GmbH: „Wir hatten keine Wahl“Das Filter empfiehlt den Telekom Electronic Beats Podcast

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Seit einigen Jahren ist das Berliner Mode-Label „GmbH“ ein fester Bestandteil der Clubkultur. Die Gründer Alexander Huseby und Serhat Isik machen nicht nur Fashion, sondern haben auch einen klaren Fokus auf Zielgruppe und Heritage – und engagieren sich in genau den Bereichen, die in den Clubs heute stärker denn je diskutiert werden. Jakob Thoene hat sich für die neueste Folge des Telekom Electronic Beats Podcast mit den beiden Gründern Benjamin Alexander Huseby und Serhat Isik unterhalten.

Auf dem Dancefloor schwitzt es sich besonders gut, wenn man sich wohl fühlt. Das kann mit den unterschiedlichsten Strategien erreichen – was man auf der Tanzfläche anhat, oder eben auch nicht, spielt dabei sicher eine entscheidende Rolle. Und auch wenn die Zeiten der frühen Raves, bei denen die Langarm-T-Shirts nicht weit und grell genug sein konnten, lange vorbei sind: Mode und Techno sind eng miteinander verknüpft. Das spricht nicht gegen den alten und hoffentlich noch immer gültigen Grundsatz, dass auf dem Floor alle gleich sind und man eben nicht um vermeintliche Äußerlichkeiten gemessen wird: Fashion – oder einfach bestimmte Styles – schaffen Identität und Identifikation, sind visuelle Marker, die das Gefühl der Zusammengehörigkeit verstärken können. Eine Gang bleibt eben eine Gang, ganz egal, was gerade läuft.

Das wissen auch Benjamin Alexander Huseby und Serhat Isik. Der Fotograf und der Mode-Designer lernten sich auf dem Dancefloor kennen – und gründeten 2015 gemeinsam das Mode-Label „GmbH“. Keine gewöhnliche Brand – ganz im Gegenteil. Von den Materialien über die Models bis zur klar formulierten Haltung zu Politik und Gesellschaft: GmbH ist in der Clubkultur nicht ohne Grund zur Kult-Marke geworden – und weit darüber hinaus. Warum sonst war das Label 2020 der einzige deutsche Vertreter auf der Pariser Fashion Show?

„Ich habe mich immer für Textilien interessiert“, sagt Serhat. In Herne aufgewachsen, war die Mode-Stadt Düsseldorf nicht weit. „Mode hingegen fand ich nie sonderlich spannend. Ich wollte mich kreativ betätigen, das war alles. An der Kunsthochschule studierte ich zunächst Management, bevor ich mich auf Mode-Design konzentrierte. Bei Benjamin war es genau umgekehrt: Den Norweger mit pakistanischen Wurzeln faszinierte Mode schon als Teenager. „Wir machten schon als Jugendliche Shootings. Ich studierte in London Kunst und blieb nah dran an der dortigen Mode-Szene. Mich interessierte der Zusammenhang zwischen Fashion und dem Körper, wollte herausfinden, wie sich diese beiden Dinge zueinander verhalten. Ich wollte aber eigentlich immer eigene Entwürfe machen. Als ich Serhat getroffen hatte, wurde das plötzlich möglich.“

I don’t have any weapons

So hieß die erste gemeinsame Kollektion. Damit setzte das Duo von Anfang an den richtigen Ton. „Mir ging es schon immer um Identität. Ich habe türkische Wurzeln. Natürlich war das ein Thema“, sagt Serhat. „Damals kam das nicht sonderlich gut an. Es war in der Branche einfach nicht normal, solche Themen zu wählen. Zum Glück verändert sich das aktuell.“ Von Beginn an engagierten man sich bei GmbH für Minderheiten. Die Models waren und sind POC – Immigrantinnen, die in diesem Geschäft sonst keine messbare Rolle spielen. „Als wir als GmbH begannen, galt die Idee, Mode und Politik irgendwie zusammenzubringen, fast als obszön. Ihr könnt nicht erfolgreich sein, wenn ihr diese Dinge vermischt, hieß es dann immer. Heute wird Repräsentation sogar auf dem Cover der Vogue visualisiert. Irgendetwas haben wir also richtig gemacht“, fügt Benjamin hinzu. Ob man mit dieser Strategie nun Kund\innen gewinnt oder verliert, war den beiden egal. „Wir hatten keine Wahl. Das ist unsere Geschichte.“

Wie diese Geschichte genau aussieht, zeigt das aktuelle Video von GmbH.

Der Film entstand während des Lockdowns in Berlin. Beide Designer waren positiv und hatten zum Zeitpunkt des Drehs das Schlimmste gerade überstanden. Während der Rekonvaleszenz lag ihr Unternehmen so gut wie brach – der Online-Shop generierte immerhin ein paar Einnahmen. Die Bescheidenheit in der Darstellung repräsentiert die Grundhaltung von GmbH. „Es geht nicht darum, Slogans auf T-Shirts zu drucken. Ich will nicht für reiche Menschen designen, die diese Sprüche dann zur Schau stellen. Das ist ein schwieriger Spagat, denn natürlich sind unsere Teile teuer.“

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Bei GmbH geht es um das Zusammenbringen zweier Tatsachen, die sich in den beiden Familien der Gründer widerspiegeln: Ihre Verwurzelung in der Arbeiterklasse einerseits und den Drang sich dennoch – oder gerade deshalb – zu bestimmten Gelegenheiten schick zu machen. Das eine schließt das andere nicht aus – natürlich nicht! –, und dennoch ist es die Wahl der Materialien und des Styles, die dieses Zusammenkommen explizit umsetzen. „Es geht weniger um bestimmte Materialien, sondern vielmehr um den Grund, warum man es einsetzt. Das steht für Schönheit. Für Einzigartigkeit. Deshalb arbeiten wir mit bestimmten Textilien“, sagt Benjamin. Ein Trend, der sich in ihrer gemeinsamen Arbeit im Berliner Nachtleben fortsetzt. Egal ob Leder oder Kunstleder – das Fetisch-Thema spielt eine große Rolle bei GmbH. Oft sind es Materialien, die bei den Herstellern übrig geblieben sind. Das gilt generell und im Corona-Jahr 2020 im Besonderen: Die aktuelle Kollektion entstand fast ausschließlich mit Stoffen und Materialien, die im Atelier noch vorhanden waren – die Zuliefer-Betriebe in Italien waren ob der Pandemie geschlossen.

„Wir verlieren nicht die Geduld, nur weil wir in unseren Möglichkeiten eingeschränkt sind“, sagt Benjamin. „Im Gegenteil.“ Ist das nachhaltig? Unbedingt.

Die aktuelle Folge des Telekom Electronic Beats-Podcasts wählt eine nur auf den ersten Blick andere Perspektive auf das Nachtleben. Wie wir aussehen, wie wir uns geben, spielt eine entscheidende Rolle. Es geht nicht immer nur im Beats. Alle können sich kleiden wie sie sollen. Die beiden Macher von GmbH bieten eine Alternative. Gegrounded und doch der Zukunft zugewandt.

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