Die beste Stereoanlage der Welt?Mercedes SL und der Signature Sound
2.1.2014 • Technik & Wissen – Text & Bild: Ji-Hun KimAutobauer entdecken den Sound für sich neu. Dabei geht es nicht nur um das sonore und balancierte Brummen eines V8-Motors, auch wird die Musikanlage wieder zur Anwendungsspielwiese neuer Technologien und ist vor allem im Sektor Sportwagen der höheren Preiskategorie der neue Way to go.
Seien es Ferrari FF, Porsche 911 Carrera oder der Edelroadster Mercedes SL, alle arbeiten mit neuerdings präzise abgestimmten Soundsystemen, die extra für das jeweilige Auto in Zusammenarbeit mit HiFi-Experten hergestellt wurden. Das alles hat mit dem typischen Bild des provinziellen Autotuners mit Oktoberfestbierfassgroßen Subwoofern im Kofferraum nicht mehr viel zu tun. Perfektionieren an allen möglichen Stellen, das Auto als Klang- und Resonanzkörper verstehen, jahrzehntealte „Fehler“ im Verbauen von Musikanlagen beheben, das ist die Devise.
Bei Mercedes-Benz geht man mit dem Projekt Signature Sound noch einen Schritt weiter. In Zusammenarbeit mit Skywalker Sound, dem Tonstudiokomplex, das zum Lucasfilm-Imperium (Star Wars) gehört und dem Grammy-Gewinner und Soundproduzenten Herbert Walt (Media Hyperium), wurden 25 Songs/Musikstücke aus dem Bereich Pop und Klassik für den SL neu abgemischt. „Normalerweise wird Musik für den Stereo-Standard produziert. Unsere Aufgabe bestand darin, die Rechte für die Einzelspuren der Stücke zu bekommen, um ein neuartiges 5.1-Sounderlebnis zu erschaffen, das exakt auf den Innenraum des Roadsters abgestimmt ist“, so Waltl.
Ein mutiges Unterfangen, sind doch gerade im Popbereich die Stereo-Mastertapes so etwas wie der heilige Gral der Musikproduktion. Unantastbar und für die Ewigkeit bestimmt. Noch mal die diskreten Einzelspuren zu bekommen und ein neues Mastering anzuberaumen, ist in etwa so, als hätte man Pablo Picasso gefragt, ob man das Gelb seiner Les Demoiselles d‘Avignon durch ein neues, „besseres“ ersetzen dürfte. Dass dies aber geklappt hat, spricht auch für die Reputation des Dreigestirns Lucasfilms, Mercedes-Benz und Herbert Waltl. Eigens dafür wurde ein SL ins Studio gekarrt, um Songs wie Pokerface (Lady Gaga), Owner of the loney heart (Yes), aber auch sinfonische Klassiker wie Beethovens 5. oder Griegs Peer Gynt Suite neu auf fünf Kanäle zu mixen und zu mastern. Der Master Engineer wurde hierbei mit seinem Equipment ins Auto gesetzt, statt wie gewöhnlich, wo die fertigen Spuren in sein Masterstudio geschickt werden.
Supertramp
Leslie Ann Jones, die Chefin von Skywalker Sound und ebenfalls mehrfache Grammy-Gewinnerin hat schon mit Miles Davis, Herbie Hancock, B.B. King und dem Kronos Quartet gearbeitet, zeigt sich aber auch für den Sound von Hollywoodfilmen wie Apocalpyse Now und Requiem for a dream verantwortlich. Monatelang hat sie sich im Studio verschanzt, um dem Signature Sound sein Gesicht zu verleihen: „Es war auch für mich eine neue Herausforderung. So etwas habe ich noch nie gemacht. Sitzpostion von Fahrer und Beifahrer zu berücksichtigen, so wie die Lautsprecherpostionen im Auto. Wir haben, so hoffe ich, ein ultimatives Klangerlebnis geschaffen, dass es so noch nicht gegeben hat.“ Auf die Frage, wen sie auf ihrer Wunschliste für den Signature Sound hat, antwortet sie mit einem ehrlich verschmitzten Lächeln: Supertramp. Nicht weil es aus technischer Sicht eine besondere Herausforderung wäre, sondern weil sie einfach nur Fan sei.
Der Signature Sound beeindruckt in der Tat. Streicher rauschen selbst bei offenem Verdeck über den Scheitel als würde man mitten im Orchestergraben hocken. Gitarrensoli klingeln brillant und das in der Mittelsäule integrierte Frontbass-System kickt sanft gegen die Brust. Im Moment kommen zwar nur Kunden eines neuen SL in den Genuss dieses exklusiven Tonträgers. Aber Innovationen wären für Mercedes-Benz keine Innovationen, hätten sie nicht auch das Potential für Abwärtskompatibilität. Es sei kein Widerspruch diesen Ansatz in Zukunft auch in A-, oder C-Klassen zu finden. Denkt man daran, dass Systeme wie ABS, Airbag und Dreipunkt-Gurt ihre Weltpremieren in der S-Klasse hatten und heute zum Standard selbst für kleinste Autos gehören, kann man selbst so einem im Ansatz größenwahnsinnigen Soundprojekt Zukunftsglauben schenken. Vor allem wird hierbei eine Grundregel der Popmusikproduktion auf den Kopf gestellt. Es hieß bekanntlich sonst: Ein fertiger Song muss auch im schlechten Autoradio gut klingen. So langsam wird das Auto aber vielleicht zur besten Stereoanlage überhaupt.