Man kann nicht alle interessanten Texte finden, die die ganze Woche über publiziert werden, geschweige denn lesen. Immer sonntags stellt die Redaktion an dieser Stelle vier bemerkenswerte Artikel vor, die über unsere Displays geflimmert sind und dabei zum Glück abgespeichert wurden.
40 Jahre „I Feel Love“
Im Juni 1977 erschien der Song „I Feel Love“ von Donna Summer. Produzent dahinter war (wie viele wissen) der Münchner Giorgio Moroder und der Track wird heute noch als einer der wichtigsten Momente für die elektronische Tanzmusik angesehen. Disco, House, EDM, Daft Punk, Synthesizer und Drummaschinen in den Charts – vielleicht hätte die Popwelt in der Tat ohne diesen Glücksfall anders ausgesehen. Für Donna Summer war es der einzige Nummer-Eins-Hit in England. Zum 40. Geburtstag blickt Simon Reynolds zurück und erzählt die umfassende Geschichte zu diesem Hit. Ein Track, der einen weitaus größeren Einfluss hatte, als nur Disco-Partys einen Evergreen zu schenken.
The reverberations of “I Feel Love” reached far beyond the disco floor, though. Then unknown but destined to be synth-pop stars in the ’80s, the Human League completely switched their direction after hearing the song. Blondie, equally enamored, became one of the first punk-associated groups to embrace disco. Brian Eno famously rushed into the Berlin recording studio where he and David Bowie were working on creating new futures for music, waving a copy of “I Feel Love.” “This is it, look no further,” Eno declared breathlessly. “This single is going to change the sound of club music for the next 15 years.”
Song from the Future: The Story of Donna Summer and Giorgio Moroder’s “I Feel Love”
Trump trifft man nicht zum Lunch
Die Ablehnung des „Establishments“ war von Anfang an Kernstück der Trump’schen Rhetorik. Und auch wenn viele dies – wie man heute weiß fälschlicherweise – als Ablehnung einer Politik von und für die Upper Class interpretierten, steckt bis heute ein Stück Wahrheit darin. Georgetown in Washington D.C. war ein halbes Jahrhundert lang der Social Hub dieses Establishments. Der Stadtteil, in dem namhafte Journalisten und Verleger, White House Staff Member, ehemalige Präsidenten, Geheimdienstler, Diplomaten und andere Leute des politischen Zirkels wohnen und sich zu Lunch, Dinner und Gartenparty treffen. Wie man das eben so läuft in guter Nachbarschaft. Das weiße Haus war mal mehr, mal weniger, aber doch stets Teil dieser elitären Kreise. Trump ist es nicht. Seine Mitarbeiter sind es auch nicht. Sie bewegen sich stattdessen in ihrem eigenen Establishment, das nicht den Gärten Georgetowns, sondern im Trump Tower anzutreffen ist. Wer trifft wen und wer mag wen nicht? Yellow Press Inside the Beltway – spannend und relevant.
„‚I think you are going to need a very strong blender to mix the Washington community with the Trump crowd, and I don’t think it’s going to end up being a smoothie,‘ says Sally Quinn, widow of the legendary Washington Post editor Ben Bradlee.“
London: Kultur kommt nicht (allein) von Fabric
Jaja, das Londoner Nachtleben steht vor dem Abgrund, fast wäre sogar der legendäre Club Fabric über die Klippe tanzkulturfeindlicher Stadtpolitik gesprungen. Das ist nicht nur nochmal gutgegangen, sondern hat auch eine weitreichende Diskussion über die generelle Nightlife-Kultur in der britischen Hauptstadt nach sich gezogen. Bürgermeister Sadiq Khan hat gleich mal einen „Zaren d. Nacht“ bestimmt und das Konzept „24h London“ ins Leben gerufen. Nur geht es auch dabei wieder ums liebe Geld, um die Economy des Nachtlebens, um Arbeitsplätze und Nettowerte. Ben Assiter möchte weder in die Unkenrufe der Kulturschreiber einstimmen, noch die Economy-Brille aufsetzen. Stattdessen erinnert er bei Ransom Note daran, dass Kultur mehr ist, als eine zum Glück erhaltene Institution oder noch schlimmer: ein zahlengetriebener Wirtschaftssektor.
„However, where clubs like Fabric or Berghain tend to be treated as symbolic flagships of dance music culture, it has to be remembered that they are only one part of a diverse, non-hierarchical ecology, which includes a wide range of much smaller and less visible cultural spaces.“
Die Südstaaten und die Gentrifizierung
Nicht nur in europäischen Metropolen muss sich der kulturelle Underground tagtäglich gegen Gentrifizierung und Mainstream behaupten (siehe nebenstehenden Text), auch in den USA wird das Leben von Musikern immer schwieriger. Und das auch abseits der Hotspots wie New York oder L.A. Naomi Larsson berichtet für den Guardian aus drei Städten im Süden: Austin, Nashville und New Orleans. Sinnbild für jeweils ganz unterschiedliche musikalische Traditionen, Szenen und Entwicklungen, kämpfen doch die Protagonisten letztendlich mit den gleichen Problemen: Die Musikkultur zieht zwar Touristen an, doch genau dieser wirtschaftliche Aufschwung – besonders spürbar in Austin aufgrund des SXSW-Festivals, das mit dafür verantwortlich ist, dass die Stadt aktuell so schnell wächst wie keine andere in den USA – gefährdet die Kultur, wegen der die Menschen in die Stadt kommen. Die Preise steigen, die Clubs müssen schließen: die alte Spirale der Gentrifizierung. IN allen drei Städten wurde das Problem immerhin erkannt. Reagiert wird hingegen auf ganz unterschiedliche Weise. Welche Strategie wohl am wirkungsvollsten ist?
„Hopefully we can get ahead of the issues we know are coming.“
The Final Bar? How gentrification threatens America's music cities