Plattenkritik: John Also Bennett – Στoν Eλaιώνa / Ston Elaióna (Shelter Press)Weicher Blick

Plattenkritik John Also Bennett Ston Elaiona Banner

John Also Bennett ist ein Meister des Raums. Für seine Kompositionen braucht er nicht viele Spuren, Instrumente und Elemente, auch keine üppigen Arrangements. Stattdessen gibt er jedem Ton den Raum, den er zur Entfaltung braucht. So entsteht in aller Stille nachhallende Wirkmacht.

Der US-Amerikaner ist seit den 2000ern aktiv und blickt bereits auf eine umfangreiche Diskografie zurück – ob als Mitglied von Bands und Ensembles, durch diverse gemeinsame Alben mit seiner Partnerin Christina Vantzou oder eben solo wie hier, seinem Debüt für Shelter Press.

Von Haus aus ist Bennett Flötist, auch wenn er der Elektronik und dem Sound-Design – natürlich! – sehr zugewandt ist. Und dieses Instrumentarium, eine Bassflöte und ein Yamaha DX7ii, stehen im Mittelpunkt von „Ston Elaióna“, was so viel heißt wie „Im Olivenhain“. Die LP strahlt mit ruhigen und meditativen Miniaturen tief in die Seele. Es herrscht im besten Sinne des Wortes Stillstand. Ein Stillstand, der endlich den nötigen Headspace schafft, um einfach sein zu können, Geist und Körper fast schon automatisch herunterfährt und nur noch das Wesentliche durchlässt. „Ston Elaióna“ ist ein semipermeables Experiment – nicht esoterisch, nicht kitschig, sondern vielmehr beeindruckend. Die sanften Töne und minimalen Melodien der Bassflöte deuten in die Weite und bleiben doch immer ganz nah. Diese analoge Basis – so bearbeitet und produziert sie auch sein mag – wird von den Synths aufgefangen und weiterentwickelt, transportiert in einen Zustand der in sich verharrenden Bewegung, in eine Art Lähmungszustand, in dem der Körper ruhen muss und nur die umherschweifenden Augen Informationen aufnehmen können.

Diesen Zustand bei der Rezeption zu erreichen, möglich zu machen, ist eine der größten Herausforderungen bei der Komposition von Musik überhaupt. Und natürlich ergebnisoffen, weil abhängig vom Erwartungshorizont der Rezipient:innen. Will sagen: Auch vollkommen andere Arten von Musik können diesen Zustand auslösen, ob laut, krachig, crazy oder hyperaktiv. Für den Rezensenten war und ist die Offenheit und Leere der alles entscheidende Trigger, die Bennett hier zelebriert. Bestimmte Stücke von Harold Budd könnten eine Referenz sein, die sich jedoch nur auf die Haltung und nicht etwa auf die musikalische Herangehensweise oder Ausarbeitung bezieht. Wie Bennett den Klang der Bassflöte, die dezidiert digitale FM-Synthese des Yamaha DX7ii gleichzeitig gegenüberstellt und vereint, ist sehr überlegt. Da sind einerseits die heute als ikonischen Sounds des Synths, die ein E-Piano emulieren, andererseits aber auch die inhärent zickigeren Töne der FM-Synthese. Alle betten sie sich ineinander und verschmelzen mit der Flöte. Dazu kommt das Sound-Design drumherum, die sanften und homöopathisch eingesetzten Field Recordings, die Bennett wahrscheinlich zu Hause eingefangen hat. Er lebt in Athen und hat die Stücke immer morgens eingespielt, bei offenem Fenster vielleicht, mit Blick auf die noch nicht ganz erwachte Stadt.

Und genau das ist es. „Ston Elaióna“ ist Musik für die Momente dazwischen, in denen man noch nicht ganz erwacht oder noch nicht wirklich eingeschlafen ist, ob faktisch oder im übertragenden Sinne. Schwebend sehen wir alle klarer.

Plattenkritik: Various Artists – Tectonic Sound (Tectonic Sound)20 Jahre für die Ewigkeit