Zu viele gute Serien, zu wenig Zeit. Rabea Tanneberger stellt ihre TV-Highlights 2014 vor.
Man kann mit Sicherheit sagen, dass sowohl quantitativ als auch qualitativ 2014 ein großartiges Jahr für die Fernsehserie war. Amerikanische TV-Serien haben mittlerweile so viel an Prestige gewonnen, dass es keine Ausnahme mehr ist, große Kino-Stars in Fernsehproduktionen zu sehen. Auch beteiligen sich immer mehr Autoren-Regisseure wie David Fincher („House of Cards“), Steven Soderbergh („The Knick“) und die Coen-Brüder („Fargo“) an Serienproduktionen. Die internationale Expansion des Online-Anbieters Netflix hat sein Übriges zur allumgreifenden Serien-Obsession und der Kultur des Binge-Watching beitragen.
Angesichts der Unmengen von qualitativ hochwertigen Fernsehshows lohnt es sich umso mehr, jene Serien-Neulinge Revue passieren zu lassen, die 2014 aus der Masse herausragten. Meine Liste, die sich auf jene Serien beschränkt, die 2014 in ihrer 1. oder 2. Staffel über unsere Bildschirme flackerten, erhebt selbstverständlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit. So mag vielleicht der eine oder andere Serien-Highlights der letzten Monate wie „Bob’s Burgers“, „Transparent“, „The Leftovers“ oder „True Detective“ vermissen. Die (traurige) Wahrheit ist jedoch: Das Leben ist zu kurz, um all die guten Serien zu sehen, die aktuell produziert werden. Gern möchte ich versuchen, bei der Entscheidung zu helfen, für welche der neuen Serien sich unsere kostbare Zeit auf der Couch wirklich lohnt.
##7. Orphan Black
Zugegeben, die zweite Staffel der kanadischen SciFi-Serie „Orphan Black“ schrammt nur sehr knapp am Horror-Trash vorbei. Nichtsdestotrotz ist es die Serie über ein Klon-Experiment durchaus wert, über die teilweise hanebüchene Story hinwegzusehen. In einer Serienlandschaft, in der immer mehr Wert auf Looks als auf Inhalte gelegt wird, zeigt sich „Orphan Black“ erfrischend uneitel und zieht ihre Zuschauer mit einer spannenden Storyline und mit absurder (manchmal ungewollter) Komik in ihren Bann. Allein für Tatiana Maslany, die extrem talentierte Hauptdarstellerin, die die meiste Zeit mit sich selbst spielen muss, lohnt es sich, dem „Clone-Club“ eine Chance zu geben. Doch nicht vergessen: First Rule of the Clone-Club: Don’t talk about the Clone-Club.
##6. How to get away with murder
Falls es so etwas gibt wie die perfekte Pilot-Folge, dann ist es die erste Episode von „How to get away with murder“. In dem Juristen-Thriller lösen/vertuschen/begehen fünf Jurastudenten Mordfälle unter der Anleitung ihrer Professorin Annalise Keating (Viola Davis). Produzentin und „Creator“ Shonda Rhimes („Grey’s Anatomy“, „Scandal“), die sich bereits in der Vergangenheit als die Agatha Christie der Drama-Serie etabliert hat, beweist hier auf ein Neues, dass sie ihr Fach beherrscht. Was der Serie an Realismus fehlt, macht sie mit einem exzeptionellem Storytelling, unberechenbaren Twists und einer spannenden Figurenkonstellation wieder wett. Letztlich will ja auch keiner sehen, was Jura-Studenten im ersten Semester wirklich machen.
##5. Masters of Sex
Die Showtime-Serie, die die Geschichte von Virgina Johnson (Lizzy Kaplan) und William Masters (Michael Sheen) erzählt, die eine der ersten wissenschaftlichen Studien zum Thema Sexualität durchführten, bezeichnete New-Yorker-Autorin Emily Nussbaum sehr treffend als “Mad Men with Benefits“. Die stylische 50er-Jahre-Ästhetik und das heutzutage kaum noch skandalöse Hauptthema der Serie sind jedoch nur ein kleiner Teil dessen, was „Masters of Sex“ ausmacht: Vielmehr wird hier in zehn elegant komponierten Folgen erzählt, wie in den fünfziger Jahren Homo- und Intersexualität, Rassenfragen und Gender- und Beziehungsdynamiken verhandelt wurden – nur um aufzuzeigen, dass die Veränderungen, die seitdem stattgefunden haben, viel geringer sind, als man zunächst annehmen möchte.
##4. The 100
Man nehme eine Portion „Lost“, etwas von den „Hunger Games“ und eine Handvoll Teenager, die allesamt aussehen, als seien sie direkt von der Titelseite der Vogue geklettert, und man kann sich eine gute Vorstellung von „The 100“ machen: Die CW-Serie spielt in einer postapokalyptischen Zukunft, in der die Menschheit nach dem nuklearen Krieg auf eine Raumstation übersiedeln musste. Da der Sauerstoff knapp wird, werden 100 minderjährige Straftäter auf die Erde gesandt, um zu testen, ob diese immer noch radioaktiv verseucht ist. Zu Anfang der 1. Staffel noch etwas holprig und stereotyp, mausert sich die Serie in der derzeit laufenden Staffel zu einer der spannendsten und komplexesten SciFi-Serien in der Fernsehlandschaft. Und wer mit Science Fiction nichts anfangen kann, schaltet vielleicht für den selbst für TV-Verhältnisse überdurchschnittlich gut aussehenden Cast ein.
##3. You’re the Worst
Wie üblich sind die meisten der Comedy-Neulinge, die in diesem Jahr starteten, im wahrsten Sinne des Wortes schon wieder von der Bildfläche verschwunden. So mussten selbst Produktionen wie „Selfie“ mit Filmstar John Cho oder das von Will Ferell co-produzierte „Bad Judge“ schon nach einigen Episoden wieder dran glauben. Eine von den wenigen Sitcoms, die eine Verlängerung bekamen, war „You’re the Worst“ – und dies absolut zu Recht. Die Sitcom über Jimmy, einen selbstgerechten englischen Schriftsteller, und Rebeca, die unreife PR-Agentin des adoleszenten Rappers „Shitstain“, ist geprägt von unzensierter sozialer Inkompetenz, geistreichem Sarkasmus und absurder Selbstreflexivität.
##2. Orange is the New Black
Die Qualität der Netflix-Serie über die Verhältnisse und Machtstrukturen im Frauengefängnis hat sich in ihrer heiß ersehnten zweiten Staffel noch einmal gesteigert. Neben einer ausbalancierte Mischung aus scharf pointierter Komik und somatischer Dramatik bietet „Orange“ auch eine der differenziertesten Darstellungen von Weiblichkeit, die es im Fernsehen zu sehen gibt.
##1. Fargo
Dass es nicht immer gut geht, wenn man versucht, aus einem Kult-Film eine Serie zu machen, hat Robert Rodriguez mit seiner Netflix-Adaption von „From Dusk till Dawn” prominent bewiesen. Das in Deutschland ebenfalls bei Netflix erhältliche Serienprojekt „Fargo” steht seiner filmischen Vorlage an Grandiosität kaum nach. Ganz im Gegenteil! Es scheint, als sei der Geist des Films in „Fargo” neu zum Leben erweckt worden. Dies mag einerseits an dem hochkarätigem Cast liegen, der Martin Freeman und Billy Bob Thornton, aber auch die unheimlich talentierte Allison Tolman umfasst. Vor allem aber schafft es „Fargo“ scheinbar mühelos, elegante Kinematographie mit einer Storyline zu verbinden, ohne dabei jemals seine Faszination zu verlieren. Fazit: Wer „Fargo“ noch nicht geguckt hat, sollte dies schleunigst nachholen!