Will Ferrell wird hartFilmgespräch: „Der Knastcoach“
12.5.2015 • Film – Gespräch: Tim Schenkl, Sulgi LieDer deutsche Verleihtitel der neuen Komödie mit Will Ferrell und Kevin Hart lautet Der Knastcoach und gibt die Zweideutigkeit, die sich hinter dem Originaltitel Get Hard verbirgt, nicht einmal ansatzweise wieder. „Was soll’s?“, haben sich unsere Autoren Tim Schenkl und Sulgi Lie gedacht, sich den Film gemeinsam angeschaut und danach über ihn gesprochen.
Mit Get Hard legt der Drehbuchautor Etan Cohen (Tropic Thunder, Men in Black 3) sein Regiedebüt vor. Zu Beginn des Films plant der erfolgreiche Hedge-Fonds-Manager James (Will Ferrell) im heimischen Palast gerade sowohl die Hochzeit mit seiner attraktiven Verlobten als auch den Umzug in ein noch größeres Haus. Zudem soll er in Kürze von seinem zukünftigem Schwiegervater zum Firmen-Partner gemachte werden. Auch Darnell (Kevin Hart), der aufrichtige Besitzer einer kleinen Autoreinigungsfirma im Parkhaus von James' Unternehmen, möchte in eine bessere Wohngegend ziehen, allerdings fehlen ihm dazu noch 30.000 Dollar und so droht sein Traum von einem neuen, sicheren Zuhauses für ihn und seine Familie zu zerplatzen. Auf seiner Verlobungsfeier wird James dann urplötzlich wegen Betrugsverdachts festgenommen und zu einer einjährigen Gefängnisstrafe in St. Quentin verurteilt. Diese muss er innerhalb von dreißig Tagen antreten. Aus Angst vor Vergewaltigung hinter den Gefängnismauern wendet er sich an Darnell, den einzigen Schwarzen, den er anscheinend kennt, weil er davon ausgeht, dass dieser zwangsläufig über Knasterfahrung verfügen müsse. Darnell soll ihn gegen Bezahlung auf die Zeit im Gefängnis vorbereiten. Obwohl Darnell noch nie selbst mit dem Gesetz in Konflikt geraten ist, willigt er in den Handel ein und beginnt damit, James zu coachen.
Komödie oder Klassenkampf?
Tim Schenkl: Nach Kill the Boss 2 ist Get Hard nun schon die zweite Komödie in kurzer Zeit, die sich kritisch mit White-Collar-Crime auseinandersetzt. Wird der Klassenkampf heutzutage in der Hollywood-Komödie ausgetragen?
Sulgi Lie: Ja, das scheint eine Tendenz zu sein. Tower Heist (2011) von Brett Ratner war ja auch schon so ein Fall. Nur findet in Get Hard der Klassenkampf von oben nach unten statt.
Tim: Wie meinst Du das?
Sulgi: Will Ferrell ist ja am Anfang dieses riesige Finanzkapitalisten-Arschloch, das Kevin Hart als kleinen Autowäscher so richtig fies demütigt. Da hat der Hart am Anfang überhaupt keine Chance gegen den großen weißen Mann. Groß und klein auch im wörtlichen, körperlichen Sinne, Ferrell, der Riese, und Hart, der Zwerg. Ist Hart wirklich so klein?
Tim: Ich denke schon, in seinem Stand-Up-Programm ist seine Größe zumindest häufig Thema.
Sulgi: Seine Klappe ist jedenfalls sehr groß.
Tim: Ja, obwohl auch seine Figur wie die meisten im Film relativ widersprüchlich angelegt ist. Denn Darnell hat zwar ein großes Mundwerk, zuhause jedoch relativ wenig zu sagen. Wenn er dort frech wird, scheuert seine Frau ihm schon mal eine. Die Beziehung der beiden entspricht also nicht dem typischen Klischee. Ganz allgemein ist er ja auch das Gegenteil von hart, denn im Prinzip ist Darnell ja eher ein braver Kleinbürger, dessen größter Wunsch es ist, seine Tochter auf eine Schule zu schicken, wo es keine Metalldetektoren am Eingang gibt.
Sulgi: Warum ist das ein Klischee? Das entspricht doch absolut der Realität der meisten Beziehungen. Der Mann hat doch fast immer wenig zu melden. Ist ja auch okay so, das macht Harts Figur nur umso sympathischer, im Gegensatz zum lächerlich hypervirilen Ferrell, der nach dem morgendlichen Aufstehen in seiner Protzvilla erst einmal seinen Latino-Angestellten sein Gemächt zeigt.
Tim: Der Film spielt offensichtlich viel mit Klischees, bricht diese aber auch häufig. Ich glaube, es gibt keinen Zweifel daran, dass die Geschlechterverhältnisse in Hollywood häufig noch geradezu mittelalterlich dargestellt werden. Die Beziehung zwischen Darnell und seiner Frau zeigt zumindest ein anderes Bild. Aber bleiben wir bei Ferrell, gerade diese erste Szene, wo er morgens aufwacht und sich dann nackt am Fenster präsentiert, ist ja absolut typisch für seine Art von Humor. Findest Du das nicht auch oft ein wenig zu einfach?
Schwarze Mimikry
Sulgi: Ja, diese Body-Präsentation ist typisch für Ferrell, aber das ist auch das Geile an seinen Filmen. Ferrell ist ja das Gegenteil eines schönen Mannes: der aus dem Leim geratene Körper, die kräuseligen Brusthaare, die zu eng aneinander liegenden Augen, all das wird häufig gnadenlos ausgestellt. Der diesbezügliche Höhepunkt seiner Filmografie ist da sicherlich die Szene in Stepbrothers (2008), in der Ferrell seinen Hodensack auf dem Drumset von John C. Reilly reibt.
Tim: Ich konnte mit Ferrell früher relativ wenig anfangen und hatte lange Zeit das Gefühl, sein Humor funktioniere ausschließlich nach demselben Prinzip wie der vieler dieser schrecklichen deutschen Comedians: Ein unattraktiver Mann zieht sich ein unvorteilhaftes Kostüm an, und dann soll das irgendwie witzig sein. Doch mit der Zeit bin ich mit ihm dann doch deutlich wärmer geworden, besonders seine Sachen im Internet finde ich toll, und auch seine Arbeit für die Serie Eastbound & Down gefällt mir sehr. Aber da wir gerade beim Hodensack sind: Bei Get Hard spielt ja der Penis fast durchgehend eine wichtige Rolle. Das geht schon mit dem englischen Titel los, den man ja auch mit „einen Steifen bekommen“ übersetzen kann.
Sulgi: Ja, es dreht sich in dem Film alles um die verschiedenen Konnotationen von „hart“ werden. Kevin Hart ist zwar vom Namen her hart, aber eigentlich muss er ja die fiktionale Rolle des Harten nur performen, weil der rassistische Blick von Ferrell im Afroamerikaner nur den schwarzen Gangster sieht. Darnell ist ja eigentlich ein softer Normalo, wie du schon gesagt hast, muss aber den harten schwarzen Knastbruder spielen, um James für den bevorstehenden Gefängnisaufenthalt abzuhärten — nur damit dieser keine harten Schwänze in den Hintern bekommt. Das Tolle an dem Film ist, wie sich durch diese Mimikry eines Schwarzen, der die rassistische Projektion des Weißen annimmt, die Machtverhältnisse umdrehen. Eigentlich ist Get Hard ein Film über das Schwarz-werden von James unter der Regie von Darnell.
Homophob oder homophil?
Tim: Der Film wurde ja in Amerika sehr stark kritisiert. Ihm wurde vorgeworfen, dass er viel zu viele Klischees bediene und vor allem wahnsinnig homophob sei. Schließlich dreht sich ja in Get Hard wirklich alles um Ferrells Penetrationsangst.
Sulgi: Das finde ich nicht. Klar gehören Analsex-Witze zum Standardrepertoire der neueren Comedies, aber, wie es sich für ein ordentliches Buddy-Movie gehört, ist die eigentliche Love-Story ja die zwischen Ferrell und Hart. Da hat mich der Film an I Love You, Man (2009) mit Jason Segel und Paul Rudd erinnert. Die Homophobie ist ja immer auch Ausdruck der Homophilie.
Tim: Ich würde mich da auch eher auf die Seite der Verteidiger des Films schlagen. Michael Kienzles Argument, dass die Komödie geradezu dazu verpflichtet sei, Klischees zu bestätigen und gleichzeitig zu brechen, leuchtet mir durchaus ein.
Du arbeitest ja gerade an deiner Habilitation zur Hollywood-Komödie. Ein Thema, das Dich dabei schon lange interessiert, sind die sogenannten Schizo-Szenen, wie es sie z.B. in Me, Myself & Irene (2000) gibt. Get Hard enthält ja auch eine tolle Sequenz, in der Hart auf dem Tennisplatz in die Rolle eines Schwarzen, eines Latinos und eines Homosexuellen schlüpft.
Sulgi: Das ist vielleicht der Höhepunkt des ganzen Films. Dieses virtuose, rasend schnelle Wechseln zwischen typisierten Identitäten. Ich glaube aber, es hat hier weniger mit Schizophrenie als mit Mimikry zu tun, wie ich schon angedeutet habe. Die Komik von Hart liegt weniger im Körperlichen als vielmehr in diesen frenetischen, atemlosen Sprach-Salven, die abgefeuert werden. Mit seiner quietschigen, gepressten, nervigen Stimme macht Hart alle fertig. Es ist vor allem Harts Sprache, die sich im Zustand einer Art Dauererektion befindet.
Tim: Damit sprichst Du ein Problem des Films an: Get Hard erreicht tatsächlich sehr früh seinen Höhepunkt. Danach verliert der Film dann leider auch stark seine politische Dimension und driftet in eine eher seichte Buddy-Komödie ab.
Sulgi: Ja, leider. Da traut sich der Film dann doch zu wenig. Will Ferrell entpuppt sich relativ schnell als ein ganz lieber Kerl, der von seinem bösen Stiefvater (Poltergeist-Held Craig T. Nelson in einer netten Altersrolle) reingelegt wurde. Ich hätte es besser gefunden, wenn Ferrell Arschloch geblieben und von Hart richtig in die Tonne gekloppt worden wäre. Aber der Film lohnt sich dennoch, allein schon wegen des grandiosen Weinkrampfs von Ferrell, der schon ganz am Anfang als Off-Ton über den Credits liegt. Im letzten Anchorman war ja auch schon das Geheule des erblindeten Ferrells das absolute Affekt-Highlight des Films.
Get Hard
USA 2015
Regie: Etan Cohen
Drehbuch: Jay Martel, & Ian Roberts und Etan Cohen
Darsteller: Will Ferrell, Kevin Hart, Alison Brie, Edwina Findley, Tip „T.I.“ Harris, John Mayer, Craig T. Nelson
Kamera: Tim Suhrstedt
Musik: Christophe Beck
Laufzeit: 100 min
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