja werden, und Azu Tiwaline schlägt mit dem Titeltrack auch gleich die richtigen Töne an. Die Percussion der Tunesierin ist tief in der Musiktradition Nordafrikas verankert, wird dann aber ganz tief in Dub getränkt. Das tatsächliche Blubbern und Plätschern in „Terremer“ macht das Gefühl des verwaschenen Unter-Wasser-Sounds dann auch konkret. Und obwohl die Bässe tief sind, die Texturen dicht und die Pattern nie ganz ganz vorhersehbar sind, stellt sich eine eigenartig meditatives Gefühl ein. Wenn ich mich recht entsinne, war die Berbermusik ja nicht nur die Musik für festliche Anlässe, sondern wurde auch als musikalische Untermalung meditativer Übungen gespielt. Mein diesbezügliches Halbwissen verknüpft hier etwas. Ob das passt oder nicht, vermag ich nicht zu sagen. Aber die EP wird direkt nochmal gespielt, denn sie ist toll.

Arad Artwork

Arad – Radiance Haze EP

Thaddeus: Arad ist das Pseudonym von Dara Smith, den man von seinen gemeinsamen Arbeiten mit Ian McDonnell als Lakker kennt. Au dieser EP für das Label Voitax nimmt er sich dem Breakbeat-Universum alleine an. Kein Amen-Gemosche, keine sonstigen durcherzählten Klischees, sondern vielmehr neu gedachte Ansätze mit den Samples und rhythmischen Strukturen des Genres, gepaart mit Lyrics, fast schon Songwriting und jeder Menge düster-epischem Sound Design. Nun ist das Düstere dem Breakbeat ja nicht fremd, im Gegenteil. Arad findet gerade mit seinen Vocals aber einen neuen Twist, um diese Mischung neu und frisch hinzustellen. Die sechs Tracks dieser EP erzählen dabei die unterschiedlichsten Geschichten. An einige davon hätte früher vielleicht Nico von No U-Turn andocken können – oder J. Majik auf eine ganz andere Art und Weise. Dass das nie passiert ist, macht nichts. Diese Musik steht für sich selbst.

„Stadt ohne Morgen“Dokumentarfilm über die historische Abschaffung der Berliner Sperrstunde

Leseliste 12. Juli 2020 – andere Medien, andere ThemenKSK, Kanye, Gin & Tonic, Masayuki Uemura