Gärten der Welt – #2Streifzüge durch die musikalischen Peripherien

Gärten der Welt lede 02

Das Foto wurde von Lieven Martens zur Verfügung gestellt. Es ist ursprünglich Teil einer Veröffentlichung namens „Gardens, Fire and Wine“, die aus sieben Postkarten und einem Download Code besteht. Martens ist ein Freund botanischer Gärten und dieser Kolumne. Von Antwerpen aus betreibt er das Label Edições CN.

Die Welt ist eine Scheibe und ganz am Rand, an der unscharfen Peripherie, blüht der Sound bunter, überraschender und kompromissloser. Das kann mal so, mal so klingen. In seiner Kolumne „Gärten der Welt“ unternimmt Christian Blumberg regelmäßige Streifzüge durch genau diese Peripherien. Dieses Mal im Garten: Sugai Ken, Monopoly Child Star Searchers und Samaritan Quell.

SUGAI KEN Artwork

SUGAI KEN meets G禁禁禁禁 – 岩石考 -yOrUkOrU- (Yerevan Tapes)

Bisher ließ sich die Musik von Sugai Ken als Amalgam aus traditioneller japanischer Musik, Naturgeräuschen und subtilen Soundscapes zusammenfassen. Gelegentlich spielten auch Stille und Pausen eine Hauptrolle: Auf seinem letztjährigen Album für RVNG Ltd. ließ er den ambienten Klangfluss zugunsten bukolisch anmutender Field Recordings auch schon mal gänzlich versiegen. Auf „岩石考 -yOrUkOrU-“ (erschienen beim italienischen Tape-Label Yerevan) werden diese Parameter nun spürbar verschoben. Der Titel – er bedeutet übersetzt wohl so etwas wie „Überlegungen zu Steinen“ oder, wäre auch treffend, „Überlegungen der Steine“ – deutet dies bereits an. Verspricht er doch qua Sujet weniger nachgiebige Klanggebilde. Und tatsächlich sind die teils sehr konkreten Sounds hier ungewohnt kantig und schroff. Auch den industriell gefertigten Sphären der Welt wird hier zu ihrem Recht verholfen – und sei es nur über den gesampelten Vibrationsalarm eines Mobiltelefons oder die Verfremdungseffekte von Stimmen, die in ziemlich artifizielle Register kippen können. An die Stelle des klanglichen Zen-Gartens ist bei diesen Aufnahmen eine unesoterische Geräuschmusik getreten, deren Pausen kein Innehalten evozieren wollen, sondern eher gezielt disruptive Eingriffe sind.

Garten-Breaker
Monopoly Child Star Searchers Artwork

Monopoly Child Star Searchers – Make Mine, Macaw (Discrepant)

Spencer Clark ist hingegen ein Freund gezielter Unordnung. Als Monopoly Child Star Searchers – nur eines seiner vielen Aliasse – setzt er nicht bloß auf die Auflösung von Songstrukturen. Auch klanglich wird hier in Lo-Fi-Tradition alles in ein überschaubares, sehr „mittiges“ Frequenzspektrum gepresst. „Make Mine Macaw“ (eigentlich schon 2010 entstanden, aber acht Jahre später nun offiziell veröffentlicht) ist ein Meltdown aus Percussion, Noise und an allen Gesetzen der Harmonik vorbei-jammender Instrumente. Es ist auch eine offensichtliche Umarmung nicht-westlicher Musiken, die manch westlich konditioniertem Ohr noch immer fremd vorkommen mag. Clarks Musik ist nicht frei von Exotismus, zielt aber nie auf die Reproduktion kultureller Klischees und Konnotationen, sondern eher ins Utopische: Seine Musik will Clark denn auch nicht als Fourth-World-Musik verstanden wissen, sondern als die Fourth-World-Musik einer Fourth World – kultureller Konjunktiv in Potenz. Auch als Musik entwickelt das durchaus onirische Qualitäten.

Garten-Breaker
Samaritan Quell Artwork

Samaritan Quell – s/t (Monofonus Press)

Konzeptionell dünner, klanglich jedoch etwas dicker wird es bei Samaritan Quell. Um nicht-westliche Musik geht es auch bei diesem Projekt, welches Bill Converse (der sonst Acid-verliebten Techno produziert) und Sam De La Rosa (der es bislang eher mit Synthesizern und in Schwarz gewandetem Rock hatte) verantworten. Zusammen machen sie eine Art tribalistischen Dark Wave mit Ethno-Garnitur, wie man ihn sich 1990 auch schon hätte ausdenken können: Stoische Drumcomputer und geschichtete Loops beschwören eine Zeit, in der Gruppen wie zoviet:france noch für ernsthafte Verwirrungen sorgten. Nicht mal die kluge testcard wollte sich dereinst entscheiden, ob solche Musik nun „latent rechts“ sei oder doch als subversive Klangphänomenologie gehört werden könne. Samaritan Quell werfen nun (so viel greifbarer ihre Musik auch sein mag) genau diese Fragen wieder auf: Appropriation oder appreciation? Die ästhetischen Kategorien bleiben offenkundig diffus: Samaritan Quell handeln mit Atmosphären, die das klanglich „Andere“ als Stimmungsverstärker nutzen und somit in erster Linie einen Moment gegenaufklärerischen Rumorens aktivieren. Bei aller Retromanie setzt sich ihre Musik in eine politische Nebelzone, von wo aus sie die eigene Uneindeutigkeit hörbar genießt.

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