Nun hat auch Jonathan Safran Foer ein Buch über die Klimakrise geschrieben. Dass es ihm dabei vor allem um die Reduktion von Fleischkonsum geht, liegt nahe – schließlich hat er mit „Tiere essen“ schon mal eines über dieses Thema veröffentlicht und damit weltweite Aufmerksamkeit erzielt. Dieses Mal geht es weniger um „Tierwohl“ und das Infragestellen der brutalen Herrschaft einer Kreatur über eine andere, sondern vielmehr darum, zu zeigen, dass der bzw. die Einzelne eben doch viel dazu beitragen kann, dass sich der globale Ausstoß von Emissionen verringert. Und um so einiges mehr, was die Lektüre nicht gerade einfach macht.
Die Frage, ob jeder von uns „Verbrauchern“ überhaupt etwas tun kann gegen den Klimawandel, wird besonders im Debattenland Deutschland durchaus kontrovers diskutiert. Und führt hin bis zu absurdesten medialen Aufregern à la „Umweltsau“, bei dem vermutlich die Allerwenigsten mitgeschnitten haben, dass es ursprünglich ein Versuch war, nicht etwa die Rentner, sondern vielmehr die Aktivist*innen von „Fridays For Future“ aufs Korn zu nehmen. Dort, das lässt sich im Buch Vom Ende der Klimakrise von Luisa Neubauer und Alexander Repenning nachlesen, positioniert man sich in der Frage „kann jeder Einzelne was tun?“ recht deutlich: Eine ökologische Lebensweise ist schön und gut. Sie hilft, Zusammenhänge zu verstehen und sich selbst in die Position zu bringen, ein Teil der Lösung zu werden und nicht ein Teil des Problems zu bleiben. Grundsätzlich jedoch ist staatliche, besser noch internationale, globale Richtlinienkompetenz gefragt: Vorgaben, Grenzwerte, sofort raus aus fossiler Energiegewinnung, rein in nachhaltige. Die großen Stellschrauben eben.
Foer geht es jedoch vornehmlich um die kleineren, individuelleren Stellschrauben. Er vertritt die Meinung: Jeder von uns kann und muss etwas tun. Was? Kein Auto kaufen. Weniger fliegen. Vor allem aber, und da ist er mitten in seinem Thema, den Fleischkonsum deutlich reduzieren. Das wissen wir längst, es hat nichts verändert. Foer hat aber eine Idee, wie es endlich klappen könnte: Indem wir tagsüber keine tierischen Produkte mehr zu uns nehmen. Wenn überhaupt, dann nur abends. „Flexiganer“ zu werden, ist aus seiner Sicht ein Anstoß, mit dem sich auch diejenigen, denen ein Verzicht schwer fällt, zu einer Verhaltensänderung bewegen lassen können. Dies, so schreibt er, sei der größte Hebel, den jede*r einzelne bewegen könne. Gute Idee, für sie allein müsste man sein Buch nicht lesen, es würde auch eine kurze Zusammenfassung oder halt die Blinkist-Version reichen.
Es sind die Ausführungen drumherum, die das Buch interessant und komplexer machen. So etwa der Dialog mit sich selbst, den er gleich kapitelweise ausbreitet: Denn auch Foer isst mal Burger, richtig trashige, auf dem Hotelzimmer, wenn der Tag mies war. Aber warum? Und wie ginge es anders? Auch wenn dieses Zwiegespräch mit seinem besseren Ich einigermaßen kokett ist, hält es für Dritte doch ein paar gute Denkanstöße parat, über Bande sozusagen. Ebenso beschreibt Foer recht plausibel, was das Kernproblem des Klimawandels ist: Wir checken ihn nicht, wir be-greifen ihn nicht, wir können nicht glauben, dass er Realität ist, obwohl wir es wissen. Der emotionale Zugang geht uns ab. Uns fehlt das, was nur ein paar Astronauten erlangt haben: der overview effect, der uns die Kleinheit und Zusammengehörigkeit unseres fragilen Planeten buchstäblich vor Augen führt, und eine Verhaltensänderung zeitigt. Genau deswegen gibt es übrigens ein Projekt, welches uns diesen Effekt virtuell ermöglichen will.
Wo wir gerade im Weltraum sind: Statt zukünftig mit dem Raumschiff nach neuen Welten zu suchen, der Menschheit ewiger, völlig absurder Traum, sollten wir lieber erkennen, dass wir schon unterwegs sind: von Erde eins zu Erde zwei. Ein durchaus interessanter Denkansatz. Unser Planet ist, im Zeitalter des Anthropozäns und der fortschreitenden Zerstörung durch den Menschen, eine anderer als bisher. Erde zwei ist nicht so schön leider wie Erde eins, und wird, wegen uns, vielerorts unbewohnbar sein, aber – Nummer eins wird es nicht mehr geben. Fangen wir also an, rät Foer, Erde zwei zu „entdecken“, uns hier neu einzurichten, damit klar zu kommen. So, wie es der „overview effect“ am Ende von Emmerichs „The Day After Tomorrow“ vermittelt: So sieht der „neue“ Planet also aus. Irgendwie werden wir damit schon fertig werden. Müssen.
Trotz der vielen Denkanstöße: „Wir sind das Klima“ ist kein wirklich konsistentes Buch. Faktenwissen zum Fleischkonsum und dem nicht aufzuhaltenden Klimawandel, Foers bewegende Familiengeschichte, kleine Nudges und das ganz große Bild – hier wird vieles zusammengepackt. Was will Foer? Uns zur Einnahme einer aktiven Haltung bringen? Mit Wissen glänzen? Den Erklärbären tanzen lassen? Empathie aufbauen? Das Hin und Her zwischen dem ganz Kleinen und dem ganz Großen, zwischen Nähe und Distanz, es erzeugt Kopfnicken, Kopfschütteln, vor allem aber Schulterzucken. Vielleicht liegt es am Thema. Vielleicht aber auch am Autoren.