Mein erster Mac war eine Pizzaschachtel. So nannte man hierzulande damals den „Performa 475“, einen flachen, angeschrägten Apple-Computer im klassischen Beige, der zwar nicht wirklich viel konnte, dafür aber verhältnismäßig erschwinglich war. Es war in der der ersten Hälfte der 1990er-Jahre, als ich bei Gravis stand – damals eine schlecht beleuchtete Garage in Berlin-Moabit – und das volle Paket kaufte: Computer, Monitor, Drucker und – wo wir schon dabei sind – Microsoft Word in der rabattierten Studenten-Version. Auf diesem Rechner lief: System 7.

Das war die Zeit, in der es Apple so semi-schecht ging. Die Zeit, in der Windows benutzbar wurde. Die Zeit, in der Steve Jobs noch nicht wieder und Tim Cook noch gar nicht in Cupertino arbeitete. Es war die Zeit, in der Software noch auf Disketten verkauft wurde (im Fall von Word waren es meiner Erinnerung nach 13), Computer noch keine Modems hatten und der Netscape Navigator – das Internet – ein merkwürdig anmutender Zukunftstraum war, für den man sich im Rechenzentrum der Universität verbarrikadierte. Das Digitale fand auf dem heimischen Schreibtisch statt. System 7 ist insofern bemerkenswert, dass vieles von dem, was man heute mit Rechnern, Tablets und Telefonen den lieben langen Tag tut, Schritt für Schritt über die Jahre hinzugefügt wurde. Und es ist wahrscheinlich das einzige Betriebssystem, nach dem sich eine Band benannt hat. Aus guten Gründen: Wer in den 90ern mit dem Mac Musik machte, für den galt (und gilt) die System-Version 7.6.1 als der heilige Gral der Software: Effizient, fehler- und latenzfrei rumpelten die MIDI-Beats durch die Schaltkreise.

System 7 lebte – Achtung! – sieben Jahre. Es war das erste OS von Apple, das ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr nur auf Disketten, sondern auch auf CD-ROM verkauft wurde. Während dieses Zeitraums erblickte der Begriff „macOS“ das Licht der Welt, QuickTime – also Multimedia – wurde eingeführt, genau wie das Filesharing. Es war viel los in den 90ern. Und Apple verschwand trotz allem in der Bedeutungslosigkeit, war faktisch pleite. Als System 7 durch System 8 abgelöst wurde, war Jobs wieder am Start und die Personalabteilung hatte vielleicht schon die Akte von Tim Cook auf dem Tisch.

Bei archive.org läuft nun eine Emulation des Betriebssystems. 7.0.1. Mit HyperCard, Word, Excel, MacPaint, BBEdit, Stuffit Expander, Pagemaker, einem Virenscanner, Taschenrechner, Wecker, drei Spielen usw. Das ruckelt und zuckelt und lässt vielleicht all diejenigen kalt, die damals noch nicht auf der Welt oder noch nicht aus dem Kinderwagen rausgekrabbelt waren. Ausprobieren sollte man das dennoch. Der Emulator erinnert daran, dass es ein langer Weg war zu YouTube, Snapchat, Ableton, Traktor und Premiere. Ein Moment des Innehaltens.