Plattenkritik: The Worm – Pantilde (Prah Recordings)Obst essen mit Esel
6.7.2025 • Sounds – Text: Ji-Hun Kim
Das Konzeptalbum „Pantilde“ von The Worm ist eine Zeitreise in eine parallele Welt. Eine, die uns unsere noch viel näher bringt.
Wessen Geschichten wollen wir heute eigentlich hören? Kollege Thaddeus Herrmann zeigte mir kürzlich einen türkischen Influencer, der auf dem Land Obst mit seinem Esel isst und damit sehr erfolgreich ist. Irgendwie leuchtete mir ein, dass man sich so einen Content „stundenlang“ angucken kann – es sind andere Lebenswelten, in die man sich hinein imaginieren möchte. Einerseits archaisch, andererseits oder gerade deshalb auch sehr wohltuend, viele sagen heute auch wholesome dazu.
Amy Lawrence aus Falmouth in Cornwall ist Musiker:in und Performance-Künstler:in und zeigt sich auf dem Cover von „Pantilde“ ebenfalls in Interaktion mit einem Esel. Lawrences Figur The Worm kann in der Zeit reisen. In „Pantilde“ wird die Geschichte von Dorfbewohnern erzählt, die in einer alternativen keltischen Welt leben. Eine fiktionale und fantastische Oral History, die mit einfacher, aber eindringlicher Instrumentierung erzählt wird. Blockflöte, Cello, Harfen, Maultrommeln, traditionell inspirierte komplexe Gesangssätze und viel Mut zur Luft und Lücke prägen die Songs, denen immer was Performantes anhängt, letzteres aber nie zur Funktionalität verkommt.
The Worm verschiebt die Gegenwart des Hörens. Plötzlich riechen wir feuchtes sattes Moos. Fantasiewesen gucken durchs Fenster. Der Esel muss vor dem Regen auch noch gefüttert werden. Amy Lawrence arbeitet auch als Gärtner:in. Also weiß Lawrence, welch wichtige Rolle der Wurm im Ökosystem spielt, auch wenn er eher mit Ekel und mittelmäßiger Lobby verbunden wird. Ohne Würmer leben die Böden nicht und ohne fruchtbare Böden kann niemand von uns überleben. „Pantilde“ erschafft ein Paralleluniversum, das eben nicht esoterisch-kitschig ist. Es begeht auch nicht den Fehler, verkopft essayistisch an das Thema Natur heranzugehen und die Rettung der Welt am besten noch als immersive KI-Medieninstallation inszeniert.
The Worms Musik flirrt und verzaubert, weiß ständig Reibungen zu erzeugen und trägt durch den Minimalismus auch etwas schamanistisch Transzendentales in sich. Die Musik will nicht belehren, sondern lässt uns wie in einer Open-World wandern, entdecken und interpretieren. Auf so etwas muss man sich ohne Frage einlassen wollen. Ich bin froh, dass ich das getan habe.