Plattenkritik: Christian Wallumrød – Percolation (Sofa Music)Mut zum Fehlklang

Percolation

Der Norweger Christian Wallumrød traut sich und uns mit „Percolation“ einiges zu, so sachte das Album auch daher kommt.

Gleich vorweg: „Percolation“ ist keineswegs jene musikalisch schroff gerebelte Rohkost, die nur solche Menschen goutieren können, die bei Kadenzmusik Sodbrennen kriegen. So ist es nun auch nicht. Aber: Der Norweger Christian Wallumrød, der als Pianist, Kopf eines Ensembles und Komponist über mittlerweile Jahrzehnte hinweg die Musikwelt Norwegens mitprägt, traut sich schon ein bisschen weiter hinaus in die Welt der Chromatik. Und das ist eine gute Botschaft – mal ganz profan gesagt, finde ich vieles, was mir als neuklassische Klaviermusik entgegen tönt, mitunter ziemlich cheesy und berechnend. Hier ist es erfrischend anders. Scheinbare Fehltöne klingen in den Stücken auf und sorgen für Irritation. Oder der Tastendruck, der zur scheinbar falschen Zeit gesetzt wird. Was fast ein wenig unbeholfen wirkt, wirkt, also scheint nur so zu sein. Denn diese scheinbar unbeabsichtigten Geräusche oder Verzögerungen bindet der Mann gekonnt ein, webt musikalische Strukturen, deren Maschen nur so eng wie nötig sind und Luft lassen. Und das Handwerk einbeziehen: Wenn man die Mechanik des Instruments sich mitbewegen hört, das Pedal zurück schwingt, werden Erinnerungen an Otto A Totlands Werk wach.

Und gerade, als man glaubt, man habe das Album verstanden, kommt jemand hinter dem Vorhang hervorgetreten, schiebt das Klavier von der Bühne und hängt an der Decke eine elektronisch verfremdete Autoharp auf, die minutenlang über den Köpfen des Auditoriums herumschwingt. Als nächstes plumpst ein Beat herum wie ein vom Himmel fallendes Knetmännchen und wird mit einem mysteriösen New-Orleans-Ostinato gekoppelt. Zum Schluss dann wieder das nicht ganz so wohltemperierte Piano. Das Spiel mit Ernsthaftigkeit und Augenzwinkern, mit Stille und Auf- und Ausbruch, mit Brüchen von Hörgewohnheiten und Zugänglichkeit, es weiß zu überzeugen. Und macht mir Lust, mich ein wenig eingehender mit seinen bisherigen Arbeiten zu beschäftigen.

Pageturner – September 2025: Exit-StrategienLiteratur von Gabriel Bump, Gudrun Lerchbaum und Molly McGhee