Plattenkritik: Lone - Reality TestingMatt Cutler wird milder, aber nicht minder spektakulär

Plattenkritik Lone Reality Testing

Mit seinem mittlerweile sechsten Album macht Lone aka Matt Cutler vieles richtig. Vieles sogar so richtig, dass man selber gar nicht drauf gekommen wäre. Ein funkelnder, perfekter Diamant, eine kluge, dezente Fortschreibung von elektronischer Musik und eines der bislang besten Alben 2014.

Der ursprünglich aus Nottingham stammende Lone (Matt Cutler) war für viele schon früh so etwas wie ein Lieblingsproduzent. Wie wenig andere verstand er die Essenz der britischen Fortschreibung des Hardcore Continuums zu destillieren und dennoch dabei schweineartig mit Rum und Irn-Bru statt mit sophisticated handmade Craftcoffee zu fetzen. Gut, die J Dilla-Referenz ist mittlerweile so dünn gebügelt wie Strudelteig und wenn auch immer im gleichen Atemzug mit Floating Points oder auch Four Tet genannt. Lone ist nicht das auratische Idol mit Bildungsauftrag weit weg oder der, der mantramäßig angehechelt werden müsste. Cutler ist ein Typ mit dem man skaten gehen will. Mit dem man nach drei verkackten Ollies eine dicke Bong auspacken möchte. Abcornern, aber so richtig. Als 2010 das Album „Emerald Fantasy Tracks“ auf Werk Discs erschien, hat es für die Definition von Tanzmusik der Insel viel vorweggenommen. Die meisten ächzten intellektualisiertem Dubstep hinterher: Hyperdub, Hotflush, Substance-Partys im Berghain und bitte Simon Reynolds lesen nicht vergessen. Mittlerweile berufen sich auch dort die meisten auf konservativere, geradere Beats, die nicht nur isoliert im UK funktionieren. Cutler wusste das alles schon irgendwie vorher.

Lones Liebe zu ewig langen Melodien, wunderbaren Chordprogressionen, eleganten Breakbeats und dem knallharten Rave war damals bereits unwiderstehlich. Bei seinem mittlerweile zweiten Album „Reality Testing“ auf R&S Records (insgesamt ist es sein sechster Langspieler) wird das alles konsequent weiter geführt. Allerdings mit weniger Großraum, mehr Listening, fast altersweise ein bisschen ruhiger. Wie verstehen sich Detroit Techno und Chicago House mit HipHop in den Fingern eines Lone, so die dogmatische Auseinandersetzung. Das Uplifting-Spektakel deutet sich bei Nummern wie „Aurora Northern Quarter“ kurz an, filtert aber schnell wieder zurück. Die Tracks „Airglow Fires“ und „Begin To Begin“ kennt man noch von seiner EP aus dem vergangenen Jahr. Will man Reality Testing mit dem 2012er Album Galaxy Garden vergleichen, muss man sagen, dass Reality Testing Matt Cutler von seiner fokussierten Seite zeigt. Wirkte Galaxy Garden noch wie ein Kindergarten mit Orff-Instrumenten auf zu viel Speed im About Blank (es war manchmal ein bisschen zu viel des Guten), ist das hier, ja nun, irgendwie perfekt. Die Sounds ausbalanciert, noch mehr HipHop ohne Yo MTV!-Diskomuff. Die Abfahrt austariert. ESP aus und trotzdem wie auf Schienen, wie man in den 90ern gesagt hätte. Das Album macht trotz der Vielseitigkeit der Tracks aber auch nicht den Fehler ein Alibi-Album zu sein. Frei nach dem Motto: „Nach dem Breakbeat, ein ruhiges Stück, ein Clubstomper und wieder zurück.“

Reality Testing könnte man gar wörtlich nehmen. Anders als bei seinem Labelmate Space Dimension Controller werden hier keine futuristischen Utopien bemüht. Die Gefühle entstehen in der Gegenwart, mit all den Wirren und Komplexitäten der Jetztzeit, aber auch mit der nötigen Distanz und vor allem mit viel technischer Finesse und gutmenschlicher Wärme. Lone liefert eines der bislang besten Alben des Jahres ab. Weil es romantisch ist, weil es klug ist, weil es charmant Ghetto ist. Aber auch weil es das Erbe der englischen Elektronik (Warp und Co.) mit dem richtigen und verpunkten Twist weiterführt. Viel besser kann man es wahrscheinlich wirklich nicht machen.

Lone, Reality Testing, ist auf R&S Records erschienen.
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