Als wir klein waren, dachten wir: Wer über Musik schreibt, hört den ganzen Tag Musik. Stimmt leider nicht ganz. Vieles fällt unter den Tisch, Hypes werden verpennt oder die Bucketlist mit Platten, die man sich schon immer anhören wollte, wird immer länger. Das soll sich ändern. Unsere Redakteure stellen ihr Walkman-Futter für die arbeitsfreien Tage vor. Da darf gerne auch mal was Seltsames, Altes oder Peinliches dabei sein.
##Evy Jane - Closer
Christian Blumberg: Evy Jane sind 2012 bereits mit der wunderbaren Single SAYSO auffällig geworden. Am vergangenen Wochenende habe ich das Duo live sehen können. Während der Show verwandelte sich Sängerin Evelyn Mason von einer schüchternen Person in sehr coolem, oversized Everlast-Pullover zu einer wirklich tighten R&B-Performerin in bauchfreiem Tanktop. Natürlich treffen Evy Jane einen Sound, auf den sich spätestens seit FKA Twigs wirklich alle einigen können. Live machte es aber den Eindruck, als würden sie (genau dort, wo sich FKA für meinen Geschmack gelegentlich in prätentiösem Art-Pop verliert) auf eine straightere R&B-Produktion setzen, der ein schwerer Bass am Ende immer wichtiger ist als möglichst avancierte Arrangements. Das war mir sehr sympathisch und es gilt nachzuprüfen, ob das auch für die vor zwei Wochen erschienene EP „Closer“ gilt.
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##The Hundred In The Hands - s/t
Thaddeus: Komische LP. Wirklich. Ich habe das erste Album von Eleanore Everdell und Jason Friedman immer noch nicht geknackt. Das Problem der Warp-Band schien mir immer zu sein, dass sich die beiden Kids aus Brooklyn beim besten Willen nicht entscheiden können, was sie wollen. In welche Richtung ihre Musik gehen soll. Oder aber sie haben von Anfang an die falschen Dinge zusammengedacht. Da ist einerseits der Dancefloor. Glitzernde Disco mit schmatzenden HiHats und tollem Songwriting. Viel Technik, noch mehr Swing. Und andererseits gibt es die Gitarren-Seite des Duos. Das wirkt über große Strecken rotzig und ein wenig nach Pseudo-Punk. Das verträgt sich nicht mit Ableton als zentrales Tool. Diese LP zerfällt in zwei Teile. Gefühlt. Der Beginn: sensationell. Hit nach Hit. Denn Eleanore singt großartig, klar und auf den Punkt. Hier stimmt auch noch die Balance zwischen Discokugel und Kaschemme. Und dann zerbröselt alles. Und das ist der Grund, warum die Platte am Wochenende wieder ran muss. Der zweite Teil zuerst, ist ja klar. Sollte das scheitern, ist es eigentlich auch nicht schlimm. Denn die ersten fünf Songs für sich genommen ist eine der besten EPs aller Zeiten.
##The Boomjacks - Moments in Space and Time
Benedikt: Gute Beattapes sind rar gesät. Fündig wird man noch am ehesten im Umfeld von Stone Throw Records: Die Platten von J Dilla, MF Doom und Madlib sind nach wie vor der Maßstab, wenn es darum geht, Jazz in geschmackvollen, oldschooligen HipHop-Sound zu verwandeln. Aber die sind inzwischen gefühlt unendlich mal gehört. Jetzt sind mir „The Boomjacks“ untergekommen - ein wahrer Lichtblick am Produzentenhimmel: Die zwei Beatbrüder Jyri & Villejam aus Finnland haben mit „Moments in Time und Space“ eine Platte zusammengebastelt, die leicht kratzigen Vinylcharme in J-Dilla-Manier auch digital transportiert. Zerhackstückelte Jazz- und Swing-Samples treffen auf Boom Bap. Hier mal ein langsam gezupftes Gitarrensample, dort mal ein Piano, Saxo- und Xylophon dürfen natürlich auch nicht fehlen. Ziemlich 90s, ziemlich funky. Mit fünfzehn Songs bei einer Spielzeit von gut dreißig Minuten kommt dabei keine Langeweile auf - ganz im Gegenteil: Meinetwegen könnte das Ding doppelt so lang sein. Die Brüder beschreiben die Anfang Mai auf dem kleinen Label U Call It Love erschienene Platte als „HipHop with Soul“. Das trifft es. Und lässt Dilla-Wehmut vergehen.
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