Drei Alben, drei Tipps, drei Meinungen. In unserer samstäglichen Filter-Kolumne wirft die Redaktion Musik in die Runde, die erwähnenswert ist. Weil sie neu ist, plötzlich wieder relevant, gerade entdeckt oder nie vergessen.
##Ms. John Soda - Loom
Thaddeus: In unserer schnelllebigen Zeit sind neun Jahre eine Ewigkeit. Genau so lange haben Ms. John Soda für ihr neues, drittes Album gebraucht. Aus Gründen. Faktisch bedeutet das für die Münchener Band einen kompletten Neustart. Erinnern wird sich kaum jemand an ihre früheren Releases, auch wenn in denen so etwas wie die Essenz deutscher Indie-Geschichte steckt. Wenn es die überhaupt gibt bzw. man die zulassen möchte. Ms. John Soda, das ist das Projekt von Micha Acher (The Notwist, Tied & Tickled Trio) und Stefanie Böhm (Couch), angereichert von den Ideen zahlreicher anderer Musikerinnen und Musiker. Damals, kurz nach der Jahrtausendwende zur – sagen wir – Welle 1.5 auf Morr Music, gehörte die Band doch nicht mehr zur allerersten, noch vor allem mit Elektronika beschäftigten Gruppe von Künstlern. Und doch spielten die Synths und Samples auch hier immer eine große Rolle. Geht das noch heute? Zehn Jahre später? Dieses pointierte, aber doch irgendwie naiv daherkommende Songwriting, fest verankert in den Weilheimer Wurzeln, in einer Szene also, die neben dem „eigenen Ding“ auch immer über den Tellerrand blickte. Große Überraschung: „Loom“, das dritte Album der Band, ist ihr bestes überhaupt. Warum? Vielleicht genau weil die Zeiten eben so schnelllebig geworden sind und man überhaupt nicht mehr weiß, worauf man sich mittel- oder langfristig einlassen kann. Ms. John Soda bietet vertraute Sicherheit.
##Peaches - Rub
Benedikt: Nach sechs Jahren kommt Peaches wieder mit einer LP um die Ecke. Wobei die Produktion von „Rub“ nur ein Jahr gedauert hat, Peaches war in den letzten Jahren nämlich in zwei Musicals und in der Oper zu sehen und hat mit diesem und jenem Künstler gearbeitet. Jetzt lässt sie wieder ein Album für sich sprechen. Und das kommt mit elektronischen Beatkonstruktionen daher: mal minimal, mal verzerrter Overload, mal brandaktuell und HipHop, mal mit EBM-Avancen – aber immer mit richtig Power. Darüber liegt der für Peaches so typische Sprechgesang, der nicht gerade größte stimmliche Abwechslung bietet, aber gleichzeitig auch nie langweilt. Denn Peaches hat was zu erzählen, zerlegt in gewohnter Manier – mal sarkastisch, mal ernst – die gesellschaftliche Heteronormativität, an der sich trotz Mykki Blanco, dem ersten offen homosexuellen NBA-Star und der nun möglichen Eheschließung zwischen Schwulen und Lesben in den USA nach wie vor nicht viel geändert hat. Wie immer wird Peaches dabei explizit und verdreht bewusst etablierte Vorstellungen von Sexualität, die Tracklist lässt das bereits erahnen. Hier und da erinnern Sound und Gesang an M.I.A. Auch wenn man das so eigentlich nicht sagen kann, war es doch Peaches, die M.I.A. seit Beginn ihrer Karriere inspirierte und ihr die Roland MC-505 Groovebox ans Herz legte.
##Jens-Uwe Beyer - The Emissary
Ji-Hun: Seit einigen Jahren sorgt Jens-Uwe Beyer gemeinsam mit Barnt und John Harten und dem gemeinsam betriebenen Label Magazine für eine angenehme Neubrise aus der einstigen Techno-Metrople Köln. Bei Magazine gibt es wenig Berührungsängste mit Krautrock, man definiert teutonische Knarzigkeit alter Kompakt-Tage neu und lässt auch mal berühmte Künstler wie Albert Oehlen in den Release-Plan. Was ich bis zu diesem Album nicht auf dem Schirm hatte war, dass Beyer als Popnoname bereits unzählige EPs und Platten veröffentlicht hatte und alles andere als ein unbeschriebenes Blatt ist. Popnoname ist mir natürlich ein Begriff und ich meine zu erinnern, dass auch Kollege Wulf seine Musik ziemlich abgefeiert hat. „The Emissary“ erscheint auf Kompakt Pop Ambient, das passt gut, denn es handelt sich um ein lupenreines Ambient-Album. Kein Rave, keine Abfahrt, dafür wunderbar intelligente Sounds, schüchtern-dröge Pianos und eine faszinierende Deepness. Bei mir und Ambient verhält es sich wie mit Äpfeln. Muss eigentlich nicht, wenn es denn anderes Obst gibt. Dieses Album hat mich aber trotzdem irgendwie gekriegt. Ich mag es sogar sehr.