Man kann nicht alle interessanten Texte, die die ganze Woche über publiziert werden, finden, geschweige denn lesen. Immer sonntags stellt die Redaktion an dieser Stelle vier bemerkenswerte Artikel vor, die über unsere Displays geflimmert sind und dabei zum Glück abgespeichert wurden.
##Lesen 2015
Einer der guten Vorsätze für das neue Jahr: mehr lesen. Und zwar gerne auch Bücher und nicht nur Artikel, egal ob einen das nun weiterbringt oder am Ende nur als Konzentrationsübung abgehakt werden kann. Ist Letzteres, die Konzentration bzw. der Mangel an der Fähigkeit dazu, nicht allzu oft das Problem? Die Angst davor, dass man, während man sich in ein Buch vertieft, darauf einlässt, ohne Konsequenzen, das tägliche Flirren verpassen könnte? Rick Webb ist jemand, der viel liest. Bücher. 60 waren es im vergangenen Jahr. Wie zur Hölle machst du das, ist eine Frage, die er oft zu hören bekommt. Und in seinem Text „My Reading Habbits“ versucht zu beantworten. Das ist vielleicht teilweise ein wenig zu ernsthaft und großprojektig, aber ein paar seiner Gewohnheiten lassen sich bestimmt auch auf unser Leben übertragen.
„Besser, als betrunken in der U-Bahn zu lesen, wird es nicht.“
##Risiko!
Am 1. Januar ist der deutsche Soziologe Ulrich Beck gestorben, sein Hauptwerk „Risikogesellschaft" (1986) und seine Folgeschriften zu Globalisierung, Modernisierung und Individualisierung durften in keiner soziologischen und angrenzend geisteswissenschaftlichen Ausbildung fehlen. Zu Becks größten Stärken zählte zweifellos, ähnlich wie seine Kollegen Anthony Giddens oder Zygmunt Bauman komplexe gesellschaftliche Sachverhalte in einfachen Worten auszudrücken. Sie „anschlussfähig“ zu machen, um eine Vokabel eines weiteren Kollegen, Niklas Luhmann, zu verwenden, dem diese Fähigkeit der verbalen Komplexitätsreduktion meist versagt blieb. Sein Buch „Risikogesellschaft" veröffentlichte Beck kurz vor Tschernobyl. 25 Jahre später, drei Tage nach Fukushima, gab es in der SZ dieses Interview.
„Die Kernenergiewirtschaft hat die Welt zum Labor gemacht, zu einem Experiment mit offenem Ausgang, deren wissenschaftliche und auch politische Befunde überall präsent sind.“
##Du musst Dein Leben ändern
Eine ganze Branche, ach was, zig ganze Branchen leben davon, dass sich viele Menschen am 1. Januar, ach was, am 2. Januar (der erste wird verschlafen) vornehmen: So. Nun ist aber endlich Schluss mit dem Genuss und Zeit für mehr Bewegung und weniger Trinken und so weiter. Marina O´Loughlin hat es sich für den Guardian auch vorgenommen: kein „fine dining“ mehr, kein Bacon zum Frühstück, keine Bars, dafür Nordic Walking und Gurken-Avocado-Suppe. Sieben Tage lang, dann der Rückfall: eine „ginger pig sausage roll“. Eine amüsante Schilderung des alljährlichen großen Vernunft-Unsinns. Darauf einen Grünkohlsaft.
„I’ve never ingested so much cucumber, drunk so much herbal tea or showed my naked arse to so many strangers.“
##Pampers im Reich der Mitte
Die Geschichte der Einwegwindel ist längst nicht überall in der Welt so alt wie hierzulande. In China trägt zum Beispiel nur jedes zehnte Kind die hier schon klassischen Pampers - Tendenz stark steigend. Xifan Yang erzählt in ihrem Feature nicht nur die Erfolgsgeschichte der Einwegwindel in China in den letzten zehn Jahren. Vor allem erzählt sie eine Geschichte, die davon handelt, wie ein Großkonzern mit Gewalt einen Markt schafft, wo gar keiner ist. Der Vorteil: Die Kinder pennen eine halbe Stunde länger und mit ihnen auch die Eltern, die daraufhin leistungsfähiger sein können - so das Werbeversprechen. Der Nachteil: Die Kids machen mehr als doppelt so lange in die Hose und China steuert auf ein riesiges Müllproblem dank vollgekackter Babywindeln zu. Eine wirklich interessante Erfolgsstory, die in Wahrheit keine ist.
„Das Anschieben der Windelrevolution ließ sich P&G einiges kosten. Experten schätzen, dass der Konzern allein in China bis heute mehr als eine halbe Milliarde Euro für Windelwerbung ausgegeben hat.“