Hollywood-Niveau trotz Babelsberg-BudgetFünf großartige Musikvideos von Hiro Murai
31.10.2014 • Film – Text: Tim SchenklDer amerikanische Regisseur Hiro Murai dreht Musikvideos, die an bessere Zeiten erinnern, die lustige wie traurige Geschichten erzählen, die einen mitreißen. Mal in den Abgrund. Dann wieder gen Himmel.
Die Herausgeber der DVD-Reihe Directors Label machten es sich Anfang der 2000er-Jahre zur Aufgabe, die Werke der wichtigsten Musikvideo-Regisseure in aufwändig gestalteten DVD-Packages mit jeder Menge Bonus-Material und exklusiven Hintergrundinformationen zu veröffentlichen. Für Musik-Fans wurde besonders das erste Box-Set der Reihe, das die Arbeiten von Spike Jonze, Chris Cunningham und Michel Gondry beinhaltet, zu einem Kult-Gegenstand, der immer dann aus dem Regal geholt wurde, wenn es darum ging, einen bis dahin noch Ungläubigen in die Welt der kreativen und eigenständigen Pop-Promo einzuführen. Die Erstausstrahlungen neuer Musik-Videos waren seinerzeit regelrechte Events und die Regisseure selbst Pop-Stars, denen Millionen-Budgets für ihre Projekte zur Verfügung standen.
Eine Fortsetzung der legendären Reihe schien bis vor kurzem kaum mehr vorstellbar: Schon zu lange hat die Branche keinen neuen Star mehr hervorgebracht, ein wirkliches Musikfernsehen ist eigentlich nicht mehr existent und die alte Garde der Regisseure ist längst nach Hollywood abgewandert. Zwar kursieren im Internet mehr Musikclips denn je, doch abgesehen von einigen wenigen Ausnahmen haben diese meist sehr schnell und mit vergleichsweise niedrigen Budgets realisierten Videos nicht mehr die visuelle und künstlerische Qualität wie in den Zeiten, in denen es für einen Musik-Star noch geradezu Pflicht war, seine neue Single für viel Geld von einem der gerade angesagten Star-Regisseure visualisieren zu lassen.
Große Kunst für wenig Kröten
Hiro Murai würde sich bestimmt auch größere Budgets für seine Musikvideos wünschen. Gemeinsam mit seinem kongenialen Partner, dem Kameramann Larkin Seiple, scheint er jedoch in in der Lage zu sein, auch mit eher geringen finanziellen Mitteln Musikvideos von solch visueller und künstlerischer Qualität zu realisieren, dass man sich als Zuschauer an die goldenen Zeiten des Musikfernsehens erinnert fühlt. Murai machte seine ersten Schritte in der Video-Produktion als Kameramann und VFX-Artist. Er betont häufig, wie hilfreich die damals gemachten Erfahrungen heute für ihn seien, wenn es darum gehe, die Produktionskosten seiner Projekte möglichst niedrig zu halten. Erstmals zog er die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich, als er im Video zu Earl Sweatshirts Single Chum eine Kröte zum visuellen Fixpunkt des an Orson Wells’ Touch of Evil angelehnten Videos werden ließ.
Darauf folgten Zusammenarbeiten mit Chet Faker, für den Murai ein One-Shot-Video irgendwo zwischen Lost Highway und Rollschuhbahn inszenierte, und den Queens of the Stone Age, für die er eine Art Asia-Remake von Prodigys Smack my Bitch up-Video drehte.
##Nächste Ausfahrt Hollywood
Zu Hiro Murais wichtigsten Kollaborateuren zählt Donald Glover a.k.a. Childish Gambino. Für ihn realisierte der in Japan geborene amerikanische Regisseur bereits mehrere Videos und machte ihn auch zum Hauptdarsteller seines Kurzfilms Clapping for the Wrong Reasons, den man sich auf seiner Webseite anschauen kann. Es darf also spekuliert werden, dass es auch Hiro Murai in nächster Zeit nach Hollywood ziehen wird. Hoffentlich dreht er vorher noch einige Videos, wie das für Flying Lotus’ aktuelle Single Never Catch Me, das für mich den Preis für das Video des Jahres bereits in der Tasche hat.