Nick Höppner - FolkAngehört: Das Debüt-Album des Panorama-Bar-Resident auf Ostgut Ton

Nick Hoeppner full

Bild: Katja Ruge

Ein ungewöhnlicher Außentermin, so eine Album-Premiere im Berghain. Auf dem großen Floor, auf der großen Anlage. Ich und eine Handvoll anderer Musikjournalisten. Probehören unter quasi Realbedingungen. Wenn schon, denn schon.

Techno 2015 oder die Rückkehr der Eleganz.

Nick Höppner ist eng mit der Geschichte des Ostguts und des Berghains verbunden. Als sich der Club dazu entschied, ein eigenes Label zu starten und so mehr an den Start zu bringen, als drei Tage Beschallung in der Woche, da war Höppner der perfekte A&R. Wie man aus einem vielfältigen Club-Sound ein eigenes Label-Profil entwickeln kann, bewies Höppner sehr erfolgreich bis 2012. Mit Fokus auf den eigenen DJs, ein paar befreundeten Musikern. Immer mit Club-Anbindung, immer mit eigener Note. Dann war Schluss. Er wollte sich auf das Auflegen konzentrieren und natürlich auch auf die eigene Musik. Eine mehr als gute Idee, denn die wenigen EPs, die er bis dato veröffentlicht hatte, waren allesamt famos. Solo oder als Teil des Kollektivs MyMy. Jetzt ist sein Debüt-Album fertig. „Folk“ erscheint am 30. März.

Die neun Tracks, die Höppner für sein Album aufgenommen hat, sind eine kleine Offenbarung. Sagt jemand, der in den letzten Monaten zunehmend den Glauben an die gerade Bassdrum verloren hat. Was mich an Höppners Sound in den letzten Jahren immer wieder begeistert und fasziniert hat, ist die Eleganz. Wie der Berliner es schafft, die massiv pumpende Basis mit kleinen Details so anzureichern, dass man das kontinuierliche Pochen praktisch vergisst. Es geht um Melodien, vor allem aber um Geschichtsbewusstsein, um eine einladende Geste, die komplette und komplexe Historie der elektronischen Musik. Das gelang bereits auf dem letzten Album auf Ostgut Ton, jedoch mit anderen musikalischen Akzenten. Wo sich andere Produzentinnen und Produzenten in Zurückhaltung üben, probt Höppner den Aufstand. Mit genau den Akkorden, an die man sich aus irgendwelchen Gründen noch erinnert. Mit genau den Breakbeat-Sprengseln, die man lange nicht mehr gehört hat und sich dabei immer gefragt hat, wo die eigentlich abgeblieben sind, und mit den Basslines, die auch 2015 immer noch die Welt bedeuten. Das ist tatsächlich Folk. Im wahrsten Sinne des Wortes. Und das sage ich nicht nur, weil ich hier auf dem großen Floor sitze und aus dem Zappeln gar nicht mehr rauskomme.

„Folk“ ist aber auch Pop. Ich weiß nicht genau, ob das als Statement gut ankommt, ist mir aber auch egal. So eine Euphorie in dieser Dancefloor-Funktionsmusik ist mir lange nicht mehr untergekommen. Diese Platte wird viel bewegen. Hoffentlich. Wenn nicht, dann bin ich endgültig raus und kehre dem Dancefloor den Rücken zu. Dem mit der geraden Bassdrum. Der hat dann nämlich wirklich keine Aufmerksamkeit mehr verdient.

Hoeppner Artwork
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