Jede Woche liest die Redaktion das Internet leer, um sonntäglich vier Lesestücke empfehlen zu können. Artikel, die interessant, relevant oder gar beides sind – und zum Glück abgespeichert wurden.
Sex im Valley
Hinter den Fassaden des sonst immer blitzeblanken und politisch korrekten Image des Silicon Valley soll es finster und orgiastisch hergehen, berichtet die Autorin Emily Chang in ihrem Artikel „Oh my god, this is so f- - - - up“ für die Vanity Fair. Eine Elite bestehend aus Investoren, Start-up-CEOs und neureichen Geeks trifft sich regelmäßig in der Bay Area in exklusiven Villen für Sex-Parties. Man könnte fast meinen, dass diese MDMA-getränkten Events zum neuen Golfplatz der Szene geworden sind. Wer einmal dabei ist, kommt aber auch nicht so schnell wieder raus. Chang beschreibt eine durch und durch männlich dominierte Welt, in der Frauen kaum mehr als die Bedeutung eines Objekts haben und die ein vollends verquastes Mindset offenbart.
„MDMA is a powerful and long-lasting drug whose one-two punch of euphoria and manic energy can keep you rolling for three or four hours. As dopamine fires, connections spark around the room, and normal inhibitions drop away. People start cuddling and making out. These aren’t group orgies, per se, but guests will break out into twosomes or threesomes or more. They may disappear into one of the venue’s many rooms, or they may simply get down in the open. Night turns to day, and the group reconvenes for breakfast, after which some may have intercourse again. Eat, drugs, sex, repeat.“
„Oh my god, this is so f- - - - up“: Inside Silicon Valley’s secretive, orgiastic dark side
Der abgewiesene Zeuge
Heute vor 13 Jahren starb in der Zelle 5 des Dessauer Polizeireviers in der Wolfgangstraße 25 der Sierra Leoner Oury Jalloh. Bis heute wird vermutet – und somit auch offiziell angegeben – durch Selbstverbrennung. Mit einem bei der Durchsuchung übersehenen Feuerzeug, indem der an Armen und Beinen Gefesselte ein Loch in die Kunstledermatratze bohrte und den Schaumstoff darin entzündete, binnen 30 Minuten war der Leichnam komplett verkohlt. Eine Simulation des Vorfalls ergab: Das ist so kaum möglich gewesen. Es wird vermutet, dass Fremdeinwirkung und ein Brandbeschleuniger im Spiel gewesen sind. Sprich: Dass es Mord war. Ein neuer Zeuge in diesem Fall jedoch, N., ein Justizwachtmeister, der den damals diensthabenden Wachdienstleister und dessen berufliches Vorleben kannte, wurde bislang nicht dazu angehört. Dabei hätte er Einiges zu sagen. Allerdings müsste man ihn nüchtern vorladen – als er seine Anzeige machen wollte, war er angetrunken, und danach wurde ihm Druck gemacht, sich mit Aussagen zurückzuhalten. Christian Jakob, Autor von „Die Bleibenden“, fasst den Stand der Dinge für die taz zusammen.
„Statt N.s Hinweis zur Kenntnis zu nehmen und ihm nachzugehen, wurde ihm mit Entlassung gedroht, damit er alles zurückzieht, und er zu allem Überfluss auch noch gedrängt, sich zu entschuldigen.“
Der Investor
Masayoshi Son ist der neue Don der Startup-Szene. Der Japaner mit koreanischen Wurzeln hat große Ziele und ein Scheckbuch, in dem jede Null gedeckt ist. In seiner japanischen Heimat hat er den Telekommunikationsmarkt mit seinem Unternehmen SoftBank von hinten aufgerollt, ihm gehört der Chip-Hersteller ARM, mit dessen Designs praktisch jedes Smartphone auf der Welt läuft, ein Teil von Alibaba, Uber und dem chinesischen Mitbewerber Didi. Abgewickelt werden die Investitionen über Vision Fund, einen Fond, der jetzt schon knapp 100 Milliarden US-Dollar schwer ist, und von Apple und Foxconn genauso bestückt wird, wie vom Kronprinzen aus Saudi-Arabien. Masayoshi Son hat den Ruf, die Startups mit deutlich mehr Geld auszustatten, als die eigentlich wollen, Pitches gehen schnell und werden hinter verschlossenen Türen in Tokio abgehalten. Masayoshi Son will Ergebnisse. Träumt von einer Welt mit Robotern und implantierten Computern. Wer ist dieser Mann? Und wie spiegelt sich seine Vision so einer Welt in den neun Milliarden Dollar wieder, die er erst vor kurzer Zeit Uber praktisch aufgedrängt hat? Bei Masayoshi Son kommt keiner mit. Bloomberg porträtiert den ungewöhnlichen Entrepreneur.
„How much do you need to achieve your vision?“
Inside the Eccentric, Relentless Deal-Making of Masayoshi Son
NYC: Lebensader U-Bahn-Netz
New York wäre undenkbar ohne Subway: Das U-Bahn-Netz war die entscheidende Grundlage für das Zusammenwachsen der Stadt im Laufe des letzten Jahrhunderts, heute bewegen sich darin täglich über fünf Millionen Menschen von A nach B. Einziges Problem: Das gute Stück ist maßlos veraltet. Drei-Viertel aller Züge sind unpünktlich. Für die New York Times hat sich Jonathan Mahler auf die Suche nach den Ursachen begeben. Die sind vielfältig und doch eindeutig: der technische Fortschritt ist auf der Strecke geblieben. Ständig geht was kaputt, zu viel muss immer noch manuell gesteuert werden, es braucht massive Investitionen. In seiner Reportage arbeitet sich der Autor in der Hierarchie der Verantwortlichkeit vom Gleisarbeiter bis zum Government empor. Das tolle Lesestück erinnert ein bisschen an die im letzten Jahr empfohlene und immer noch lesenswerte Geschichte über den Berliner Nahverkehr: Warum kommt der Bus zu spät?
„‚We operate the trains,‘ he said. ‚We try to run them on time — 5.66 million average daily riders, 1.7 billion annual riders. Right now, there are 585 trains out there. We will run 8,477 one-way trips over the course of a day. We hope to have 8,477 on-time trains. We’re not going to do it today.‘“