Das BusinessKiezbett: besser schlafen

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Kiezbett-Gründer Steve Döschner in der Spandauer Werkstatt. Foto: Florian Reimann

Ein Bett kann man sich im Möbelhaus kaufen. Ein nachhaltig erzeugtes allerdings nicht so leicht. Hier setzt die Idee von „Kiezbett“ an: Gefertigt mit märkischer Kiefer aus dem Berliner Umland, mit echten Pferdestärken aus dem Wald geholt und umweltfreundlich geliefert, zeigt das Start-up den Großen, dass es auch anders geht. Und das mit wachsendem Erfolg. Ein Werkstattbesuch.

Ein interessanter akustischer Mix: Gellende Schleifmaschinen und im Hintergrund Musik, feiernde Menschen. Im Erdgeschoss der Stephanus Werkstätten, Betriebsstätte Wilhelmsstraße in Berlin-Spandau, in der wir uns befinden, wird noch gearbeitet. Oben drüber ist bereits die Fachingsparty in vollem Gange. Wir sind heute zu Besuch, um uns anzuschauen, wie ein Bett entsteht. Ein besonderes: das Kiezbett.

Die Idee hinter diesem Produkt hat, wie so oft, etwas mit einem Mangel zu tun. Mit Mangel an Schlafkomfort, mit Mangel an einem robusten Möbel, das mehr als einen Umzug gut übersteht. „Wir verbringen viel Zeit unseres Lebens im Bett. Es ist unsere Quelle, um am nächsten Tag frisch zu sein“, sagt Steve Döschner. Ein bärtiger Mittdreißiger, der sich 2015, genervt von seiner bisherigen Liege, mit Holzzuschnitten aus dem Baumarkt sein eigenes Bett baute. Ein Möbel Marke Eigenbau: Hier könnte die Story enden. Hätten nicht so viele Freunde und Freundesfreunde auf sein damaliges Facebookposting reagiert, nach dem Bauplan gefragt oder Interesse am Kauf eines Betts bekundet – was den Selbstbettbauer zu der Überlegung brachte, tatsächlich eine kleine Produktion zu starten.

Was allein noch immer keine Besonderheit wäre. Doch Döschner ist im Hauptberuf Umweltberater, er verdient sein Geld mit Gutachten und ist schon seit Teenagertagen im Umweltschutz aktiv. Da hat er einen anderen Blick auf die Themen Manufaktur und Holz. „Mir fiel auf, dass es an einer Sache hapert: Die Ressource kommt nicht aus der Region.“ Holz mit Herkunftsangabe, zumal mit auf das lokale Umfeld fokussierter, ist kaum zu bekommen. Besonders im Osten. In und um Berlin Holz vom lokalen Sägewerk zu kaufen, in einer lokalen Tischlerei verarbeiten zu lassen – kaum möglich. Nicht, dass es hier nicht genug Wald gäbe, im Gegenteil. Aber: Viele der zu DDR-Zeiten enteigneten Betriebe kamen nach der Wende unter einen Gebietsschutz, produzieren fast ausschließlich für einen einzigen Holzhändler. Der sie vertraglich fix binde und ihnen durch Jahresvorschüsse eine Einkommenssicherheit gewähre, erklärt Döschner. Man sei an verschiedene Sägewerke rangegangen: „Die haben uns ein Angebot gemacht, doch dann kam immer der Holzhändler dazwischen und hat seine Marge draufgepackt. Den Wasserkopf wollten wir nicht.“

Wir, das sind neben Döschner Jörg Schaaf und zum Start die Architektinnen Kim Le Roux und Margit Sichrovsky. Sie lernten sich im Berliner „Impact Hub“ kennen und entschieden, die Idee eines nachhaltigen Betts wirklich umzusetzen. Mit dem Holz eines Händlers, mit dem man sich finanziell dann doch einig wurde, begann man, Prototypen zu bauen, verringerte die Anzahl der Schrauben durch ein innovatives Stecksystem und machte es noch robuster – die tendenziell häufig umziehenden Berliner*innen sind schließlich Zielgruppe. Der richtige Startschuss war dann eine Crowdfunding-Kampagne: Die brachte im Frühling 2016 gut 32.000 Euro Startkapital und eine ganze Menge Vorbestellungen ein, sodass man sich an die richtige Produktion machen konnte.

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Ein Rückepferd. Foto: Julia Kneuse

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Foto: Julia Kneuse

Mit Rückepferden kommt das Holz aus dem Wald

Und die findet hier in Spandau statt. Partner von „Kiezbett“ ist die hiesige Werkstatt der Stephanus-Stiftung. Hier arbeiten Menschen mit Behinderungen oder psychischen Erkrankungen. Das Betten-Start-up zählt zu den größeren Auftraggebern der Inklusionswerkstatt der Stiftung, die auch Restaurationen durchführt, man nähert sich dem 600. Kiezbett, 200 pro Jahr im Schnitt hat man bislang gebaut. Und bald dürfte die Anzahl größer werden, denn man baut sich in Templin, ebenfalls in Zusammenarbeit mit der Stephanus Stiftung, eine zweite Lieferkette auf. Wie schon jetzt in den Wäldern rund um die Hauptstadt, wird man auch von dort das Holz auf eine ganz traditionelle Art und Weise aus dem Wald holen: Pferde ziehen bzw. rücken, wie man es in der Branche nennt, die Stämme heraus. In Templin werden dabei auch die Auszubildenden der Stiftung mitwirken, um Berlin sind es die Azubis der Berliner Forsten. Geschlagen wird ausschließlich Kiefer, die häufigste in der Region anzutreffende Baumart. „Wir testen das Ganze gerade mit zehn Festmetern – das entspricht zwölf Bäumen. Im nächsten Herbst werden wir dann mehr fällen“, erklärt der Gründer.

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Steve Döschner zeigt die Rückenlehne aus Holz und Metall.

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Die Betten werden in Spandau endgefertigt.

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Zum Einhängen: der Kiezbett-Nachttisch

Holz aus nachhaltiger Produktion, ohne CO2-Emissionen aus dem Wald geholt, dazu noch mit Baumspenden für Nachforstung „kompensiert“, mit sozialem Mehrwert gefertigt – und dann? „Zumindest in Berlin haben wir unsere Vision einer nachhaltigen Lieferkette voll erfüllt“, so Döschner. Denn im Nahbereich werden die Bestellungen per Lastenfahrrad oder Elektroauto ausgeliefert. Deutschlandweit hingegen müsse man wohl oder übel mit herkömmlichen Speditionen kooperieren. Doch so oder so: Verpackt werden die „Kiezbetten“ ebenfalls mit Rücksicht auf die Umwelt in wiederverwendbaren Taschen, die aussehen wie Surfbags. Sie schickt der Kunde nach dem Aufbau des Betts mit der Post zurück. Der nach dem Errichten eines Billy- oder Ivar-Regals anfallende Papier- und Plastik-Abfall bleibt also aus. Natürlich sprechen wir auch über das schwedische Möbelhaus: „Die könnten eine nachhaltige Linie easy finanzieren, die hätten die Kapazitäten und das Geld“, meint Döschner. Vielleicht fehlt es da – anders als in anderen Branchen wie der Bekleidungswelt, wo Öko-Linien großer Ketten zumindest einen Token-Status erreicht haben – noch an Nachfragedruck. Holz wirkt halt immer so schön natürlich, auch wenn seine Erzeugung, „Ernte“ und Aufbereitung oftmals alles andere als das ist.

Frei schwebend

Wir haben noch gar nicht über das Bett selbst gesprochen. Es handelt sich um ein so genanntes frei schwebendes Bett – die Füße sind unter ihm versteckt, was ihm die Optik eines, nun ja, frei schwebenden Betts gibt. Sein Rahmen lässt sich einfach zusammenstecken und wird mit Plattenverbindern arretiert – nur wenige Schrauben werden benötigt, mit etwas Geschick ist das Ganze in einer Viertelstunde im wahrsten Sinne des Wortes bezugsfertig. Markant sind die Verbindungskanten: Dank des schrägen Winkels wird die Last besser verteilt, es quietscht nicht. Optional können die Verbindungsstellen mit farbigen Bändern versehen werden. Derzeit ist das Bett in sechs Größen von 90x200 bis 200x200 cm erhältlich (Preis: ab 850 Euro). Eine Übergröße (220 cm) wird ebenfalls angeboten. Auch Ölen oder Laugen der Betten ist möglich. „Die meisten kaufen es aber unbehandelt. Wenn mal ein Fleck drauf kommt: Einfach mit feinkörnigem Sandpapier drüber gehen und er ist weg“, so Döschner. Lattenrost, Rückenlehne und ein Nachttisch zum Einhängen werden ebenfalls in Spandau handgefertigt. Bald soll es weitere Bett-Modelle geben: Ein Stauraumbett und ein Kinder-Kiezbett sind in Planung.

Darüber hinaus blickt das Team derzeit verstärkt gen Süddeutschland. In und um München wird man eine zweite Wertschöpfungskette aufbauen. „Aber alles ohne Wachstumsdruck, mit Bedacht und organisch“, so Döschner. „Wir werden uns nicht ins Bockshorn jagen lassen. Alle sollen eine gute Zeit haben.“

Spandau

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