Thank you, Lodown ...Zum Abschied einer Magazin-Ikone
12.5.2016 • Kultur – Fotos & Text: Thomas StoffelsNach 20 Jahren und exakt 100 Ausgaben ist Schluss für das Magazin Lodown aus Berlin. Die selbsternannte „Zeitschrift für Populärkultur und Bewegungskunst“ zieht sich aus dem Printgeschäft zurück. Das ist schade, hat Lodown doch seit der ersten Ausgabe wie kaum ein anderes Magazin die Themen Kunst, Skateboard-Kultur, Design, Musik und Fotografie mit viel wahrhaftiger Street-Credibiltity rüber gebracht. Unser Autor Thomas Stoffels ist Fan, Heavy-Abonnent und Leser der ersten Stunde. Er blickt er auf zwei spannende Jahrzehnte Heftkultur zurück. Eine Liebeserklärung.
Liebe Lodown,
20 Jahre sind eine verdammt lange Zeit. Keine meiner Beziehungen hat je so lange gehalten. Aber wessen Beziehung tut das heutzutage noch? Ich erinnere mich noch gut an den Kauf meiner ersten Ausgabe: Frühling 1996, Laufnummer 3. Ob ich zu der Zeit schon ein Handy hatte? Lodown war von Beginn an anders. Klar, gab es zahllose Skate-Magazine, Snowboard-Magazine, Graffiti-Magazine, aber keines hat Populärkultur und Bewegungskunst (alleine für den Claim gehört man ziemlich lange geküsst) so kongenial und irgendwie auch „erwachsen“ und vor allem bereits in den 1990er-Jahren rübergebracht. In einer Zeit, als unsere Eltern und andere Skeptiker noch glaubten, irgendwann sei es mit Techno, Malen und Skaten auch mal vorbei wie mit Hula-Hoop-Reifen oder Schnapparmbändern. Dass das alles ein kurzer Trend sei, nicht mehr. Den Beatles wollte man bekanntlich auch erst keinen Plattenvertrag anbieten. Heute kann man Väter von ihren Söhnen nicht mehr unterscheiden, weil sie beide mit dem gleichen Board und Style in der Großstadt unterwegs sind, und Graffiti-Künstler wie Banksy haben heute mehr Wert und Bedeutung als hochnäsige Professoren einer Kunstakademie. Das Querformat, das bestimmt nicht zufällig an ein Blackbook erinnerte, stach im Zeitschriftenregal entweder besonders gut hervor, wenn es vorne lag, oder ging hinter flattrigen Billigillustrierten einfach unter. Das war schon Punk und Kreuzberg, Underground irgendwie.
Vor all meinen Umzügen entsorgte ich kiloweise alte Snowboard-Magazine wie MBM, Onboard und Pleasure. Doch auch wenn man seinen Freunden beim Kistenschleppen so wenig wie möglich zumuten möchte: Dieser eine Stapel mit all meinen Lodown-Ausgaben musste immer mit. Davon konnte ich mich nicht trennen. Wollte ich auch nicht. Eine Zeit lang habe ich das Magazin nicht konsequent gekauft, einige Ausgaben sind verloren gegangen. Aber ich habe nochmal nachgezählt: Insgesamt komme ich auf 69 Issues, das Lodown-Buch, die Art Specials und das Super-Lo8-Video, das irgendwann von meinem VHS-Rekorder gefressen wurde. Meine HipHop- und Snowboard-Helden hast du in deinem Layout noch viel cooler erscheinen lassen. Und wie wir mit jeder Ausgabe die Anzeigen von Abuse Industries gefeiert haben! Durch dich wurde mein Interesse an Fotografie und Grafik-Design geweckt und du hast immer den Blick über den viel zitierten Tellerrand gewagt. Ich wollte mal ein bisschen so sein wie du, mit der Zeit musste ich aber feststellen, dass ich nur ein mangelhaftes Talent im Umgang mit Sprühdose und Marker besitze. Dazu meine dezente Farbblindheit, die mir vor allem eines zeigte: Für einen künstlerisch-kreativen Beruf bin ich wohl doch nicht geschaffen. Heute mach ich etwas komplett anderes, lasse mich aber dennoch immer wieder und gerne von dir inspirieren.
Nun gibt es deine einhundertste Ausgabe, die zugleich deine letzte ist. Was soll man dazu sagen? Soll man feiern oder trauern? Bist du wie viele andere zu alt geworden für Bewegungskunst, weil der Rücken und die Knie nicht mehr mitmachen? Oder ist es wie bei vielen anderen Magazinen der Digitalisierung geschuldet, dass deine Macher keine Motivation mehr haben, weiter den defizitären Wahnsinn des Printjournalismus zu betreiben? Oder war irgendwann auch mal gut, weil einfach alle Themen in langen 20 Jahren durchdekliniert worden sind? In der Kreuzberger Abschiedsausstellung, die ihr am ersten Maiwochenende veranstaltet habt, gab es vielleicht schon einen Ausblick, wie es vielleicht weiter gehen könnte: in einem Zusammendenken von analoger und digitaler Grafik, in einer Weiterentwicklung von Street Art zu anerkannter Kunst. Vielleicht musst du einfach nur mal das Diktum der Jugend abschütteln und dich resetten?
Du, liebe Lodown, hast in den vergangenen zwei Jahrzehnten bestimmt nicht nur mich geprägt. Du warst ein wichtiger Kanal für Alternativkultur, auch wenn du diese zeitgleich paradoxerweise salonfähig gemacht hast. Danke für die schöne Zeit.