„I am type funny“Filmgespräch: Chris Rocks neue Komödie „Top Five“
13.4.2015 • Film – Gespräch: Tim Schenkl, Alexis WaltzChris Rocks dritte Regiearbeit Top Five ist seine bisher erfolgreichste. Als Co-Produzenten fungierten Jay-Z und Kanye West, und die Besetzungsliste mit u.a. Tracy Morgan, Kevin Hart, Adam Sandler und Jerry Seinfeld liest sich wie das Who-is-Who der amerikanischen Comedy-Szene. Tim Schenkl und Alexis Waltz haben sich den Film gemeinsam angeschaut und sich danach über ihn unterhalten.
Der Stand-Up-Comedian Andre Allen ist seit vier Jahren vom Alkohol weg und steht kurz vor der Traumhochzeit mit dem Reality-TV-Star Erica Long (Gabrielle Union). Ob er nüchtern überhaupt noch lustig sein kann, weiß er nicht so genau und darum versucht er, mit dem Film Uprize, der von Haitianischen Revolution im Jahre 1791 erzählt, ins Charakterfach zu wechseln. Doch so wirklich nehmen seine Fans ihm den Rollentausch nicht ab. Sie wollen ihn am liebsten wieder in der von Allen ungeliebten Rolle des Maschinenpistolen schwingenden Polizeibären Hammy the Bear sehen. Für ein Porträt in der ‚New York Times‘ trifft Allen auf die Journalisten Chelsea Brown (Rosario Dawson), die ebenfalls früher an der Flasche hing. Im Laufe eines Tages unterhalten sich die beiden über Humor, Sex, Erfolg, das Märchen von Cinderella und natürlich darüber, wer die fünf besten Rapper des Business’ sind.
Tim Schenkl: Bert Rebhandls Filmbesprechung von Top Five in der Zeitschrift ‚Cargo‘ vermittelt ein wenig den Eindruck, dass es sich bei dem Film gar nicht um eine Komödie handele, sondern dass Chris Rock versucht habe, es dem Hauptdarsteller Andre Allen nachzumachen, einen ernsten und anspruchsvollen Film zu drehen. Wie siehst Du das, ist der Film eine Komödie, hast Du viel gelacht?
Alexis Waltz: Ich konnte nur selten lachen, für eine Komödie auf jeden Fall zu selten. Die komödiantische Tonalität stellt sich nicht ein. Es ist ist nicht leicht zu erklären, woran das liegt. Christoph Hochhäusler spricht manchmal vom robusten Filmemachen und zumindest diese Art von Komödie setzt ein robustes Filmemachen voraus. Die Prämisse muss klar formuliert, die Charaktere müssen exponiert werden. Das passiert hier nicht: Der Film ist extrem bumpy, brüchig, konfus. Die erste Szene ist ein Flash-Forward, der so irritierend ist, dass ich dachte: Das ist kein Film.
Tim: Ich muss sagen, dass ich schon relativ viel gelacht habe, muss Dir jedoch absolut recht geben, um besonders gutes filmisches Handwerk handelt es sich bei Top Five sicherlich nicht. Dafür bemüht der Film viel zu viele erzählerische Klischees und ist auch ästhetisch deutlich zu konventionell.
Alexis: Ich finde es faszinierend, dass Chris Rock die Herausforderung, einen Film zu machen, gar nicht annimmt, stattdessen eher Improv-Szenen um Topoi aus seinem Stand-Up-Act baut. Wobei ich die Gags im reinen Stand-Up-Format dann doch meist lustiger finde. Auserzählt kommen sie dann doch sehr fies oder düster rüber, wie der Schwulen-Witz, der zu recht stark kritisiert wurde.
Allens New York
Tim: Ich wollte nochmal auf die Eingangs-Sequenz zurückkommen. Da laufen Rosario Dawson und Chris Rock durch die Straßen New Yorks. Er redet schnell und viel und hat die Punchlines auf seiner Seite, sie dient mehr als Stichwortgeberin. Das erinnert sehr an Woody Allen. Wahrscheinlich heißt Rocks Charakter auch nicht zufällig Andre Allen, einerseits sind die Initialen A.A. sicher eine Anspielung auf seine Vergangenheit und Gegenwart als (Anonymer) Alkoholiker, in erster Linie ist der Nachname Allen jedoch eine Verbeugung vor der Allen’schen New-York-Komödie.
Alexis: Diese Interpretation ist interessant, denn sonst kontextualisiert Rock sich ja immer stark im Kontext der afroamerikanischen Kultur.
Tim: Ja, aber in Top Five gibt es auch viele Verweise auf ein weißes Komödienschaffen. Charlie Chaplin (der „KRS-One der Comedy“) und Bill Murray werden als Vorbilder genannt, außerdem spielen ja auch Adam Sandler und Jerry Seinfeld kleinere Nebenrollen. Vor allem kommt in dem Film aber natürlich die schwarze Comedy-Szene zu Wort. Bis auf Dave Chappelle fehlt eigentlich kaum ein angesagter afroamerikanischer Komiker.
Alexis: Anders als Woody Allen will Rock, und das ist zugleich Schwäche und Stärke des Films, den diegetischen Raum nicht schließen, nicht wirklich eine Geschichte erzählen. Die zahllosen Gastauftritte sind immer sehr witzig und voller Energie. Wenn Rock mit Identitätskrise allein durch den Supermarkt wandert, und keine Lines und keine Cameos mehr kommen, löst sich der Film auf, weil es keine wirkliche Geschichte gibt.
Tim: Klar, das erzählerische Gerüst des Films ist schon erbärmlich schwach und könnte fast in einem Volkshochschulkurs-Drehbuch entstanden sein. Gut funktioniert der Film dann, wenn Rock sich auf seine Stärke, das Stand-Up-Element, verlässt. Dann hat das Ganze teilweise eine Qualität, die schon fast an ein Rap-Battle erinnert. Überhaupt sind Verweise auf die Hip-Hop-Szene ja allgegenwärtig.
Alexis: Warum? Weil es Afroamerikaner sind? Weil es New York ist?
Tim: Nein. Neben dem Soundtrack, der ja von Questlove von den ‚Roots‘ kompiliert und komponiert wurde und viele moderne Rap-Klassiker beinhaltet, erinnern mich auch die diversen Gastauftritte an das exzessive Namedropping im zeitgenössischen Rap. Besonders aber die Szene, in der Rock und Dawson an den Ort seiner Jugend zurückkehren, ist stark vom Spirit dieser Musikart geprägt. In dem kleinen Apartment werfen sich die unterschiedlichen Familienmitglieder ununterbrochen gegenseitig Sprüche an den Kopf. Das fand ich schon virtuos und es erinnert eben stark an die Battle-Kultur des Hip-Hop.
Alexis: Absolut. Die Szene ist brillant, funktioniert aber völlig anders als der Rest des Films. Die Härte der Punchlines, die man sich an den Kopf wirft, stehen im starken Kontrast zu den Szenen mit Rosario Dawson. Ich finde es hart und irgendwie traurig, wie wenig sich Chris Rock da auf ein Spiel auf Augenhöhe einlassen kann. Mit der Härte seines Stand-Up-Ansatzes ballert er alles weg, was nicht auf Punchlines basiert. Insofern geht es auch um die Einsamkeit des Komikers. Aber anders als bei Funny People von Judd Apatow, dem großen Vorbild von Top Five, gelingt es Chris Rock nicht, das zum Thema des Films zu machen. Es zeigt sich ein Unvermögen, die Spielfilm-Form zu bedienen. Warum gelingt es Seinfeld oder Louis C.K. ihren Stand-Up zwar nicht zum Film aber doch zur Fernsehserie auszuarbeiten, Chris Rock mit Top Five aber nicht?
Tim: Wie gesagt, ich finde es teilweise schon gelungen, wie Rock seinen Stand-Up-Act in die Spielszenen inkorporiert. Aber ein Louis C.K. ist im Gegensatz zu Chris Rock einfach im Umgang mit sich selbst viel schonungsloser und dazu ist er auch noch ein deutlich besserer Regisseur. Im Laufe der Serie, besonders natürlich in der vierten Staffel, die ich für die bisher beste halte, gibt es für den Zuschauer in Louie aber ja eigentlich auch kaum noch was zu lachen. Da ist das Comedy-Element innerhalb der Erzählung ja fast komplett abwesend.
Alexis: Bei Louie ist die Trennung von Stand-Up und diegetischem Erzählen klar definiert. Lines werden nur gedroppt, wenn er im Comedy Club auf der Bühne steht, sonst bleibt er „in character". Bei Top Five verschwimmen der Chris-Rock-Stand-Up-Act und der fiktionale Charakter dieses Films. Und letzterer ist ja eine ziemlich Kraut-und-Rüben-mäßige Collage aus aktuellen Gemeinplätzen der Celebrity Culture.
Die Verbindung aus Stand-Up-Comedian und Action-Comedy-Hero, auf der die Figur des Andre Allen basiert, habe ich nicht verstanden. Die liegt nicht auf der Hand, da gibt es keine Vorbilder. Oder fällt dir da jemand ein?
Tim: Vieles an dem Film erinnert natürlich an die Ausgangssituation in Birdman. Ein Künstler verkauft sich an ein Hollywood-Franchise und wird von da an von der Öffentlichkeit mit der dargestellten Figur gleichgesetzt, — in Allens Fall Hammy the Bear — er will nun mit einer anspruchsvollen Arbeit seine künstlerische Integrität wiederherstellen — bei Allen ein erfolgloser Film namens Uprize über den Sklavenaufstand in Haiti.
Keiner mag Adam Sandler
Alexis: Das konnte ich auch nicht einordnen. Uprize erinnert als politischer Historienfilm an 12 Years a Slave. In seinem viel beachteten Artikel im Hollywood Reporter über die nach wie vor rassistischen Verhältnisse in Hollywood hat Chris Rock den Regisseur Steve McQueen auch erwähnt. Aber die Bilder aus dem Film im Film sehen aus wie ein unfassbar trashiges B-Movie. Der Sprung von ballernden Bär zu 12 Years a Slave ist ja auch ein wenig anmaßend. Es würde eher Sinn machen, dass er jetzt wieder als ambitionierter Komiker ernst genommen werden will. Chris Rocks nachweisliches Interesse am Rassismus und den Verwerfungen, die dieser in der US-amerikanischen Gesellschaft nach wie vor bewirkt, stellt ihn ja auch über Komiker, die allein mit Zoten arbeiten.
Tim: Ich fand es einerseits schon witzig, wie er Allens Ausflug in den Historienfilm persifliert, anderseits jedoch auch problematisch, denn Rock scheint sich ja in erster Linie darüber lustig zu machen, dass es Menschen gibt, die versuchen, ihre künstlerische Palette zu erweitern oder sich politisch zu engagieren. Das sieht man auch in einer frühen Szene mit Rosario Dawson, in der es um die Fotos geht, die sie neben ihrem Beruf als Journalistin noch macht. Die Aussage ist auch hier relativ eindeutig: Schuster, bleib bei deinen Leisten!
Alexis: Ich war erstaunt, dass der Film den amerikanisches Top-Kritikern (Manohla Dargis, Adrian Brody) weitgehend gefallen hat, während zum Beispiel die Adam-Sandler-Komödien ja per se aufgrund ihre Zotigkeit und ihres schlampigen Handwerks unten durch sind.
Tim: Du mochtest den Film ja anscheinend überhaupt nicht. Kann ich irgendwie auch nachvollziehen, denn im Grunde ist es wirklich Filmemachen auf relativ niedrigem Niveau. Aber ich fand ihn teilweise trotzdem sehr gelungen. Ein guter Schauspieler und Regisseur ist Chris Rock sicherlich nicht, als Stand-Up-Comedian jedoch relativ unschlagbar.
Alexis: Total. Ignatiy Vishnevetsky schreibt: Es sei „a disorganized, dawdling mess of a movie that is rarely anything less than charming.“ Das gilt für die zahllosen Gastauftritte. Aber nicht dafür, wie Rosario Dawson als in den Film eingebautes Publikum instrumentalisiert wird. Bei Stand-Up ist der Performer so sehr der möglichen Ablehnung durch das Publikum ausgesetzt, dass er eine gewisse Härte (und zum Teil auch Menschenverachtung) an den Tag legen darf. Im Film kommt diese Härte aber als reales menschliches Defizit rüber, wenn man sich zu anderen Menschen jenseits des Austauschs von Punchlines nicht in Beziehung setzen kann. Das Scheitern der Begegnung des Komikers mit „echten“ Menschen ist auch das Scheitern des ganzen Films.
Tim: Schön gesagt, aber vielleicht doch etwas zu hart formuliert. Hast Du eigentlich eine Top-Five?
Alexis: Rakim, Schooly D, Snoop, Nas, Kanye.
Tim: Ich übergehe mal die Originators und sage: Jay-Z, Nas, Jadakiss, Snoop Dogg und Q-Tip.
Top Five
USA 2014
Regie & Drehbuch: Chris Rock
Darsteller: Chris Rock, Rosario Dawson, J.B. Smoove, Adam Sandler, Jerry Seinfeld, Tracy Morgan, Kevin Hart, Whoopi Goldberg, Gabrielle Union, Cedric the Entertainer, Sherri Shepherd
Kamera: Manuel Alberto Claro
Musik: Amir ‚Questlove‘ Thompson
Laufzeit: 102 min
ab dem 16.4.2015 im Kino
Alexis Waltz ist Musikjournalist, Kulturwissenschaftler und Dramaturg. Er arbeitet für Spex, Groove und die Süddeutsche Zeitung. Alexis lebt in Berlin.