Das BusinessAnaloge Fotografie: Sofortbild, quo vadis?

Das Business The Impossible Project Lead

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Abdrücken, schütteln und auf ein Ergebnis warten, das für die Ewigkeit ist: The Impossible Project hält das Vermächtnis von Polaroid am Leben – doch 2016 macht das Unternehmen einen großen Schritt nach vorne. Von wegen rückwärtsgewandte Technologie. Jasmin Tomschi hat sich das „Unmögliche Projekt“ genauer angesehen, mit dem 26-jährigen Geschäftsführer Oskar Smolokowski gequatscht und festgestellt: unmöglich erscheint hier gar nichts.

1943 soll Edwin H. Land im Urlaub ein paar Erinnerungsfotos geschossen haben, bevor sich der Physiker und Erfinder einer alles entscheidenden Frage stellen musste: „Warum kann ich die Bilder, die du machst, nicht gleich sehen?“, wollte seine dreijährige Tochter wissen. Vier Jahre später stellte der Polaroid-Gründer die erste Version seines Sofortbildes vor und löste einen Trend aus, der seit Jahrzehnten voll automatisiert in 7,9 x 7,9 Zentimeter großen Schnappschüssen mit breitem, weißem Rand resultiert. Heute wird Lands Vision von The Impossible Project weitergedacht. Doch wo steht das Nostalgieprodukt in Zeiten der Digitalisierung?

Impossible Project 2

Auf der Potsdamer Straße in Berlin Mitte ist die Initiative von Lo­mo­gra­phic Society-Veteran Florian Kaps und Ex-Polaroid-Produktionsleiter André Bosman zu Hause. Weil die beiden einst die letzte Polaroid-Fabrik im niederländischen Enschede vor der endgültigen Schließung bewahren konnten, wird weiterhin Film für über 200 Millionen Vintage-Polaroid-Kameras produziert. The Impossible Project, das seinen Anfang 2009 in Wien nahm, hat heute Mitarbeiter in Deutschland, Österreich, den Niederlanden, Großbritannien, Frankreich, den USA und sogar China – und nach einigen internen Wendungen auch einen neuen Geschäftsführer: den 26-jährigen Polen Oskar Smolokowski.

Beim Betreten des weitläufigen Hauptquartiers fällt der erste Blick geradewegs auf die Rezeption, an der sich Mitarbeiter austauschen wie an einer Bar. Rechts geht’s in eine kleine Küche. Und vorbei an zwei minimalistisch ausgestatteten Besprechungsräumen ins Rohkonzept eines hauseigenen Ausstellungs- und Event-Spaces. Die Suche nach Oskar Smolokowski, dem aktuellen CEO von The Impossible Project, führt in einen Raum hinter Panoramaglas, wo er umgeben von unzähligen Kameras und Filmen sitzt und freie Sicht auf 25 Angestellte genießt.

The Impossible Project Das Business wide1

Vor unserem Gespräch räumt Smolokowski noch schnell seinen Arbeitsplatz auf. Denn hier und da versteckt sich ein Indiz auf Produktneuheiten, die er zum Zeitpunkt des Interviews noch geheim halten will. Erst dann kann in Ruhe geklärt werden, was ihn eigentlich in dieses Büro geführt hat: Smolokowski wuchs in Warschau auf, studierte zwei Jahre lang Maschinenbau am Imperial College of London und später freie Künste an der New York University (NYU). „Ich habe bei BMW und in der MINI-Fabrik in Oxford gearbeitet, bevor ich von The Impossible Project gehört habe und mit Gründer Florian Kaps ins Gespräch kam“, erinnert er sich.

Kaps holte ihn im Sommer 2012 als neuen Assistenten nach Wien und hielt den jungen Neuzugang mit Excel-Tabellen, Analysen und möglichen Vertriebschancen auf Trab. „Als ich kam, arbeitete das Team gerade am Instant Lab“. Er spricht von einem Produkt, das digitale Bilder vom iPhone scannt und daraus analoge Fotos im Polaroid-Look macht, „und die App dazu wurde bald zu meinem ersten großen Projekt.“

Vom Assistenten zum Innovator

Kurze Zeit später zog The Impossible Project nach Berlin und Smolokowski wechselte vom Software- in den Hardware-Bereich. Er arbeitete eng mit Jesper Kouthoofd, dem CEO des Designstudios Teenage Engineering zusammen, und widmete sich dem Konzept einer neuen Kamera. „So kam ich zu meinem Traumberuf, wurde zum Managing Director of Impossible Camera und die Kamera zu meinem Leben!“ – nur leider nicht für lange. Denn der 26-Jährige ist der Beweis dafür, dass einem das mit dem CEO-Dasein auch einfach mal so passieren kann. Als der letzte Geschäftsführer seine Position aufgab, schien Smolokowski der sinnvollste Nachfolger zu sein: weil ein Produkt wie Instant-Film und eine Marke wie The Impossible Project mit viel Liebe zum Detail verstanden werden wollen. „Unser Board wollte einen CEO, der produktorientiert ist. Denn ganz egal, was man im Marketing oder auf der Sales-Seite macht: Wenn die Leute das Produkt nicht gut finden, scheitert das gesamte Projekt.“

Heute kann Smolokowski nur noch rund 30 Prozent seiner Zeit in die neue Kamera stecken. „Daran musste ich mich erst gewöhnen, aber jetzt gefällt mir der Gedanke daran, volle Kontrolle über das große Ganze zu haben.“ Darf man denn schon nach einer konkreten Vision fragen? „Wir machen ein neues Produkt für ein altes Produkt – solange, bis unsere eigene Kamera auf den Markt kommt.“ Diese soll in den Kontext der heutigen Zeit gebracht werden und wird sich technisch wohl wesentlich von restaurierten Polaroid-Modellen unterscheiden. „Im Moment kann ich nur verraten, dass sie Mitte des Jahres kommen und i-1 heißen wird“, gibt sich Smolokowski zurückhaltend.

The Impossible Project BW Film
The Impossible Projekt Films Color

Auf die Frage, ob er Angst vor Konkurrenz habe, bleibt er cool. „Ich mach’ mir keine Sorgen. Wir haben viel Zeit und Geld in unsere Produkte investiert, mussten den kompletten chemischen Prozess dahinter neu erfinden und das Einstiegslevel für Instant-Fotografie ist sowieso viel zu hoch.“ Neben The Impossible Project mischt lediglich Fujifilm mit seinen Instax-Sofortbildkameras erfolgreich am Markt mit. „Fuji zeigt, wie angesagt analoge Fotografie auch ohne aufwendiges Branding ist. Sie können billiger sein, weil sie nie mit der Produktion aufgehört haben. Aber als direkte Konkurrenz seh’ ich die Marke nicht.“

Bleiben also nur noch kleine Drucker zu bedenken, mit denen sich Fotos vom Smartphone in ein physisches Produkt wandeln lassen, oder? „Sobald du das Wort ‚drucken‘ verwendest, laufen dir die Leute davon. Das ist kein Erlebnis, auf das man sich freut und genau deshalb ist Instant-Fotografie so magisch: Du nimmst ein Motiv ins Visier, drückst ab, wartest und reichst das Foto rum – sowas macht Spaß!“

Wer nicht wagt, hat schon verloren

The Impossible Project Office
The Impossible Project Door

Dass Oskar Smolokowski heute immer noch an der Zukunft von analoger Instant-Fotografie arbeiten kann, hat er einer treuen Community zu verdanken, die anfangs ganz bewusst einen Kompromiss einging: Wer damals Filme von The Impossible Project kaufte – und darüber hinweg sehen konnte, dass Fotos Flecken hatten oder ihr Inhalt mit der Zeit vielleicht verschwand – war maßgeblich an der Wiederbelebung dieser Art von Sofortbildfotografie beteiligt. „Heute hat sich die Zielgruppe vermischt. Wir haben neue Leute dabei, die von unseren experimentellen Anfangstagen gar nichts mitbekommen haben.“

Im Moment kann sich Smolokowski über Fortschritte beim Farbfilm freuen, der wesentlich schneller als zuvor, aber immer noch rund eine halbe Stunde lang entwickelt. „Wir arbeiten immer an etwas Besserem“, garantiert er. Doch was im Labor funktioniert, kann in der Luftfeuchte von Hong Kong oder in der Hitze von Südamerika immer noch versagen. „Der Film muss raus in den Sand, die Sonne, ans Meer und in den Regen. Und hier können wir uns auf das Feedback der Community verlassen.“ Die muss dafür nicht lange auf Weiterentwicklungen warten und bekommt ihre Filme fast zum Produktionspreis verkauft.

Unmittelbar / Unendlich

Während die analoge Instant-Fotografie noch Platz für Innovation gelassen hat, scheint die Frage nach ihrer Relevanz keine grundsätzliche zu sein. Viel wichtiger ist es zu beobachten, wo sie sich in der Fotografie positionieren wird. „Dass uns Instant-Fotografie als analoges Medium erhalten bleibt, war mir schon klar, als ich zu The Impossible Project kam. Schon allein deshalb, weil viele Hobbyfotografen einfach keine Geduld für 35 mm haben.“ Smolokowski greift zu seinem iPhone und setzt fort: „Weil schon jede Smartphone-Kamera gestochen scharfe Bilder macht, sinkt gleichzeitig die Nachfrage an gewöhnlichen Digitalkameras.“ Profis werden wohl weiterhin viel Geld in ihr Equipment investieren, „aber alle anderen, die etwas ausprobieren wollen, brauchen eine Alternative – und da kommen wir ins Spiel.“

The Impossible Project Polaroid

Oskar Smolokowski weiß, dass sein Produkt gegen andere Angebote verliert, wenn es um Genauigkeit, Klarheit oder Farben geht, „aber wenn wir von einem Erlebnis sprechen, das dem Fotografen mehr gibt, als nur einen Schnappschuss unter vielen, dann sind wir großartig.“ Fest steht: Wer für acht Bilder 20 Euro bezahlt, wird gewissenhaft mit seinen Ressourcen umgehen. „Deshalb lieben die Leute dieses Produkt – es verlangt von ihnen, dass sie mit Emotion an die Sache herangehen.“

Eine wichtige post-digitale Erkenntnis ist, dass viele verschiedene Technologien nebeneinander existieren können – jede, um ihren eigenen Zweck zu erfüllen. „Analoge Kameras zwingen einen, Fotografie aus einer speziellen Perspektive zu betrachten“, gibt Smolokowski zu bedenken und versichert: „Es gibt keine bessere oder schlechtere Art zu fotografieren, nur unterschiedliche. Ich denke, dass es genau diese Unterschiede sind, die der Fotografie gut tun.“

Und was erwartet der Geschäftsführer von The Impossible Project in diesem Zusammenhang von der Zukunft? „Ich bin gespannt, wie sich die Bildgebung entwickeln wird, aber ich denke auch, dass wir mit unserem Film und unserer Kamera etwas Zukunftsträchtiges vorzuweisen haben.“ Geht es nach ihm, wird analoge Instant-Fotografie also auch trotz zunehmender Digitalisierung noch lang nicht von der Bildfläche verschwinden.

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