Man kann nicht alle interessanten Texte finden, die die ganze Woche über publiziert werden, geschweige denn lesen. Immer sonntags stellt die Redaktion an dieser Stelle vier bemerkenswerte Artikel vor, die über unsere Displays geflimmert sind und dabei zum Glück abgespeichert wurden.
##Drogenpolitik: 5 harte Lektionen
David Nutt ist als Name sicher nicht vielen bekannt, aber die These, dass der Reitsport gefährlicher sei als Ecstasy zu nehmen, hörten sicher viele Menschen. David Nutt schrieb diese Polemik kurz vor seinem Rausschmiss aus dem Drogensachverständigenrat in Großbritannien. Seine rationale und wissenschaftliche Herangehensweise an Drogen passten nicht in das politische Konzept der Labour-Regierung und so verlor er nach einem gewaltigen Medienrummel seinen Job. Das aufschlussreiche Brandeins-Interview porträtiert den hochdekorierten Professor, Neurologen, Pharmakologen und Psychiater anhand von fünf Lektionen, die Nutt in seiner langen Laufbahn über den gesellschaftlichen Umgang mit Drogen lernen musste.
„Warum kann man Drogen nicht besprechen? Weil sie illegal sind. Warum sind sie illegal? Weil es Drogen sind. Ein argumentativer Zirkelschluss (…)“
Die Menschen im Grenfell-Tower
Während die kollektive Erinnerung an den Brand im Grenfell-Tower schon langsam wieder verblasst, wird sie den Betroffenen unvergessen in Erinnerung bleiben. Von Anfang an begrub die Berichterstattung über mögliche politische Konsequenzen die Geschichten der Betroffenen unter sich. Tom Lamont hat sich für die GQ mit einigen von ihnen getroffen, hat sich erzählen lassen und aufgeschrieben, wie die Nacht ablief und wie es sich anfühlte, wenn man wirklich drin war. Der bewegende Longread stellt die persönlichen Geschichten in den Kontext der Hintergründe und Umstände und immer wieder wird klar: Der Tower hätte nie so brennen dürfen.
„People died in the stairwells; people died near the elevators; people died in their homes. They spoke on cell phones to the emergency services and to family and friends, in any number of languages, until lines disconnected or they just fell silent.“
Musik ist nicht mehr wichtig
Tobias Fischer hat auf beat.de einen durchaus streitbaren und angreifbaren Kommentar veröffentlicht: Musik, so seine These, spielt praktisch keine Rolle mehr im Leben der meisten Menschen. Man ahnt sofort, wie er das argumentieren könnte: Digitalisierung, Streaming, Playlists, Überforderung mit dem Angebot an Musik einerseits und der medialen To-Do-Liste andererseits. Doch tatsächlich vermisst Fischer den Diskurs, der seiner Meinung nach früher von deutlich mehr Menschen engagiert geführt wurde und heute in anderen Bereichen und zu anderen Themen stattfindet. Hierfür sei nicht der mediale Wandel verantwortlich – die Wurzeln lägen vielmehr in gesellschaftlichen Veränderungen, die darin gipfeln, dass sich immer weniger Menschen die Zeit nehmen können oder wollen, sich mit Dingen eingehend zu beschäftigen. Seine Beweisführung ist dabei zwar wenig überzeugend, liefert aber doch interessante Impulse, die zum Nachdenken anregen.
„Der allgegenwärtige Zustand der Reizüberflutung ist eine der Hauptursachen für den wahren Bedeutungsverfall von Musik.“
##Das Problem ist längst da
Steigende Weltmeere sind kein Problem der Zukunft, sondern der Gegenwart und der Vergangenheit, belegen 700.000 Pegeldaten und die Langzeitmessungen des Permanent Service of Mean Sea Level (PSMSL), die schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts Fluthöhen in den Häfen und Küstenorten der Welt dokumentieren. Am dramatischsten ist die Lage in Asien: Um 80 Zentimeter ist das Meer an der philippinischen Küste in den letzten 50 Jahren gestiegen, die Slums um Manila versinken im Wasser. Und während die Meerespegel steigen, wächst auch das Land – durch den Druck der schmelzenden Gletscher.
Die Daten sind unbestechlich: Der Klimawandel lässt schon seit Jahrzehnten das Meer ansteigen.