Track-Premiere: Benoît Pioulard – NoyauxDie neue EP des Kanadiers ist ein ambientes Meisterwerk
29.9.2015 • Sounds – Text: Thaddeus HerrmannVerzerrte Schönheit auf die Spitze getrieben
noyaux: nom masculin pluriel: parties centrales et dures de certains fruits
Es ist noch gar nicht lange her, da veröffentlichte Benoît Pioulard sein tolles Album „Sonnet“ auf dem ebenso tollen Label Kranky. Wem diese 14 Tracks nicht reichen, um warm und weich durch den Winter zu kommen, notiere sich den 6. November dick im Kalender. Dann erscheint „Noyaux", seine neue EP für Morr Music aus Berlin. Die 14 Kompositionen auf „Sonnet“ reichten dem Künstler selbst nicht, um den aktuellen Stand seiner Arbeit ausreichend zu dokumentieren. So veröffentlichte er zeitgleich „La Stanza“: ein in zwei Teile geteiltes Album, das seine Liebe für verwaschene Loops perfekt ausleuchtet und die Hektik der Zeitachse mit der Macht des Universums zu einem leicht eiernden Kreis verbog. Genau diesem Hamsterrad entspringen die vier neuen Stücke auf „Noyaux“.
Noyaux, das sind Kerne. Obstkern, Atomkern, Dorfkern, Zellkern. Die Mitte, das Zentrum, der Ort, an dem es pulst, wo Kräfte aufeinanderstoßen, wo Neues entsteht. Keine schlechte Idee, eine sanfte Elegie um dieses Thema herumzubauen, basierend auf einem Loop, den man einfach nie wieder vergessen will.
Für Pioulard ist die EP zudem eine noch persönlichere Angelegenheit, als Musik für Komponisten ja ohnehin schon ist. Die Platte entstand nach einer offenbar sehr intensiven und emotionalen Durchsicht eines Fotoalbums. So repräsentiert jedes der vier Stücke ein Familienmitglied: Mutter, Vater, Bruder und ihn selbst. Wichtig ist das nicht, um die EP zu verstehen. Dass hier die Melancholie im Vordergrund steht, hört man schon nach wenigen Sekunden. Im Titeltrack genauso wie in den anderen drei Stücken.