Das Meer im BlutInterview mit Christian Löffler über das Produzieren in der Natur und den Spaß an der Melancholie
6.10.2016 • Sounds – Text: Matti HummelsiepChristian Löffler ist so etwas wie der Prototyp eines Küstenbewohners an der Ostsee: leicht niederdeutscher Akzent, sparsam mit Worten und unaufgeregt sympathisch. Dass der in Greifswald geborene Produzent ein Naturkind ist, stellte er schon auf seinem Debütalbum „A Forest“ vor vier Jahren klar. Auch für das Folgealbum „Mare“ (lat. für Meer) hat er die Einsamkeit und Ruhe der Natur gesucht. Diesmal verbrachte er die Zeit in einer schlichten Laube auf dem Darß: arbeiten, schlafen, kochen, alles in einem Raum. Und wie klingt das Ergebnis? Löffler verfolgt seine Idee vom melancholischen Deep House samt seiner in der Natur aufgenommenen Field Recordings weiter. Allerdings klingt seine Musik jetzt organischer, denn neben modifizierten Synthesizern waren zum Beispiel auch eine Marimba und eine Mandolinen-Zither im Gepäck. Ein Gespräch über das Tonstudio auf seiner Terrasse, Schwermut in seiner Musik und sein musikalisches Vorbild.
In welche Richtung hat sich deine Musik auf deinem neuen Album entwickelt?
Das Endprodukt ist für mich persönlich gar nicht so anders, aber die Entstehungsweise hat sich geändert. Vorher hab ich viel am Computer geschnitten und mit Fremdmaterial gearbeitet. Diese Arbeitsweise hatte ich mir angewöhnt und sie ist sehr einfach. Jetzt aber hat alles mehr Jam-Session-Charakter. Mal habe ich etwas am Drumcomputer probiert, Melodien aufgenommen, oder Klavier gespielt. Ich war nie auf einer Musikschule und Klavier spielen kann ich auch nicht wirklich. Das geht eher nach Gefühl.
Soll die Musik durch die Instrumente eine persönliche Note bekommen?
Das kann man schon so sagen.
Du singst ja auch erstmals.
Ich nahm immer mal wieder Gesang auf, um auf neue Melodien zu kommen. Irgendwie fühlt sich mein Gesang aber eher wie ein weiteres Instrument an, wie eine weitere Tonspur. Deswegen ist der Gesang auch sehr verschwommen und skizzenhaft. Die Stimme von Mohna sollte allerdings von Anfang als richtiger Gesang auf den Tracks zu hören sein.
Wie liefen die Aufnahmen auf dem Darß ab?
Mein Studio ist in meiner Wohnung und ich brauchte einfach einen Tapetenwechsel. In der kleinen Laube habe ich Teile des Albums aufgenommen. Das hatte auch etwas von Urlaubscharakter und es funktionierte gut für mich. Ich bin eh nicht der Typ, der acht Stunden am Rechner sitzt und an Details arbeitet. Die meiste Zeit brauche ich für die Ideenfindung, danach muss alles schnell gehen. Ich hab auf der Terrasse meine Synthesizer und kleine Boxen aufgebaut. Die Aufnahme lief die ganze Zeit durch und ich hab irgendwas gespielt. Die Umgebungsgeräusche waren natürlich auch mit drauf, oder wenn mal etwas herunterfiel. Früher habe ich Nebengeräusche noch extra aufgenommen und nachträglich eingebaut. Aus den Aufnahmen habe ich mir dann die besten Ideen rausgesucht.
Wann ist ein Track für dich fertig?
(überlegt) Wahrscheinlich nie. Im Vergleich zu Freunden, die ewig noch an kleinen Stellen rumbasteln, bin ich aber früher fertig. Wenn die Hauptaussage steht, dann gehe ich weiter. So ein Track wie „Pacific“, der war in zwei Tagen fertig. Meistens ist es die erste Version, die am besten ist.
Beim Durchhören des Albums ist mir aufgefallen, dass deine Musik zwar auch heiter und tanzbar sein kann, aber trotzdem etwas Schwermütiges hat.
Das liegt daran, dass ich nicht alles offenlegen will. So ein Schleier muss einfach immer mit dabei sein. Was die Schwermütigkeit angeht … Ich bin einfach ein Typ, der viel über Sachen nachdenkt und eher die negativen Seiten sieht. Und das überträgt sich in die Musik.
Musik als Therapie?
Vermutlich schon, da habe ich so noch nicht drüber nach gedacht. Ich mache es aber auch, weil ich Spaß dran habe.
Ist es eigentlich nur die Natur, die dich inspiriert?
Natürlich wird immer der Fokus auf die Natur angesprochen, was mir vorher gar nicht so bewusst war. Ich bin ja kein Großstadtmensch und dadurch, dass ich aus Greifswald komme, war das schon immer meine gewohnte Umgebung. Die erste Skizze von „Myiami“ hab ich allerdings tatsächlich in Miami aufgenommen. Das war bei einem Freund im Studio und das war ein ungewöhnlicher Tag. Vor dem Fenster waren Palmen und es war den ganzen Tag regnerisch, windig und dunkel. Normalerweise sind in South Beach ja alle im Strand-Modus unterwegs und das hatte so etwas Dramatisches. Das hat total gut zu der Musik gepasst in dem Moment. Solche Orte können mich auch sehr inspirieren.
Hast du einen Ausgleich zum kreativ sein?
Ich bin großer Fan von Rennautos, schon seit Kindheitstagen. Das habe ich noch nicht so oft erzählt (lacht). Ich bin früher Skateboard gefahren und gehe manchmal Windsurfen. Das passt eigentlich gar nicht zu meiner Musik und ist auch keine Inspiration für mich. Ich brauche so etwas aber als Ausgleich, weil wenn du dich die ganze Zeit mit Musik beschäftigst und der Kopf rattert, dann kommt nichts Gutes bei raus.
Hast du musikalische Vorbilder?
Ich habe früher mit hartem Techno angefangen, aber auch viel Indie und Rock gehört. Eigentlich habe ich mich immer in Bands gesehen. Elektronische Musik war nur Spielerei für mich. Im Nachhinein war das aber abwegig, weil ich gemerkt habe, dass ich in Sachen Musik eher ein Einzelgänger und kein Teamplayer bin. Die frühen Tracks von Apparat haben mir dann die Augen geöffnet. Er hat für mich diese beiden Welten zusammengeführt und das hat total Sinn gemacht. Seine Musik hatte großen Einfluss auf mich und sie war überhaupt der Grund, warum ich mit elektronischer Musik weiter gemacht habe.
Das klingt interessant. Was sind die Vor- und Nachteile, wenn man alleine Musik macht?
Der Nachteil ist ganz klar, dass man kein Feedback bekommt, womit man vielleicht viel gewinnen könnte. Man arbeitet sich an sich selbst ab und da ändert sich auch nicht viel in ein paar Jahren. Auf der anderen Seite hat man natürlich alles selbst in der Hand. Ich habe immer eine genaue Idee davon, wie sich der Sound anhören soll. Wenn ich mit jemand anderem Musik gemacht habe, auf Augenhöhe sozusagen, dann war es immer schwierig. Wahrscheinlich bin ich überhaupt nicht kompromissbreit.
Wie gehst du dann mit Kritik um?
Früher habe ich mir noch viel Feedback von anderen geholt, bevor ich etwas veröffentlicht habe. Gerade wenn man neu ist, wird man gerne verglichen, obwohl das auch normal ist. Bei Kritik bin ich auf jeden Fall super anfällig. Wenn einer sagt, dass erste Album war besser, dann grüble ich über das Warum. Was hab ich falsch gemacht? Ist das nicht ehrlich genug was ich mache? Das ist aber auch ein merkwürdiger, innerer Konflikt, weil ich die Musik in erster Linie für mich mache. Aber ab einem gewissen Punkt möchte ich es den Leuten zeigen und wissen, ob sie ihnen etwas gibt.